Leitsatz (amtlich)

1. In der Übernahme von Erschließungskosten durch den Erbbauberechtigten liegt ein zusätzliches Entgelt für die Nutzung des Grundstücks.

2. Gehört das Grundstück zum Betriebsvermögen des Erbbauverpflichteten, so ist dieses Entgelt mittels eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens über die Dauer des Erbbaurechts zu verteilen. Das gilt auch für einen buchführenden Land- und Forstwirt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein buchführungspflichtiger Land- und Forstwirt. Zu seinem Betriebsvermögen gehört Bauland. Hieran bestellte er Erbbaurechte. Die Erbbauberechtigten verpflichteten sich, die anfallenden Erschließungskosten an die Gemeinde zu zahlen. Im Wirtschaftsjahr 1973/74 haben sie 51 900 DM entrichtet.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung sah der Prüfer darin ein zusätzliches Entgelt der Erbbauberechtigten für die Nutzungsüberlassung. Er aktivierte den Betrag beim Grund und Boden; in gleicher Höhe bildete er einen als Rücklage bezeichneten Passivposten, den er entsprechend der Laufzeit der Erbbaurechte jährlich mit 1/99 gewinnerhöhend auflöste. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schloß sich dieser Auffassung an und berichtigte die Einkommensteuerveranlagung 1973.

Die Klage blieb erfolglos; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 484 (EFG 1978, 484) veröffentlicht.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Das FG hat nicht berücksichtigt, daß die Entscheidung davon abhängt, ob der Kläger bei Beendigung des Erbbaurechtsverhältnisses den Erbbauberechtigten die zunächst von ihnen getragenen Erschließungsbeiträge ersetzen muß. Die Sache muß daher an das FG zurückverwiesen werden, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.

1. Das FG hat angenommen, dem Kläger sei durch die Entrichtung der Erschließungsbeiträge seitens der Erbbauberechtigten ein geldwerter Vorteil als Einnahme zugeflossen. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Es kommt deshalb nicht auf den Zufluß von Einnahmen und Ausgaben an (§ 11 EStG). Maßgebend ist vielmehr die Entwicklung seines Betriebsvermögens zwischen den Bilanzstichtagen.

2. Der Betriebsprüfer ist in seiner Gewinnermittlung für den Kläger davon ausgegangen, daß die Übernahme der Erschließungskosten neben dem Erbbauzins ein zusätzliches Entgelt für die Grundstücksüberlassung darstellt und über die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen ist. Dieser Auffassung ist beizupflichten.

a) In der Literatur wird verschiedentlich die Meinung vertreten, in der Einräumung des Erbbaurechts liege ein Rechtskauf; das Veräußerungsentgelt bestehe in den Erbbauzinsen und den übrigen Leistungen des Erbbauberechtigten (Martin, der Betrieb 1974 S. 10 - DB 1974, 10 -; de Haan/Gast, DB 1976, 1347; Briese, DB 1978, 169). Im Streitfall würde sich danach der Gewinn des Klägers um den Gesamtbetrag der von den Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungsbeiträge erhöhen. Dieser Literaturmeinung kann jedoch nicht gefolgt werden. Bereits die gesetzliche Regelung des Erbbaurechts ergibt nämlich, daß zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Erbbauberechtigten , während der Dauer des Erbbaurechtsverhältnisses Leistungen ausgetauscht werden. Das Erbbaurecht ist das Recht, auf dem Grundstück eines Dritten ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs. 1 der Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO -). Der Grundstückseigentümer muß die Nutzung dulden; für diese Leistung erhält er den Erbbauzins. Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigter können in diesem Zusammenhang noch weitere Leistungen miteinander vereinbaren (vgl. § 2 Erbbau-VO). Die Besonderheit des Erbbaurechts besteht darin, daß die Rechtsbeziehungen verdinglicht werden, so daß sie auch zwischen den Nachfolgern im Erbbaurecht und im Grundstückseigentum gelten und daß das Nutzungsrecht des Erbbauberechtigten in vielfacher Hinsicht wie ein Grundstück behandelt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187). Gleichwohl bestehen aber zwischen den Beteiligten des Erbbaurechtsverhältnisses schuldrechtliche Beziehungen (Staudinger/Ring, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 2 ErbbauVO Anm. 5), die steuerlich als Leistungsaustausch zu werten sind.

