2.2.4.1 Untersuchung des § 4 Abs. 1 EStG

 

Rz. 38

Der Wortlaut des EStG enthält keinen konkreten Hinweis auf handelsrechtliche Vorschriften, die bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG zu beachten sind. Lediglich aus § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG folgt, dass auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die GoB zu beachten sind.[1] Für den Bereich des § 4 Abs. 1 EStG besteht somit zwar keine unmittelbare Bindung an die handelsrechtlichen GoB wie in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG, jedoch sind durch § 141 Abs. 1 Satz 2 AO die Regelungen

sinngemäß anzuwenden, sofern sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt. Ergänzend wendet die Rechtsprechung die Vorschriften der speziellen steuerrechtlichen GoB des § 5 Abs. 25 EStG in entsprechender Weise auch auf den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG an.[2] Darüber hinaus sind auch die allgemeinen handelsrechtlichen GoB einzubeziehen.[3] Sofern die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften jedoch explizite Regelungen vorsehen (z. B. §§ 6, 7 und 7a EStG), sind diese immer vorrangig zu beachten.[4]

 

Rz. 39

Fehlen Bücher oder sind diese nicht ordnungsgemäß geführt, rechtfertigt dies die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 1 AO).[5]

 

Rz. 40

Ebenfalls sind für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Regelungen der R 5.2–5.4 EStR über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, über die Bestandsaufnahmen des Vorratsvermögens und über die bestandsmäßige Erfassung des beweglichen Anlagevermögens sinngemäß anzuwenden.[6]

[1] Bode, in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 4 EStG Rz. 12.
[5] Görke, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 141 AO Rz. 78, Stand: 6/2021.

2.2.4.2 Untersuchung des § 5 EStG

 

Rz. 41

Nach dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG verankerten Maßgeblichkeitsprinzip bildet die unter Befolgung der GoB erstellte Handelsbilanz die Grundlage für die Steuerbilanz, also für die steuerliche Gewinnermittlung. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit wird durch explizite steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte durchbrochen; d. h. durch die Möglichkeit der unabhängigen Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist die Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG eingeschränkt (Wahlrechtsvorbehalt). Damit hat der Gesetzgeber einen Vorrang des Steuerrechts angeordnet.[1] Sofern das Steuerrecht jedoch keine Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte vorsieht, sind handelsrechtliche Aktivierungsgebote, -verbote bzw. Passivierungsgebote, -verbote auch steuerlich zwingend. Aktivierungswahlrechte werden zu steuerlichen Aktivierungsgeboten, Passivierungswahlrechte zu steuerlichen Passivierungsverboten.[2]

 

Rz. 42

Für Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, richtet sich die Gewinnermittlung nach § 5 EStG. Für die Gewinnermittlung nach § 5 EStG gilt ebenfalls der allgemeine Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts[3] ist nach dem geänderten § 5 Abs. 1 EStG für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt. Die Steuerbilanz der Gewerbetreibenden kann deshalb grundsätzlich aus der Handelsbilanz, soweit sie den handelsrechtlichen Vorschriften entspricht, abgeleitet werden.

 

Rz. 43

Sind Handels- und Steuerbilanz zahlenidentisch, sodass nur eine Bilanz aufgestellt werden muss, so spricht man von einer Einheitsbilanz.[4] Sind hingegen die Bilanzansätze der Handelsbilanz steuerrechtlich nicht zulässig oder werden steuerliche Wahlrechte ausgeübt, ist die Aufstellung einer Einheitsbilanz nicht möglich. Es ist in diesen Fällen eine Anpassungsrechnung vorzunehmen oder eine besondere, von der Handelsbilanz abweichende Steuerbilanz aufzustellen (§ 60 Abs. 2 EStDV bzw. § 5b Abs. 1 Sätze 2, 3 EStG).[5]

 

Rz. 44

Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG die Aufnahme der Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse....

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