Rz. 215

Nach § 255 Abs. 2 S. 2 HGB zählen zu den Herstellungskosten auch angemessene Teile der notwendigen Materialgemeinkosten, der notwendigen Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit er durch die Fertigung veranlasst ist. Diese Gemeinkosten unterscheiden sich von den Einzelkosten dadurch, dass sie nicht unmittelbar dem Produkt zugerechnet, sondern nur mittelbar über eine Schlüsselung oder eine Umlage zu den herzustellenden Wirtschaftsgütern in Beziehung gesetzt werden können (vgl. BFH v. 21.10.1993, IV R 87/96, BStBl II 1994, 176 und Rz. 200). Um eine Überbewertung zu vermeiden, muss es sich nach § 255 Abs. 2 S. 2 HGB um "angemessene Teile" "notwendiger Gemeinkosten" "innerhalb des Herstellungszeitraums" handeln. Angemessen bedeutet, dass die Zurechnung der Gemeinkosten vernünftigen betriebswirtschaftlichen Kriterien entsprechen muss.[1] Unangemessen und damit nicht den Herstellungskosten zurechenbar sind ungewöhnlich hohe oder außergewöhnliche oder selten anfallende Kosten, außerdem Unterbeschäftigungs- und Leerkosten, anders hingegen Schnellbaukosten, falls das Wirtschaftsgut eher nutzbar wird.[2]

 

Rz. 216

Außerdem müssen die Gemeinkosten ihrer Art nach notwendig sein, um den Herstellungskosten zugerechnet werden zu können. Dabei ist auf einen der Normalbeschäftigung entsprechenden Auslastungsgrad abzustellen.[3] Mehrkosten infolge einer offenbaren Unterbeschäftigung sind nicht aktivierbar.[4] Ein Indiz für eine offenbare Unterbeschäftigung ist z. B. Kurzarbeit. Keine offenbare Unterbeschäftigung sieht die Verwaltung hingegen in einer schwankenden Kapazitätsausnutzung, etwa infolge Abhängigkeit von natürlichen Verhältnissen wie z. B. im Fall einer Zuckerfabrik.[5]

 

Rz. 217

Materialgemeinkosten nach § 255 Abs. 2 S. 2 HGB stellen in der Praxis insbesondere Kosten der Einkaufsabteilung, Warenannahme, Material- und Rechnungsprüfung, Lagerhaltung, der Materialverwaltung sowie für den Transport und die Versicherung des Materials dar.[6] Eine beispielhafte, aber nicht vollständige Aufzählung einzelner Material- und Fertigungsgemeinkosten enthält R 6.3 Abs. 2 EStR 2012.

 

Rz. 218

Soweit sie nicht schon bei den Materialgemeinkosten erfasst sind, zählen zu den Fertigungsgemeinkosten z. B. Kosten folgender Kostenstellen bzw. -arten: Arbeitsvorbereitung und Fertigungskontrolle, Energiekosten, Kosten für Hilfs- und Betriebsstoffe, Abschreibungen und Instandhaltungsaufwendungen für Betriebsbauten, Fertigungsanlagen und Werkzeuge, Werkstattverwaltung, Betriebsleitung, Meister, Lohnbüro, Sachversicherungen, GrSt für das Betriebsgebäude.[7]

 

Rz. 219

Kosten für die betriebliche Altersversorgung für in der Fertigung tätige Personen zählen als zusätzliche Entgelte ebenfalls zu den Herstellungskosten. Das Steuerrecht gewährt insoweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG, wie auch das Handelsrecht in § 255 Abs. 2 S. 3 HGB, ein Aktivierungswahlrecht.[8] Ein Einbeziehungsverbot besteht für die Steuern vom Einkommen; für Erhebungszeiträume, die nach dem 31.12.2007 enden, auch für die Gewerbesteuer.[9]

[1] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, HGB, § 255 Rz. 157.
[3] Adler/Düring/Schmaltz, HGB, § 255 HGB Rz. 161.
[6] Adler/Düring/Schmaltz, HGB, § 255 HGB Rz. 172.
[7] Adler/Düring/Schmaltz, HGB § 255 HGB Rz. 184; R 6.3 Abs. 2 EStR 2012.
[8] R 6.3 Abs. 1 EStR 2012, teilweise überholt.

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