Damit übereinstimmend hat die Rechtsprechung Erbbauzinsen und sonstige Leistungen des Erbbauberechtigten beim Grundstückseigentümer als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nicht als Veräußerungsentgelt betrachtet (BFH-Urteile vom 11. Oktober 1963 VI 251/62 U, BFHE 77, 665, BStBl III 1963, 564; vom 4. Juli 1969 VI R 259/67, BFHE 96, 506, BStBl II 1969, 724). Auch im Rahmen einer Gewinnermittlung ist davon auszugehen, daß damit laufende Leistungen des Grundstückseigentümers abgegolten werden. Daß die Erlangung des Erbbaurechts für den Berechtigten ein Anschaffungsgeschäft bedeutet (BFH-Urteil vom 30. November 1976 VIII R 202/72, BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384) und Aufwendungen aus diesem Anlaß Anschaffungskosten auf das Erbbaurecht sind (BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187), steht dieser Beurteilung nicht im Wege. Für den Inhalt der erlangten Rechtsposition und ihre bilanzmäßige Behandlung läßt sich daraus nichts folgern.

b) Erträge aus empfangenen Vorleistungen für eine zeitraumbezogene Gegenleistung, wie sie die Nutzungsüberlassung eines Grundstücks im Erbbaurecht darstellt, werden nach § 152 Abs. 9 Nr. 2 des Aktiengesetzes (AktG) durch Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens über die Dauer der Gegenleistung verteilt; es handelt sich um Einnahmen vor dem Abschlußstichtag, die Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Stichtag darstellen. Darin liegt ein Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, der auch für Gewerbetreibende anderer Rechtsform gilt (BFH-Urteil vom 19. Januar 1978 IV R 153/72, BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262) und nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG auch bei der Aufstellung ihrer Steuerbilanz zu beachten ist. Für die Gewinnermittlung nichtgewerblicher Unternehmen bestehen solche Vorschriften nicht. Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten der bezeichneten Art entspricht aber dem sog. Gewinnrealisierungsprinzip (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. Mai 1979 I R 49/78, BFHE 128, 364, BStBl II 1979, 738); danach werden Einnahmen erst nach Erbringung der eigenen Leistung als Ertrag ausgewiesen. Dieses Prinzip ist auch beim Betriebsvermögensvergleich nichtgewerblicher Unternehmen nach § 4 Abs. 1 EStG zu beachten, die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten daher zumindest in dem in § 5 Abs. 3 EStG vorgesehenen Umfang geboten (ähnlich Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 4 EStG Anm. 28d; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 2. Aufl., Abschn. B, Rdnr. 145n).

Der Betriebsprüfer hat die Erschließungsbeiträge in der Bilanz des Klägers als Aufwendungen auf den Grund und Boden aktiviert, ihnen aber gleichzeitig einen als Rücklage bezeichneten Passivposten gegenübergestellt und diesen nach der Laufzeit des Erbbaurechts gewinnerhöhend aufgelöst. Die Bezeichnung als Rücklage, d. h. als Eigenkapital, ist unzutreffend; aus der Abnahme des Eigenkapitals kann steuerlich kein Gewinn entstehen. Der Sache nach handelt es sich um einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zur leistungsgerechten Abgrenzung des Vermögenszugangs beim Grund und Boden.

c) Das FA hat die Übernahme der Erschließungskosten durch die Erbbauberechtigten zu Recht als Vermögenszugang beim Kläger behandelt.

Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960- BBauG -(BGBl I, 341) ist grundsätzlich der Eigentümer zur Zahlung des Erschließungsbeitrags heranzuziehen; ist jedoch ein Erbbaurecht bestellt, wird nach § 134 Abs. 1 Satz 2 BBauG allein der Erbbauberechtigte herangezogen. Das FG hat offengelassen, ob die Leistungsbescheide gegen den Kläger oder die Erbbauberechtigten ergangen sind, weil der Kläger in beiden Fällen aus der Vereinbarung einen geldwerten Vorteil erlangt habe. Im ersten Fall sei er von einer Verbindlichkeit gegenüber der Gemeinde befreit worden; im zweiten Fall hätten ihm die Erbbauberechtigten durch Zahlung der Erschließungsbeiträge zu einer Wertsteigerung des Grundstücks verholfen. Hiergegen macht der Kläger mit der Revision geltend, die Wertsteigerung werde erst bei Beendigung des Erbbaurechtsverhältnisses oder im Falle einer Veräußerung des erbbaubelasteten Grundstücks realisiert. Dem ist jedoch nicht zu folgen.

Im Streitfall ist zwischen dem Vermögenszugang beim Kläger und seiner Realisierung nach Maßgabe der eigenen Leistung zu unterscheiden. Mit der Bestellung des Erbbaurechts erlangte der Kläger einen durchsetzbaren Anspruch auf Tragung der Erschließungskosten durch die Erbbauberechtigten. Bereits dieser Anspruch bedeutete für den Kläger eine Vermögensmehrung. Wäre er selbst zur Beitragszahlung herangezogen worden so könnte er nunmehr die Erstattung seiner Zahlung oder die Freistellung von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Gemeinde verlangen. Die Vereinbarung über die Übernahme der Erschließungsbeiträge durch die Erbbauberechtigten hatte aber auch für den Fall Bedeutung, daß aufgrund von § 134 Abs. 1 Satz 2 BBauG die Erbbauberechtigten zur Leistung herangezogen wurden. Diese Bestimmung regelt nur die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Erbbauberechtigten und der beitragsberechtigten Gemeinde. Im Innenverhältnis mußte dagegen der Grundstückseigentümer diese Aufwendungen tragen, da es sich um Lasten des Grundstücks handelt, die ihn und nicht den Erbbauberechtigten berühren (Staudinger/Ring, a. a. O. , § 1 ErbbauVO Anm. 40; ähnlich Ingenstau, Kommentar zum Erbbaurecht, 5. Aufl., § 2 ErbbauVO, Rdnr. 32). Dieser Verpflichtung wurde der Kläger durch

die Vereinbarung mit den Erbbauberechtigten enthoben

Der Vermögenszugang betraf den Grund und Boden; seine Nutzung als Bauland war von der verkehrsmäßigen Erschließung abhängig. Erschließungskosten werden in ständiger Rechtsprechung als Aufwendungen, auf den Grund und Boden behandelt (BFH-Urteile vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85; vom 19. Februar 1974 VIII R 65/72, BFHE 111, 496, BStBl II 1974, 337). Die Bilanzierung durch den Betriebsprüfer entspricht diesen Grundsätzen. Mit der Bildung des passiven Rechnungspostens ist berücksichtigt, daß dem Vermögenszugang Leistungspflichten des Klägers gegenüberstehen und der Gewinn erst durch die Leistungserbringung verwirklicht wird.

3. Der Kläger hat vor dem FG vorgetragen, nach § 5 der Erbbaurechtsverträge müsse er beim Erlöschen des Erbbaurechts die zunächst von den Erbbauberechtigten getragenen Erschließungsbeiträge ersetzen. Die Frage ist entscheidungserheblich. Wäre der Kläger ersatzpflichtig, so träte der Werterhöhung beim Grund und Boden eine gleichhohe Zahlungsverbindlichkeit gegenüber; für eine Gewinnrealisierung wäre kein Raum. Das FG hätte diesem Vortrag im Rahmen seiner Ermittlungspflicht nachgehen müssen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben; die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit das FG die Ermittlungen nachholen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413495

BStBl II 1981, 398

BFHE 1981, 418

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