Rz. 170

Nach § 50a Abs. 5 S. 5 EStG haftet der Steuerabzugsverpflichtete für die richtige Einbehaltung und Abführung der Steuer.[1] Steuerabzugsverpflichteter, und damit Haftender, ist derjenige, der zivilrechtlich verpflichtet ist, die Vergütungen zu zahlen, d. h. bei einer Personengesellschaft diese, nicht die Gesellschafter.[2] Zuständig für das Haftungsverfahren ist für Vergütungen, die nach dem 31.12.2013 zugeflossen sind, das BZSt, für vorher zugeflossene Vergütungen das für den Vergütungsschuldner zuständige FA. Das gilt für diese Vergütungen auch, wenn die Haftung nach dem 31.12.2013 geltend zu machen ist.

 

Rz. 171

Die Haftung setzt voraus, dass tatsächlich eine Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Steuer bestand. Dies setzt wiederum voraus, dass der Vergütungsempfänger nach § 49 Abs. 1 EStG beschr. stpfl. war und mit seiner Leistung einen Tatbestand des § 50a Abs. 1 EStG erfüllt hat. Dies ist im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Haftungsbescheid zu prüfen.[3] Der Haftungstatbestand setzt kein Verschulden des Vergütungsschuldners voraus. Die objektive Verletzung der Einbehaltungs- und Abführungsverpflichtung genügt für das Entstehen der Haftung.

 

Rz. 172

Da der Steuerabzug nur unterlassen werden darf, wenn eine Freistellungsbescheinigung vorliegt, wird die Haftung nicht dadurch eingeschränkt, dass der Vergütungsgläubiger nach dem einschlägigen DBA keiner oder nur einer verminderten Steuer unterliegt[4] oder dass es bei einer Veranlagung nach § 50 Abs. 2 EStG zu einer Erstattung der abgezogenen Steuer kommen würde. Die Haftung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung vorliegen, aber die Freistellungsbescheinigung im Zeitpunkt des Zuflusses der Vergütung noch nicht erteilt war.[5]

 

Rz. 173

Da der Vergütungsschuldner eines inländischen Vergütungsgläubigers keiner gleichartigen Haftung unterliegt, stellt die Haftung eine Einschränkung der Grundfreiheiten, insbes. der Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EG, Art. 56 AEUV, dar. Allerdings ist diese Einschränkung der Grundfreiheit durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Steuerbeitreibung zu gewährleisten.[6] Die Haftung ist danach ein legitimes und geeignetes Mittel, die steuerliche Erfassung der Einkünfte des Vergütungsgläubigers sicherzustellen und letztlich unbesteuerte Einkünfte zu verhindern. Soweit der Vergütungsgläubiger ein in der EU ansässiger EU-Bürger oder eine EU-Kapitalgesellschaft ist, können jedoch Betriebsausgaben und Werbungskosten des Vergütungsgläubigers im Haftungsverfahren gegen den Vergütungsschuldner geltend gemacht werden (Rz. 119) und mindern dann die Haftungsschuld.[7]

 

Rz. 174

Die Haftung des Vergütungsschuldners tritt ein, wenn er den Steuerabzug nicht oder nicht in voller Höhe vorgenommen oder die Steuer nicht abgeführt hat. Fraglich kann sein, ob die Haftung auch dann eintritt, wenn der Steuerabzug aufgrund einer wirksamen, aber unrichtigen Freistellungsbescheinigung unterblieben ist. In diesem Fall war das Unterlassen des Steuerabzugs formell rechtmäßig, materiell ist aber der Steuerabzug zu Unrecht unterblieben. Aufgrund der wirksamen Freistellungsbescheinigung hat der Vergütungsgläubiger aber formell rechtmäßig gehandelt. Da der Steuerabzug sehr formal gestaltet ist, kommt es nur auf die formelle Rechtmäßigkeit, nicht auf den materiellen Widerspruch gegen die bestehende Rechtslage, an. Liegt eine Freistellungsbescheinigung vor, handelt der Vergütungsschuldner daher rechtmäßig, wenn der Steuerabzug unterbleibt. Der Haftungstatbestand ist daher nicht erfüllt. Zur Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers in diesen Fällen Rz. 189.

 

Rz. 175

Es ist nicht Voraussetzung eines Haftungsbescheids, dass der Steuerschuldner (Vergütungsgläubiger) bekannt ist. Es genügt, wenn der Steuerschuldner für den Haftungsschuldner identifizierbar ist, was i. d. R. der Fall ist, da der Vergütungsschuldner wissen muss, mit wem er die entsprechenden Verträge abgeschlossen hat. Auf die Ermittlung des Steuerschuldners (und seine Angabe im Haftungsbescheid) kann insbes. dann verzichtet werden, wenn sie objektiv unmöglich oder dem FA nicht zumutbar ist. Der Vergütungsschuldner hat die Verpflichtung, die Abzugsteuer einzubehalten und anzumelden; dabei hat er nach § 73e S. 2 EStDV auch die Namen der Vergütungsgläubiger anzugeben. Unterlässt er dies, verletzt er seine Pflichten. Er kann dann im Haftungsverfahren nicht geltend machen, das FA hätte die Vergütungsgläubiger ermitteln und im Haftungsbescheid anführen müssen.[8]

 

Rz. 176

Trotz der Haftung des Leistenden der Vergütung bleibt der Vergütungsempfänger der Steuerschuldner und kann daher für die Abzugssteuer durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden. Haftender und Steuerschuldner sind Gesamtschuldner. Die Finanzbehörde kann den Steueranspruch gegen jeden der Gesamtschuldner geltend machen. Allerdings ist die Verpflichtung des Haftenden nicht subsidiär gegenüber der Zahlungsverpflichtung des Steuerschuldners. § 219 S....

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