Rz. 219

Der Begriff Mitunternehmerschaft wird vom Gesetz selbst – sieht man vom Begriff "Mitunternehmer" ab – nicht verwendet, er hat sich jedoch eingebürgert zur Bezeichnung der Rechtsgebilde, die unter den Regelungsbereich des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG fallen.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nennt als Voraussetzung für seine Anwendung das Vorhandensein einer offenen Handelsgesellschaft, einer KG oder einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist.

Vorausgesetzt wird somit, dass ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss mehrerer Personen besteht (Rz. 220ff.), bei dem die Gesellschafter – und nicht die Gesellschaft – als Unternehmer (Mitunternehmer; Rz. 225) des Betriebs (Gewerbebetriebs Rz. 229) erscheinen. Sind zwar mehrere Gesellschafter vorhanden, kommen aber nur einem der Gesellschafter Unternehmerinitiative und -risiko zu, so liegt eine "Ein-Unternehmer-Gesellschaft" vor, die nicht Mitunternehmerschaft sondern ein Einzelunternehmen des Initiative- und Risikoträgers ist.[1]

 

Rz. 220

Eine Gesellschaft muss somit vorhanden sein, um § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG anwenden zu können. Es muss sich also um den Zusammenschluss mehrerer Personen handeln, die sich zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks unter Schaffung einer eigenen Organisation zusammengetan haben; dies ist das Wesenseigene einer Gesellschaft, ihr gegenüber verfolgt eine bloße Rechtsgemeinschaft keinen gemeinsamen, vom Eigeninteresse der Einzelnen abgehobenen Zweck. Typischerweise handelt es sich bei diesen Gesellschaften um eine GbR (§§ 705ff. BGB), OHG (§§ 105ff. HGB), KG (§§ 161ff. HGB), (atypisch) stille Gesellschaft (§ 230 HGB), Partenreederei,[2] Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung[3] oder Partnerschaftsgesellschaft (§§ 1ff. PartGG). Siehe im Einzelnen Rz. 237ff.

Gesellschafter einer Personengesellschaft können auch ihrerseits wiederum Personengesellschaften oder jedenfalls Personenhandelsgesellschaften, sog. doppelstöckige GmbH & Co. KG, sein.[4] Als juristische Personen kommen auch Körperschaften als Gesellschafter in Betracht. Für sie gelten indes zahlreiche Sonderregelungen des Ertragsteuerrechts (z. B. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG für Wirtschaftsgutübertragungen oder § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG für Personengesellschaften mit ausschließlich juristischen Personen als Gesellschafter). Die GbR ist auch nach den Änderungen durch das MoPeG weiterhin nicht als juristische Person anzusehen, da sie nicht durch Eintragung in ein Register, sondern kraft Zusammenschlusses der Gesellschafter entsteht (§ 705 Abs. 1 BGB).

 

Rz. 221

Ob ein derartiger Zusammenschluss von Gesellschaftern vorliegt, ist stets nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden.[5] Auf die von den Beteiligten gewählte Rechtsform oder deren Bezeichnung kommt es nicht an. Auch sog. verdeckte Gesellschaftsverhältnisse können Mitunternehmerschaft sein.[6] So kommen Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als verdeckter Mitunternehmer einer Familien-GmbH & Co. KG in Betracht.[7] Negativ abzugrenzen sind jedoch sog. faktische Gesellschaften, die auf rein tatsächlichen Beziehungen beruhen und damit mangels eines gleichgerichteten Willens nicht den Typus einer Mitunternehmerschaft verwirklichen.[8]

Zur Abgrenzung zwischen Gesellschaft und partiarischem Rechtsverhältnis (Rz. 249). Entscheidend ist, ob der Wille der Beteiligten darauf gerichtet ist, auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, also in partnerschaftlicher Gleichordnung, ein Unternehmen auf gemeinschaftliche Rechnung zu führen.[9]

 

Rz. 222

Über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehend wendet die Rspr. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG auch auf vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse an.[10] Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs ist auf Ausnahmefälle beschränkt.[11] Ein wirtschaftlich dem Gesellschaftsverhältnis vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis i. S. v. § 741 BGB entsteht ausschließlich durch die Tatsache einer gemeinschaftlichen Rechtszuständigkeit und ist von einem auf ihre Begründung gerichteten rechtsgeschäftlichen Willen der Beteiligten unabhängig.[12]

Infrage kommen hierfür insbesondere Gesamthandsgemeinschaften, die nicht Gesellschaften sind, weil sie etwa eine Voraussetzung des Gesellschaftsbegriffs nicht erfüllen, aber dennoch in einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis zueinander stehen. Zu nennen sind z. B. die – nicht auf Vertrag beruhende – Erbengemeinschaft,[13] die eheliche Gütergemeinschaft,[14] die Wohnungseigentümergemeinschaft,[15] die Gemeinschaft aus Eigentümer und Nießbraucher,[16] sowie Bruchteilsgemeinschaften.[17] Außerdem wird damit die Einbeziehung des Treugeber-Kommanditisten in den Kreis der Mitunternehmer begründet.[18]

 

Rz. 223

Die mit dieser Rspr. erzielten Falllösungen sind zwar zutreffend. An sich bedarf es jedoch m. E. keiner Erweiterung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus. Gesamthandsgemeinschaften, die über einen vorübergehenden Zeitraum hinaus ein werbendes Unternehmen weiterbetreiben, wandel...

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