Rz. 233

Soweit ein Steuerpflichtiger nicht zur Führung von Büchern verpflichtet ist, räumt ihm § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG grundsätzlich ein Wahlrecht ein, seinen Gewinn mittels Einnahmenüberschussrechnung oder Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln.[1] In formaler Hinsicht bestimmt das Gesetz keinen Zeitpunkt zur Ausübung des Wahlrechts, weshalb dieses prinzipiell unbefristet ausgeübt werden kann. Eine formale Beschränkung der Ausübung des Wahlrechts ergibt sich lediglich durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. -feststellung.[2] Materiell-rechtlich kann die Ausübung des Wahlrechts jedoch bereits früher beschränkt sein. So kann eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nur in Betracht kommen, wenn zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet wird.[3] Die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und Einrichtung einer kaufmännischen Buchführung reichen ihrerseits jedoch noch nicht zur Ausübung des Wahlrechts zugunsten des Betriebsvermögensvergleichs aus. Erst mit der (freiwilligen) Erstellung eines Abschlusses wird dieses Wahlrecht endgültig ausgeübt,[4] sodass eine Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nicht mehr in Betracht kommt.[5]

 

Rz. 234

Entscheidend für die Ausübung des Wahlrechts ist die tatsächliche Handhabung.[6] Aus dem Fehlen einer Eröffnungsbilanz und der Nichteinrichtung einer kaufmännischen Buchführung kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass der Steuerpflichtige sein Wahlrecht zu Gunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt hat. Hat er hingegen lediglich Betriebseinnahmen und ‐ausgaben aufgezeichnet, so gilt das Wahlrecht zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung aufgrund der tatsächlichen Handhabung als ausgeübt.[7] Sofern der Steuerpflichtige überhaupt keine Aufzeichnungen vorzuweisen hat, kann von einer Ausübung des Wahlrechts weder in die eine noch in die andere Richtung ausgegangen werden. Die sodann erforderliche Gewinnschätzung richtet sich nach § 4 Abs. 1 EStG, der Grundform der Gewinnermittlung.[8] Die Wahlrechtsausübung ermöglicht dem Steuerpflichtigen grundsätzlich die Auswahl der für ihn günstigsten Methode. So kann sich der Betriebsvermögensvergleich etwa aufgrund der Möglichkeit, Rückstellungen zu bilden, oder die Einnahmenüberschussrechnung wegen ihrer Orientierung an Liquiditätsgrößen vorteilhaft auswirken. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart bindet den Steuerpflichtigen grundsätzlich für 3 Jahre, es sei denn, es liegen besondere wirtschaftliche Gründe für einen erneuten Wechsel vor.[9]

 

Rz. 235

Auch (nicht buchführungspflichtige) Land- und Forstwirte, die die Kriterien des § 13a Abs. 1 EStG erfüllen, haben auf Antrag hinsichtlich ihrer Gewinnermittlungsart ein Wahlrecht. Anstelle der andernfalls verpflichtenden Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen ist infolgedessen eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich oder Einnahmenüberschussrechnung möglich.[10] Der Antrag bindet den Steuerpflichtigen nach § 13a Abs. 2 EStG für vier aufeinanderfolgende Jahre. § 5a EStG räumt zudem Gewerbebetrieben mit Geschäftsleitung im Inland unter den dort genannten Voraussetzungen ein antragsgebundenes Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach der Tonnage anstelle des Betriebsvermögensvergleichs ein.[11] Nach § 5a Abs. 3 Satz 7 EStG ist der Steuerpflichtige an den Antrag 10 Jahre gebunden; eine ggf. im Anschluss vorgenommene Rücknahme des Antrags bindet den Steuerpflichtigen wiederum für 10 Jahre an den Betriebsvermögensvergleich (§ 5a Abs. 3 Sätze 8, 9 EStG).

 

Rz. 236

Ein Wechsel der Gewinnermittlungsart kann auch zwingend erforderlich werden, wenn sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens ändern, wie beispielsweise im Fall der Überschreitung der Grenzen des § 141 AO, aus der eine Pflicht zur Buchführung und damit der Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich folgt. Auch bei einer Veräußerung/Aufgabe eines Betriebs i. S. d. § 16 EStG wird zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns ein Wechsel der Gewinnermittlungsart hin zum Betriebsvermögensvergleich fingiert.[12]

 

Rz. 237

Wie der Wechsel der Gewinnermittlungsart zu erfolgen hat, ist gesetzlich nicht konkret geregelt. Einen Rahmen hierfür geben lediglich die R 4.6 und R 4.5 Abs. 6 EStR vor, deren Inhalt durch die dazu entsprechend ergangenen EStH ergänzt wird. Die darin niedergelegten Grundsätze stehen auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH.[13] Dem Grundsatz der Totalgewinnidentität folgend darf ein Wechsel der Gewinnermittlungsart nicht dazu führen, dass betriebliche Vorgänge doppelt oder überhaupt nicht erfasst werden.[14] Es sind deshalb Korrekturen vorzunehmen, durch die Abweichungen zwischen den Gewinnermittlungsarten aufgefangen werden.

[1] Für eine überblicksartige Zusammenstellung der personellen Zuordnung zu den einzelnen Gewinnermittlungsarten vgl. Rz. 11 ff.

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