Rz. 188

Trotz der Haftung des Leistenden der Vergütung bleibt der Vergütungsempfänger der Steuerschuldner. Haftender und Steuerschuldner sind Gesamtschuldner. Der Steuerschuldner selbst darf aber unmittelbar nur in Anspruch genommen werden, wenn die Steuer nicht ordnungsgemäß einbehalten, also der Bruttobetrag ohne Steuerabzug an ihn ausgezahlt wurde. Für Vergütungen, die bis zum 31.12.2008 zugeflossen sind, war die Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers außerdem nur möglich, wenn er wusste, dass der Steuerabzugsverpflichtete die einbehaltene Steuer nicht ordnungsgemäß an das FA abgeführt hat und der Vergütungsgläubiger dies dem FA nicht unverzüglich mitgeteilt hatte. Durch G. v. 19.12.2008[1] ist diese Einschränkung des Nachforderungstatbestands für nach dem 31.12.2008 zugeflossene Vergütungen jedoch ersatzlos gestrichen worden.

 

Rz. 189

Für die Zulässigkeit der Nachforderung besteht eine Lücke in dem Fall, dass der Steuerabzug aufgrund einer wirksamen, aber unrichtigen Freistellungsbescheinigung unterblieben ist. Eine Nachforderung der Steuer gegen den Vergütungsgläubiger wäre nach Abs. 5 S. 5 nur in dem Fall möglich, dass die Steuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten worden ist. Wegen des Vorliegens der Freistellungsbescheinigung war das Unterlassen des Steuerabzugs aber formell vorschriftsmäßig, eine Inanspruchnahme des Steuerschuldners müsste also ausgeschlossen sein. Das FG München[2] fasst dieses Tatbestandsmerkmal demgegenüber materiell auf; trotz der formell wirksamen Freistellungsbescheinigung ist der Steuerabzug materiell zu Unrecht unterlassen worden. M. E. ist dem zuzustimmen, da der Vergütungsgläubiger in diesem Fall die Vergütung im Gegensatz zu dem geltenden Recht in voller Höhe erhalten hat und kein rechtfertigender Grund besteht, von der Erhebung der Steuer abzusehen. Anders ist es für die Haftung des Vergütungsschuldners, für den die formelle Wirkung der unrichtigen Freistellungsbescheinigung gilt; hierzu Rz. 174.

 

Rz. 190

Eine Nachforderung gegenüber dem Stpfl. erfolgt durch Steuerbescheid. Zuständig für den Erlass des Nachforderungsbescheids ist aufgrund der VO v. 24.6.2013 für Vergütungen, die nach dem 31.12.2013 zugeflossen sind, das BZSt.[3] Für Vergütungen, die vor dem 1.1.2014 zugeflossen sind, ist für den Erlass des Nachforderungsbescheids weiterhin das für den Vergütungsschuldner zuständige FA zuständig. Das gilt auch, wenn die Nachforderung für diese Vergütungen nach dem 31.12.2013 erfolgt. Da der Steuerabzug regelmäßig die Steuer abgilt, kann keine Kollision mit einem für die Besteuerung des Vergütungsempfängers (Steuerschuldners) zuständigen FA auftreten.[4] Beantragt der Vergütungsgläubiger allerdings eine Veranlagung nach § 50 Abs. 2 S. 5 EStG, ist das Veranlagungsverfahren vorrangig vor dem Nachforderungsverfahren. Auch in diesem Fall wird es in der Praxis nicht zu einer Kollision der Verfahren kommen, da nach der Rechtsverordnung v. 24.6.2013 für beide Verfahren das BZSt zuständig ist. Eine Kollision kann jedoch eintreten, wenn der beschr. Stpfl. nach einer anderen Vorschrift der Veranlagung unterliegt, für die das FA zuständig ist, und in diese Veranlagung die Vergütungen nach § 50a Abs. 1 EStG einzubeziehen sind. In diesem Fall ist das Veranlagungsverfahren durch das FA vorrangig (näher hierzu § 50 EStG Rz. 164).

 

Rz. 191

In dem Nachforderungsverfahren sind Reduzierungen der Steuer des beschr. Stpfl. aus einem DBA zu berücksichtigen.[5] § 50c Abs. 3 EStG, wonach der beschr. Stpfl. auf ein Erstattungsverfahren verwiesen ist, gilt nur für das Verfahren des Steuerabzugs, nicht für das Nachforderungsverfahren. Im Nachforderungsverfahren ist daher die Berechtigung der Steuerforderung sowohl nach Grund als auch nach Höhe in vollem Umfang nachzuprüfen.

 

Rz. 192

Organisiert ein beschr. stpfl. Künstler usw. eine Veranstaltung im Inland selbst, ist kein Abzugsverpflichteter verfügbar.[6] Die Steuer ist daher durch Nachforderungsbescheid von dem veranstaltenden Künstler zu erheben.

[1] BStBl I 2009, 74.
[2] FG München v. 13.10.1994, 1 V 1825/94, EFG 1995, 626.
[3] BStBl I 2014, 23.
[4] BFH v. 18.5.1994, I R 21/93, BStBl II 1994, 697; FG München v. 13.10.1994, 1 V 1825/94, EFG 1995, 626.
[6] Dies wären die Käufer der Eintrittskarten; BMF v. 25.11.2010, IV C 3 – S 2303/09/10002, BStBl I 2010, 1350, Rz. 42.

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