Rz. 432

Für Rückstellungen gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (Rz. 37ff.). Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen besteht die Bindung nicht an die tatsächlich aufgestellte Handelsbilanz, sondern an diejenige Handelsbilanz, wie sie nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung aufzustellen gewesen wäre.[1]

 

Rz. 432a

Entsprechend dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat der Kaufmann die Risiken seines Betriebs zu jedem Bilanzstichtag zu bewerten und durch Rückstellungen abzudecken. Das bedeutet, dass einerseits Rückstellungen, die im Vorjahr nicht gebildet wurden, jetzt gebildet werden können, wenn die Voraussetzungen noch vorliegen, andererseits in der Vergangenheit zu Unrecht gebildete Rückstellungen aufzulösen sind.[2] Das bedeutet weiterhin, dass es für Rückstellungen kein Nachholverbot gibt; der Kaufmann hat die Risiken zu jedem Bilanzstichtag auf der Grundlage der ihm zu diesem Stichtag bekannten Umstände neu zu bewerten.[3] Zweideutig bleibt insoweit die Entscheidung des BFH v. 13.6.2006[4], wo einerseits die Notwendigkeit der periodengerechten Zuordnung des Rückstellungsaufwands betont wird, andererseits aber auch auf die Möglichkeit der Fehlerberichtigung in der ersten offenen Bilanz hingewiesen wird, was aber nicht entscheidungserheblich war. Soweit der Entscheidung des BFH v. 21.2.1969[5] ein Nachholverbot für Rückstellungen zu entnehmen sein sollte, kann dem nicht gefolgt werden. Richtig ist lediglich, dass der Kaufmann nicht aufgrund rein subjektiver, nicht durch objektive Umstände gestützte Beurteilung die Risiken höher bewerten darf als in der Vergangenheit; das ist jedoch nicht Folge eines "Nachholverbots" für Rückstellungen, sondern Konsequenz des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit.[6]

Ein Nachholverbot würde der dynamischen Bilanzauffassung entsprechen, da durch die Nachholung einer Rückstellung Aufwand, der wirtschaftlich einer früheren Periode zuzurechnen ist, jetzt in die abzuschließende Periode verlagert würde. Konsequenterweise müsste dann dem Nachholverbot aber auch ein entsprechendes Auflösungsverbot entsprechen, wenn die periodengerechte Auflösung unterblieben ist; sonst würde unzulässig Ertrag in die falsche Periode verlagert. Nach der statischen Bilanzauffassung kann es grundsätzlich kein Nachholverbot geben. Der Kaufmann hat die zum jeweiligen Bilanzstichtag bestehenden Verbindlichkeiten, bewertet nach den zum jeweiligen Stichtag herrschenden Verhältnissen, auszuweisen, auch wenn er es (willkürlich) unterlassen hat, diese Verbindlichkeiten bereits früher auszuweisen.[7] Dementsprechend lässt der BFH[8] auch eine Nachholung der Rückstellung zu, soweit eine Passivierungspflicht besteht; unzulässig ist die Nachholung allerdings, soweit es sich um ein Passivierungswahlrecht handelt, da das Wahlrecht nicht nachträglich anders ausgeübt werden darf.

 

Rz. 433

Rückstellungen dürfen nur gebildet werden, soweit die zugrunde liegende Verbindlichkeit eine betriebliche Verbindlichkeit ist. Ist das nicht der Fall, kann also eine Ausgabe nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden, kann die Verpflichtung zu einer solchen Ausgabe auch nicht in einer Rückstellung berücksichtigt werden.[9]

 

Rz. 434

Eine Rückstellung kann nur gebildet werden, wenn der Stpfl. seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Der BFH[10] hat daher entschieden, dass mit Betriebsaufgabe die Rückstellungen aufzulösen seien, da der Gewinn nicht mehr durch Bestandsvergleich ermittelt werde.

 

Rz. 435

Die Rückstellung ist aufzulösen, wenn das Risiko der Inanspruchnahme nicht mehr besteht. Hierbei sind nach der "Wertaufhellungstheorie"[11] bessere Erkenntnisse über das Risiko der Inanspruchnahme, die nach dem Bilanzstichtag, aber vor der Bilanzaufstellung erworben werden, zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind nach dem Bilanzstichtag eintretende neue Tatsachen.

Ist die Forderung, derentwegen die Rückstellung gebildet wurde, im Klageweg geltend gemacht worden, entfällt das Risiko der Inanspruchnahme erst mit rechtskräftiger Abweisung der Klage, und zwar auch dann, wenn der Stpfl. in einer Vorinstanz erfolgreich war. Solange der den Anspruch Erhebende den Prozessweg weiter beschreitet, besteht für den Stpfl. das Risiko des Prozessverlusts. Eine Ausnahme besteht nur, wenn das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist, nicht aber, wenn der Stpfl. den Anspruch für offensichtlich unbegründet hält. Das Risiko ist erst dann nicht mehr vorhanden mit der Folge, dass die Rückstellung aufzulösen ist, wenn am Bilanzstichtag ein obsiegendes rechtskräftiges Urteil vorliegt. Dies gilt auch, wenn die rechtskräftige Abweisung der Klage im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung erfolgt; die rechtskräftige Abweisung der Klage ist ein neues Ereignis, keine neue Erkenntnis.[12] Zu berücksichtigen ist nur ein vor dem Bilanzstichtag ergangenes, aber erst danach bekannt gegebenes Urteil. Ist dagegen das Urteil zum Bilanzstichtag nicht rechtskräftig, etwa weil noch ein Rechts...

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