Rz. 118

Nach § 50d Abs. 3 S. 5 EStG (bis 31.12.2011: Abs. 3 S. 4) sind bestimmte Gesellschaften von der Regelung des Abs. 3 ausgenommen. Diese Gesellschaften brauchen daher die persönlichen Voraussetzungen und den "Funktionstest" nicht zu erfüllen, sondern sind immer, unabhängig von der Entlastungsberechtigung der Gesellschafter und der Art und dem Umfang ihrer Tätigkeit, entlastungsberechtigt. Es handelt sich um börsennotierte ausl. Gesellschaften und um Investmentgesellschaften. Bei diesen Gesellschaften ist ein Durchgriff auf die Gesellschafter nicht möglich; sie werden daher von der Geltung des Abs. 3 ausgeklammert.

 

Rz. 118a

Die "Börsenklausel" des S. 5 ist § 7 Abs. 6 S. 3 AStG nachgebildet.[1] Voraussetzung für die Ausnahme bei börsennotierten Gesellschaften ist, dass für die Hauptgattung der Aktien (d. h. diejenige Aktiengattung, bei der das Schwergewicht der Beteiligung am Nennkapital liegt; Stammaktien) ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. Lediglich eine Registrierung an einer Börse reicht nicht; die Anteile müssen tatsächlich in einem beachtlichen Umfang gehandelt werden. Es genügt weder ein einmaliger oder gelegentlicher Handel der Anteile noch genügt der Handel weniger Aktien, während die überwiegende Mehrzahl der Anteile fest gehalten und nicht gehandelt werden. Außerdem muss der Handel an einer anerkannten Börse stattfinden; Handel im Freiverkehr und über nicht anerkannte Börsen genügt nicht. Eine Börse ist "anerkannt", wenn es sich um einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG oder um vergleichbare Märkte außerhalb der EU bzw. des EWR handelt.[2] Ein organisierter Markt ist danach ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist.

 

Rz. 119

Diese Merkmale, die unbestimmte Rechtsbegriffe sind, sind nach dem Zweck der Regelung auszulegen, nämlich zu verhindern, dass die Anwendung des Abs. 3 durch geringfügige Börsengeschäfte, die an der Zugehörigkeit der Gesellschaft zu bestimmten Gesellschaftern nichts ändern, vermieden werden kann. Der geringfügige Handel über die Börse muss daher so gering sein, dass die Zwischenschaltung der Gesellschaft weiterhin einen Missbrauch darstellt. Ein Handel ist daher bereits dann wesentlich, wenn die zum Handel zur Verfügung stehenden Anteile mehr als nur geringfügig (wenige Prozente des Nennkapitals) sind. Maßgebend ist die Beurteilung im Einzelfall, ob nämlich der Handel mehr zum Schein erfolgt, um die Anwendung des Abs. 3 auszuschalten; dies kann lediglich im Einzelfall beurteilt werden.

 

Rz. 119a

Die Ausnahme für börsennotierte Gesellschaften gilt auch, wenn diese nicht unmittelbare Anteilseigner der ausschüttenden Gesellschaft, sondern mittelbar beteiligt sind.[3] Für den unmittelbaren Anteilseigner ist zu prüfen, ob sein Gesellschafter bei direktem Bezug entlastungsberechtigt wäre. Dies ist unter Anwendung des Abs. 3 zu prüfen, also auch seines S. 5. Gleiches gilt bei mehrstufigen Beteiligungsketten (Rz. 127).[4] Ist der Gesellschafter auf einer der Stufen börsennotiert, greift die Ausnahme von Abs. 3 für ihn ein. Da in diesen Fällen Abs. 3 insgesamt nicht gilt, ist die Entlastungsberechtigung nicht davon abhängig, inwieweit die börsennotierte Gesellschaft bei direktem Bezug entlastungsberechtigt wäre; vielmehr steht dem unmittelbaren Gesellschafter die Entlastungsberechtigung nach DBA, § 43b EStG oder § 50g EStG uneingeschränkt zu.[5]

Dies Ergebnis, das auf den ersten Blick inkonsequent erscheint, ist m. E. gewollt und rechts- und wirtschaftspolitisch gewünscht. Die Börsenklausel soll verhindern, dass die komplizierten deutschen Regeln zu kurswirksamen Effekten führen. Für den Anleger ist nicht übersehbar, ob eine zwischengeschaltete Holding nach § 50d Abs. 3 EStG entlastungsberechtigt ist oder nicht. Wird die Entlastungsberechtigung nach dieser Vorschrift versagt, kann dies, entsprechende Höhe der dadurch definitiv werdenden Steuer vorausgesetzt, Auswirkungen auf den Börsenkurs der Muttergesellschaft haben und diesen daher verzerren. Das soll die Börsenklausel vermeiden. Eine abweichende Interpretation würde das Risiko bergen, dass Bewegungen im Börsenkurs nur durch die für den ausl. Anleger unüberschaubare Regelung des § 50d Abs. 3 EStG verursacht werden.

 
Praxis-Beispiel

Entlastungsberechtigung des unmittelbaren Gesellschafters bei mehrstufiger Beteiligungskette

Gesellschafter der ausschüttenden X-GmbH ist die funktionslose Y-B. V. in den Niederlanden; deren Gesellschafter ist die funktionslose Z-B. V., ebenfalls in den Niederlanden. Gesellschafter der Z-B. V. ist eine (nach Maßstäben des Abs. 3 funktionslose) Kapitalgesellschaft in Japan, deren Aktien an der Börse in Tokio notiert sind und in beachtlichem Umfang gehandelt werden.

§ 50d Abs. 3 EStG schränkt die Entlastungsberechtigung nicht ein, weil Y und Z in einem abkommens- und richtlinienberechtigten Staat ansässig sind und es deshalb auf die Kap...

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