Rz. 52

Eine Pensionsrückstellung darf nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG u. a. nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage keinen Vorbehalt enthält, dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann (sog. schädliche Vorbehalte; zu den schädlichen Bedingungen vgl. Rz. 46). Ausgenommen sind Vorbehalte, die sich nur auf Tatbestände erstrecken, bei deren Vorliegen (ohnehin) nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Anwartschaft oder Pensionsleistung zulässig ist (unschädliche Vorbehalte).

Damit sind nur deklaratorische Widerrufsvorbehalte erlaubt; konstitutive Widerrufsvorbehalte, also solche, die eine über das nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen erlaubte Maß hinausgehende Widerrufsmöglichkeit schaffen, sind stets schädlich. Zu Beispielen vgl. R 6a Abs. 3 EStR 2012.

 

Rz. 53

Da Pensionsverpflichtungen für das Unternehmen langfristige und in ihrer Belastungswirkung nur schwer zu überblickende Verbindlichkeiten verursachen, können während der Zeit der Anwartschaft und der Zahlungsverpflichtung Umstände eintreten, die ein unverändertes Aufrechterhalten der Zusage auch unter Berücksichtigung der Interessen des Pensionsberechtigten als unbillig erscheinen lassen. Unter dieser Voraussetzung kann für den Unternehmer das Recht entstehen, die Pensionsleistungen zu kürzen oder die Zusage ganz aufzuheben. Ein solches Widerrufsrecht beruht auf dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ("clausula rebus sic stantibus") sowie der sich aus Treu und Glauben ergebenden Berücksichtigung von Zumutbarkeit und Rechtsmissbrauch.[1] Es besteht, auch ohne dass es ausdrücklich in der Zusage vorbehalten ist. Im Fall eines ausdrücklichen Vorbehalts in der Zusage handelt es sich um einen (steuerunschädlichen) Widerrufsvorbehalt nach billigem Ermessen. Widerrufsvorbehalte, die den beschriebenen Rahmen überschreiten, sind (steuerschädliche) Vorbehalte nach freiem Belieben (s. im Einzelnen Rz. 54f.).

Das einseitige Widerrufsrecht des Pensionsverpflichteten ist von der insbesondere bei einzelvertraglicher Zusage bestehenden Möglichkeit einer einvernehmlichen Veränderung der Zusage durch Vertragsänderung zu unterscheiden. Eine einvernehmliche Veränderung der Zusage erhält steuerliche Wirkung erst mit ihrer arbeitsrechtlich wirksamen Vereinbarung: Handelt es sich um eine Verschlechterung, so ist die bereits gebildete Rückstellung anzupassen, also ggf. aufzulösen; handelt es sich um eine Verbesserung, so kommt es zu einer Erhöhung der Rückstellung entsprechend der neu zugesagten Versorgungshöhe (Rz. 83a). Auch im Hinblick auf die bilanzrechtliche Behandlung gilt die Rentenerhöhung nicht als Neuzusage (Rz. 12a).

 

Rz. 53a

Zu den an § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG zu messenden Widerrufsrechten zählen auch einseitige Abfindungsrechte des Arbeitgebers. Sie sind schädliche Vorbehalte, wenn sie zu einer Rechtsminderung oder Rechtsentziehung führen. Abfindungsregelungen können sowohl für den Anwartschaftszeitraum als auch für den Zeitraum des Leistungsbezugs vorbehalten sein. Sie sind nur dann unschädlich, wenn sie anlassangemessen und werterhaltend vereinbart sind.[2]

 

Rz. 54

Nach der arbeitsgerichtlichen Rspr. ist zwischen Widerrufsrechten nach billigem Ermessen und solchen nach freiem Belieben (gleichbedeutend: freiem Ermessen) zu unterscheiden.[3]

Ein Widerrufsvorbehalt nach billigem Ermessen erlaubt eine Leistungsbeschränkung oder einen Widerruf, wenn in Übereinstimmung mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen dem Arbeitgeber aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers oder wegen grundlegend veränderter objektiver Verhältnisse nicht mehr zugemutet werden kann, an dem Leistungsversprechen festgehalten zu werden. Diese Frage ist nach billigem Ermessen zu entscheiden, d. h. unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Seiten.

Ein Widerrufsvorbehalt nach freiem Belieben gibt dem Pensionsverpflichteten das Recht auf Beschränkung oder Widerruf des Leistungsversprechens aus beachtlichem eigenem Interesse ohne Rücksicht auf die Interessen des Berechtigten. Freies Belieben bedeutet aber nicht Willkür; ein Widerrufsvorbehalt, der einen Widerruf aus unsachlichen Gründen oder ohne sachlichen Grund erlauben würde, ist arbeitsrechtlich unwirksam. Ein Widerruf aufgrund eines Widerrufsvorbehalts nach freiem Belieben ist nach der arbeitsrechtlichen Rspr. nur während der Anwartschaft zulässig; nach Eintritt des Versorgungsfalls ist auch bei weitergehendem Vorbehalt ein Widerruf nur noch nach billigem Ermessen zulässig.[4]

Da aus arbeitsrechtlicher Sicht eine Pensionszusage Entgeltcharakter hat, kann durch einen Widerruf in bereits erdiente Versorgungsansprüche nicht oder nur unter erschwerten Voraussetzungen eingegriffen werden.[5]

 

Rz. 55

Das Steuerrecht knüpft in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG an die dargestellte arbeitsrechtliche Unterscheidung an und behandelt Vorbehalte, die in Übereinstimmung mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen nach billigem Ermessen eine Beschränk...

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