6.1.1 Überblick

 

Rz. 78

Die bilanzielle Behandlung von immateriellen Vermögenswerten (Intangible Assets) richtet sich im Rahmen der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS nach IAS 38, der den Ansatz, die Bewertung und den Ausweis immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens regelt. Ferner sind bei der Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte die Vorschriften zu außerplanmäßigen Abschreibungen nach IAS 36 zu beachten.

Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens sind nach IAS 38.8 identifizierbare, nicht monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz, die einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen verkörpern, sich in der Verfügungsmacht des bilanzierenden Unternehmens befinden und von diesem zur Herstellung von Erzeugnissen oder zur Erbringung von Dienstleistungen, zur Vermietung an Dritte oder für Zwecke der Nutzung durch eigene Verwaltung verwendet werden. In diesem Kontext nennt IAS 38.9 beispielhaft Computersoftware, Patente, Urheberrechte, Filmmaterial, Kundenlisten, Hypothekenbedienungsrechte, Fischereilizenzen, Importquoten, Franchiseverträge, Kunden- oder Lieferantenbeziehungen, Kundenloyalität, Marktanteile und Absatzrechte.

Für die Zuordnung zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen ist entsprechend dem IAS 1.66 die Verwendungsabsicht der Güter maßgeblich. Immaterielle Vermögenswerte, die mit einer Veräußerungsabsicht gehalten werden, sind dem Umlaufvermögen zuzuordnen und bilanziell nach IAS 2 (Vorräte) oder IAS 11 (Fertigungsaufträge) zu behandeln. Eine Zuordnung zum Anlagevermögen erfolgt, wenn die immateriellen Güter für die in der Definition nach IAS 38.8 genannten Zwecke verwendet werden und die konkretisierenden Bedingungen der IAS 38.10 ff. erfüllen.[1]

 

Rz. 79

Neben den immateriellen Vermögenswerten des Umlaufvermögens sind vom Anwendungsbereich des IAS 38 auch solche Bereiche ausgeschlossen, die durch einen eigenen IAS bzw. IFRS geregelt sind. Dazu gehören insbesondere Leasingverträge (IAS 17), der derivative Geschäfts- oder Firmenwert (IFRS 3), Finanzinstrumente im Sinne des IAS 32 und aktivische latente Steuern (IAS 12). Der Standard findet auch keine Anwendung für die Bilanzierung verschiedener branchenspezifischer immaterieller Güter der Bergbau- sowie Öl- und Gasindustrie (IAS 38.2). Diese Bereiche beabsichtigte der IASB bei der Entstehung von IAS 38 künftig durch eigene Standards zu regulieren.[2]

[1] Vgl. Achleitner/Behr/Schäfer, Internationale Rechnungslegung, 4. Aufl. 2009, S. 94; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 15. Aufl. 2019, S. 290.
[2] Vgl. Busse von Colbe u. a., DB 1999, S. 1131.

6.1.2 Definitionsmerkmale immaterieller Vermögenswerte und Abgrenzungen

 

Rz. 80

Das Kriterium der Identifizierbarkeit (Identifiability) setzt voraus, dass der künftige wirtschaftliche Nutzen aus dem Vermögenswert identifiziert werden kann. Somit lässt sich ein immaterieller Vermögenswert von einem Geschäfts- oder Firmenwert, der im Rahmen eines Unternehmenserwerbs der Unternehmung oder im Falle eines Konzerns dem Konzernvermögen zugeflossen ist, abgrenzen,[1] womit die Identifizierbarkeit dem Kriterium der Greifbarkeit nach deutschem Bilanzrecht entspricht.[2] Identifizierbar sind solche Vermögenswerte, die separierbar sind, d. h. vom Unternehmen getrennt und veräußert, vermietet oder getauscht werden können (IAS 38.12(a)). Aufgrund der fehlenden Separierbarkeit können Aufwendungen bspw. für Werbekampagnen sowie Aufwendungen für die Gründung des Geschäftsbetriebs nicht aktiviert werden.[3] Die Separierbarkeit ist eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für die Aktivierung eines Vermögenswerts.[4] Das Kriterium der Identifizierbarkeit liegt nach IAS 38.12 (b) auch dann vor, wenn ein vertragliches (etwa durch einen Lizenzvertrag) oder ein gesetzliches Recht besteht.[5]

 

Rz. 81

Mit der Forderung nach dem nicht monetären Charakter der Vermögenswerte sollen immaterielle Güter vom finanziellen Vermögen abgegrenzt werden.[6] Dazu wird allerdings in IAS 38.8 eine "negative" Definition für "monetäre Güter" (monetary assets) vorgenommen. Danach werden monetäre Vermögenswerte als der Kassenbestand sowie als Vermögenswerte, die einen Anspruch auf einen bestimmten oder festlegbaren Geldbetrag begründen, bestimmt.

 

Rz. 82

Immaterielle Vermögenswerte sind durch das Fehlen einer physischen Substanz gekennzeichnet. Allerdings treten häufig Abgrenzungsprobleme zwischen materiellen und immateriellen Vermögenswerten auf, wenn die Vermögenswerte sowohl physische als auch immaterielle Komponenten enthalten.[7] In diesem Fall wird die Wesentlichkeit der beiden Komponenten als Entscheidungskriterium herangezogen (IAS 38.4). Jedoch sind in IAS/IFRS keine Kriterien zur Beurteilung der Wesentlichkeit vorhanden.[8] Es wird lediglich beispielhaft in IAS 38.4 auf die Bilanzierung von Software hingewiesen. Wird die Software auf Disketten oder Prototypen gespeichert, so ist sie trotz dieser materiellen Bestandteile als immaterielles Vermögen anzusetzen. Dagegen ist die Software einer computergestützten Maschine zusammen mit der Maschine als materieller Vermögenswert zu aktivieren.[9]

 

Rz. 83

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