Hat ein Steuerpflichtiger sowohl im Ausland als auch in Deutschland einen Wohnsitz, bestimmt sich die Ansässigkeit in diesen Doppelwohnsitzfällen nach der sog. tie breakter rule[1]. Hierbei ist folgende nachgeordnete Prüfungsreihenfolge abzuarbeiten:

Erläuterungen:

Die Erläuterung erfolgen anhand des Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz, für den umfangreiche Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen vorliegen.

a) Eine ständige Wohnstätte in einem Vertragsstaat

Der Begriff "ständige Wohnstätte" ist ein eigener, abkommensrechtlicher Begriff, der nicht mit dem Wohnsitz i. S. des § 8 AO identisch ist. Die Begriffe "Wohnstätte" und "ständige Wohnstätte" sind im DBA selbst nicht definiert. An eine ständige Wohnstätte i. S. des Art. 4 Abs. 2 DBA Schweiz sind tendenziell höhere Anforderungen als an einen Wohnsitz i. S. des § 8 AO zu stellen. Der BFH[2] nimmt zum Begriff "ständige Wohnstätte" i. S. des Art. 4 Abs. 2 und 3 DBA Schweiz unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung zu vergleichbaren DBA wie folgt Stellung[3]: Eine Wohnstätte sind nach dem BFH alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Die Wohnstätten in dem o. g. Urteilsfall sind des Weiteren auch "ständige" i. S. des DBA Schweiz, da der Kläger auf Grund längerfristiger Mietverträge über diese ständig verfügen konnte und diese auch regelmäßig nutzte. Eine ständige Wohnstätte setzt dabei nicht ein ständiges Bewohnen der Wohnung oder ein Mindestmaß an Nutzung in jedem Veranlagungszeitraum voraus. Nicht ausreichend für die Annahme einer ständigen Wohnstätte ist allerdings die alleinige Tatsache, dass der Steuerpflichtige über eine inländische Wohnung verfügt, ohne sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu bewohnen. Keine ständige Wohnstätte liegt somit nur bei gelegentlicher Nutzung vor.

Eine ständige Wohnstätte ist nach dem Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971 jedoch bei Räumlichkeiten zu verneinen, die nach Charakter und Lage ausschließlich Erholungs , Kur-, Studien- oder Sportzwecken dienen und nachweislich nur gelegentlich und nicht zum Zwecke der Wahrnehmung wirtschaftlicher und beruflicher Interessen verwendet werden.[4]

 
Praxis-Beispiel

Wohnstätte zu Kurzwecken

Der beim FC Freiburg angestellte ledige Fußballspieler B hält sich nach einer Meniskus-Operation in einer Reha-Klinik in Davos/Schweiz auf. Er bezieht weiterhin seinen Arbeitslohn (Grundgehalt ohne Prämien). Seine Wohnung in Freiburg steht während der 6 Monate frei. B ist weiterhin in Deutschland ansässig.

 
Praxis-Beispiel

Ständige Wohnstätte in beiden Vertragsstaaten

C wohnt in Zürich/Schweiz in einem in seinem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. In Zürich betreibt B einen Weinhandel. C hat außerdem eine 1-Zimmer-Wohnung in Freiburg, die er zweimal im Monat (je einen Tag) aufsucht, um seine dort gelegene deutsche Betriebsstätte zu betreuen. C hat sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland eine ständige Wohnstätte i. S. des DBA, da er über beide Wohnungen verfügt und beide auch regelmäßig nutzt.

 
Praxis-Beispiel

Keine Wohnstätte i. S. des DBA (Abwandlung voriges Beispiel)

C übernachtet bei seiner Deutschlandtätigkeit ab und zu in seinem Elternhaus, indem er dort sein ehemaliges Kinderzimmer zum Übernachten nutzt. C hat weder Verfügungsmacht über die Räume, noch liegt eine regelmäßige Nutzung vor. Damit ist die Wohnstätte i. S. des DBA zu verneinen.

b) Mittelpunkt der Lebensinteressen

Im Fall des Unterhalts einer ständigen Wohnstätte in beiden Vertragsstaaten erhält derjenige Vertragsstaat Priorität, in dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen (engere wirtschaftliche und persönliche Beziehungen) des Steuerpflichtigen befindet.

Die Feststellung des Mittelpunkts der Lebensinteressen erfordert eine zusammenfassende Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Beziehungen nach der Gesamtheit der objektiven Umstände des Einzelfalls. Daraus ergibt sich der für die betroffene Person bedeutungsvollere Ort.

Kriterien zur Beurteilung der persönlichen Beziehungen können Freundes- und Bekanntenkreise oder die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in einem Ort sein. Auch der Qualität der Wohnunterkunft kommt für die Bewertung der persönlichen Beziehungen eine ganz wesentliche Bedeutung zu. Der Schwerpunkt liegt jedoch bei einer nicht getrennt lebenden Person am Ort des Familienwohnsitzes.

Zu der Überprüfung der wirtschaftlichen Beziehungen gehören Kriterien wie z. B. Ort der Arbeitsausübung bei einer nichtselbstständigen Tätigkeit, Belegenheit von Grundbesitz. Teilweise bestehen auch in der Fachliteratur unterschiedliche Auffassungen darüber, ob das Schwergewicht bei den persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen liegt, wenn in beiden Vertragsstaaten sowohl persönliche als auch wirtschaftliche Interessen mit einer unterschiedlichen Gewichtung vorliegen. Der BFH hat[5] zur Frage der Ansässigkeit nach dem DBA/Großbritannien entschieden, dass bei einer Person, die die deutlich engeren persönlichen Beziehungen und außerdem ins Gewicht fallende wirtschaftliche Beziehungen zu dem...

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