Rz. 37

Für die steuerliche Gewinnermittlung ist nach § 5 Abs. 1 EStG das Vermögen in der Bilanz anzusetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (und Bilanzierung) ergibt. Damit sind diese Grundsätze, und die nach diesen Grundsätzen aufgestellte Handelsbilanz, für die steuerliche Gewinnermittlung maßgebend (Maßgeblichkeitsgrundsatz). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift besteht die Bindung nicht an die tatsächlich aufgestellte Handelsbilanz, sondern an das Betriebsvermögen, das bei Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung auszuweisen ist.

 

Rz. 37a

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz gilt auch für die GewSt in der Form, dass Wahlrechte bei der Gewinnermittlung für Zwecke der GewSt nicht anders ausgeübt werden dürfen als für Zwecke der ESt. Die damit begründete Bindung der GewSt an die ertragsteuerliche Steuerbilanz bedeutet gleichzeitig auch eine Bindung an die Handelsbilanz.[1]

 

Rz. 37b

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz bildet, trotz der Vielzahl der Durchbrechungen (Rz. 50), die grundlegende Bestimmung für das Verhältnis der Steuerbilanz zur Handelsbilanz. Dieser Grundsatz ermöglicht die "Einheitsbilanz", also eine Bilanz, die handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Zwecken genügt.[2]

 

Rz. 38

Die wesentlichen Vorteile des Maßgeblichkeitsgrundsatzes sind Folgende[3]:

  • Es bedeutet eine erhebliche Arbeitsentlastung für den Stpfl., wenn er für die Besteuerung an die Handelsbilanz anknüpfen kann. Bei Einführung einer eigenständigen Steuerbilanz wäre zu befürchten, dass im Laufe der Zeit ein zweiter Buchführungskreis für steuerliche Zwecke notwendig würde.
  • Die Handelsbilanz bietet einen objektiven Maßstab. Einerseits werden Bilanzgestaltungen verhindert, die ausschließlich der Steuerersparnis dienen; die Kontrollmechanismen des Handelsrechts und die Funktionen der Handelsbilanz, wie z. B. Wirtschaftsprüfertestat, fehlende Ausschüttungsmöglichkeit und fehlende Kreditwürdigkeit infolge zu geringen Gewinnausweises, verhindern dies.[4] Andererseits bietet das Handelsrecht dem Stpfl. einen gewissen Schutz vor übermäßig fiskalischen Bilanzierungsanforderungen.[5]
  • Herangezogen wird auch der "Teilhabegedanke". Wenn der Staat an dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben solle, dürfe er nicht anders gestellt werden als andere "Teilhaber", d. h. die Gesellschafter. Eine mehrfache Definition des "wirtschaftlichen Erfolgs" sei nicht sachgerecht. Der Gewinn definiere bei Kapitalgesellschaften den Teil des Vermögens, der der Kapitalgesellschaft durch Gewinnausschüttung und Zahlung an den Fiskus entzogen werden könne, ohne gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung zu verstoßen; werde ein höherer Betrag besteuert, werde dagegen verstoßen und im Wege der Besteuerung ein Teil der Substanz, nicht des Gewinns, an den Fiskus abgeführt. Die Teilhaberthese stelle auch die Verbindung zum Eigentumsschutz nach Art. 14 GG her.[6] Die Überzeugungskraft der Teilhaberthese als Rechtfertigung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit hat jedoch durch die Entwicklung des Handelsbilanzrechts abgenommen. Insbesondere durch das BilMoG ist das Informationsinteresse des Anteilsinhabers stärker in den Vordergrund gerückt worden, das nicht immer mit dem Prinzip des Ausweises eines realisierten Gewinns übereinstimmt.
 

Rz. 39

Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz war schon seit dem EStG 1949 in § 5 Abs. 1 EStG verankert.[7] Durch Gesetz v. 19.12.1985[8] wurde ein erster Versuch unternommen, die Einheitlichkeit der Ausübung von Wahlrechten in Handels- und Steuerbilanz ("umgekehrte Maßgeblichkeit") durch Anfügung eines Abs. 3 in § 6 EStG gesetzlich zu regeln. Diese Regelung, die die Anwendungsfälle enumerativ aufzählte, erwies sich schon bald als zu eng. Daher wurde durch Gesetz v. 22.12.1989[9] in § 5 Abs. 1 S. 2 EStG eine allgemeine Regelung dieser Frage eingeführt (Rz. 53ff.).

 

Rz. 40

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz war von jeher Gegenstand einer rechtspolitischen Debatte darüber, ob er de lege ferenda beibehalten werden sollte. Diese Debatte ist ab etwa 1994 stark forciert worden.[10] Der Gesetzgeber hat sich jedoch bisher, trotz aller Einschränkungen der Maßgeblichkeit im Einzelfall, zugunsten der Beibehaltung der Maßgeblichkeit entschieden.

 

Rz. 40a

Den in Rz. 38 genannten Vorteilen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes stehen Nachteile gegenüber, die immer wieder dazu geführt haben, dass seine Beseitigung und damit die Einführung einer eigenständigen Steuerbilanz gefordert wurden und in Einzelbereichen die Maßgeblichkeit gesetzlich eingeschränkt wurde:

  • Handelsbilanz und Steuerbilanz verfolgen unterschiedliche Zwecke. Während in der Handelsbilanz der Kaufmann sich aufgrund des Vorsichtsprinzips im Rahmen gewisser Vorschriften "ärmer" machen darf als er ist, würde dies gegen die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoßen. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfordert steuerliche Erfassung der "tatsächlichen" Leistungsfähigkeit, nicht einer durch das Vorsichtsprinzip verminder...

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