Rz. 447

Steuerlich dürfen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nach § 5 Abs. 4a EStG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1996 enden, nicht gebildet werden. Diese Vorschrift wurde durch G. v. 29.10.1997 eingeführt.[1]

 

Rz. 448

Die steuerliche Nichtberücksichtigung der Drohverlustrückstellung bedeutet eine Abweichung von der Handelsbilanz und damit eine Durchbrechung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit. Systematisch liegt hierin eine Abkehr vom Imparitätsprinzip (Rz. 158) und eine stärkere Betonung des Realisationsprinzips. Verluste dürfen mit steuerlicher Wirkung nicht mehr antizipiert werden, sondern sind nur auszuweisen, wenn sie durch einen Umsatzakt realisiert werden.

 

Rz. 448a

Das steuerliche Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen wirkt sich nicht auf eine Teilwertabschreibung aus; diese hat Vorrang vor der Drohverlustrückstellung.[2] Da die Teilwertabschreibung weiterhin möglich ist, darf bei Anschaffungsgeschäften (Anlagegüter und Umlaufvermögen), aus denen ein Verlust droht, dieser Verlust zwar nicht mehr durch eine Drohverlustrückstellung antizipiert werden, er darf aber nach Erfüllung des schwebenden Geschäfts (Lieferung) durch eine Teilwertabschreibung als realisierter Vermögensverlust ausgewiesen werden. Bei teilfertigen Wirtschaftsgütern (Bauten, Anlagen im Bau) ist die Teilwertabschreibung, bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen, nicht nur in Höhe des dem Stand der Fertigstellung entsprechenden Teils des drohenden Verlusts möglich, sondern hinsichtlich des gesamten Verlusts.[3]

 

Rz. 448b

Für Finanzinstrumente von Kreditunternehmen, die nicht zu einer Bewertungseinheit gehören, gilt der Ausschluss der Bilanzierung drohender Verluste nicht, da § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG insoweit eine spezielle Regelung enthält, die zur Bilanzierung mit dem Zeitwert, und damit zum sofortigen Ausweis drohender Verluste führt.[4] Zu Drohverlustrückstellungen bei Bewertungseinheiten vgl. Rz. 452b.

 

Rz. 448c

§ 5 Abs. 4a EStG regelt nur die steuerliche Nichtberücksichtigung der Drohverlustrückstellung, bestimmt aber nicht, dass die der Drohverlustrückstellung zugrunde liegenden Risiken steuerlich nicht zu berücksichtigen sind, wenn sich diese Risiken realisieren. Eine Realisierung dieser Risiken, die steuerlich zu berücksichtigen ist, tritt zumindest zu dem Zeitpunkt auch ein, wenn das Unternehmen veräußert wird und der Erwerber diese Risiken übernimmt; die Realisierung liegt dann in der entsprechenden Verminderung des Veräußerungspreises. Zu angeschafften Rückstellungen bei dem Erwerber vgl. insbesondere die Rz. 448f.

 

Rz. 448d

Im Zuge des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes v. 18.12.2013[5] wurden neue Regelungen zur bilanzsteuerrechtlichen Behandlung der entgeltlichen Übertragung von Verpflichtungen geschaffen. Hintergrund für diese Gesetzesänderung sind die BFH-Urteile v. 16.12.2009[6], v.14.12.2011[7] sowie v. 12.12.2012[8], die das grundlegende Prinzip der Neutralität von Anschaffungsvorgängen bekräftigten. Bei der Übertragung von Verpflichtungen werden, so der BFH, danach die stillen Lasten in diesen Verpflichtungen steuerwirksam realisiert. Beim Übernehmer fänden auf die übernommenen Verpflichtungen die steuerrechtlichen Passivierungsbeschränkungen keine Anwendung (z. B. Passivierungsbeschränkungen für Drohverlustrückstellung (§ 4a Abs. 1 S. 1 EStG).[9] Die Finanzverwaltung reagierte mit einem Nichtanwendungserlass.[10] Sie befürchtete erhebliche Steuerausfälle, weil durch die Rspr. des BFH hohe stille Lasten realisiert werden könnten. Solche stillen Lasten seien u. a. in den Pensionsrückstellungen der deutschen Wirtschaft vorhanden.[11] Der Gesetzgeber schloss sich den Bedenken der Finanzverwaltung an und erließ ein Nichtanwendungsgesetz, durch welches § 4f EStG (zur Regelung der Veräußererseite einer Verpflichtung) und § 5 Abs. 7 EStG (zur Regelung der Erwerberseite einer Verpflichtung) in das EStG aufgenommen wurden.

Für übernommene Verpflichtungen gilt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 28.11.2013 enden, dass diese entsprechend dem Prinzip der Neutralität von Anschaffungskosten zum Anschaffungswert in die Steuerbilanz übernommen werden müssen. Zum auf die Übernahme der Verpflichtung folgenden Stichtag jedoch sind diese Verpflichtungen wieder den steuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen unterzuordnen, denen sie beim Veräußerer unterlagen. Die Finanzverwaltung hat die Grundsätze der Anwendung des § 5 Abs. 7 EStG mittlerweile durch eine neue Verlautbarung konkretisiert.[12]

 

Rz. 448e

Gem. § 5 Abs. 7 S. 1 EStG muss eine Verpflichtung von einem anderen Stpfl. übernommen worden sein. Diese Verpflichtung muss beim entlasteten Stpfl. Beschränkungen oder Verboten hinsichtlich Ansatz und Bewertung unterlegen sein.

Verpflichtung i. d. S. ist eine rechtliche und/oder faktische Verpflichtung, die sowohl Rückstellung als auch Verbindlichkeit sein kann.[13] Ausdrücklich als eine solche Übernahme einer Verpflichtung benannt werden in § 5 Abs. 7 S. 2 EStG der Schuldbeitritt oder die Erfüllungsübe...

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