Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristgerechte Klageerhebung - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Klagefrist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, § 47 Abs. 1 FGO. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 47 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.05.2010; Aktenzeichen VIII B 228/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klage fristgerecht erhoben wurde, bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist gewährt werden kann.

Die Kläger wurden mit Bescheid vom 27.11.2000 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt; die Einkommensteuer 1998 wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 518.784 DM festgesetzt. Mit Änderungsbescheid vom 16.04.2002 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer auf 263.521,37 € (entspricht 515.402 DM) herab.

Aufgrund der Feststellungen einer bei den Klägern durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2001 (Betriebsprüfungsbericht vom 19.12.2003) setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 21.04.2004 die Einkommensteuer 1998 auf 725.702,13 € (entspricht 1.419.350 DM) herauf und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Die gegen diesen Änderungsbescheid von den Klägervertretern im Namen der Kläger erhobenen Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 15.02.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung war an die Klägervertreter adressiert.

Die von den Klägervertretern namens der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 21.04.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.02.2008 erhobene Klage ging am 20.03.2008 per Fax bei Gericht ein. Neben dem "Muss"- Inhalt der Klage nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO enthielt die Klageschrift nur einen Antrag auf Fristverlängerung zur Klagebegründung bis 15.05.2008. Auf Antrag vom 21.04.2008 wurde die Frist bis 22.06.2008 nochmals verlängert.

Erstmals in der Klagebegründung vom 20.06.2008 äußern sich die Klägervertreter zur Klagefrist und tragen vor, ihrer Meinung nach sei die Klage fristgerecht erhoben worden. Sie begründen dies wie folgt:

In der Rechtsbehelfsbelehrung zur Einspruchsentscheidung sei ausgeführt, dass das Datum der Einspruchsentscheidung der Tag der Aufgabe zur Post sei. Da dies der 15.02.2008 gewesen sei, wäre die Klagefrist bereits am 18.3.2008 abgelaufen gewesen und die Klageerhebung erst am 20.03.2008 unzulässig, weil verfristet.

Im Streitfall sei die Einspruchsentscheidung vom 15.02.2008 aufgrund von Störungen im Postbetrieb der BCD GmbH den Klägervertretern wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt (den man allerdings nicht kenne) zugegangen. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass angesichts der drohenden Insolvenz des Unternehmens BC die Motivation und Arbeitserfüllung der Mitarbeiter im Februar 2008 nicht mehr mit einem normalen geregelten Arbeitsablauf vergleichbar gewesen seien und es deshalb zu verspäteten Zustellungen gekommen sei. Ängste und die Ungewissheit über die Zukunft des eigenen Arbeitsplatzes würden sich in Verzögerungen, verspäteten Zustellungen usw. auswirken. Unter Berücksichtigung der internen Störungen bei der B Group aufgrund der Insolvenz sei die Grundlage für die Berechnung des Fristenlaufes in der Rechtsbehelfsbelehrung unter Bezugnahme auf die Regelung in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu kurz bemessen.

Würde man unter Berücksichtigung der internen Störungen bei der B Group nicht auf das Datum der Einspruchsentscheidung (15.02.2008), sondern den Stempel der BC - 18.02.2008 - abstellen und diesen als Tag der Aufgabe zur Post ansehen, wäre eine Klageerhebung am 20.03.2008 nicht verfristet.

Es werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 Abs. 1 AO wegen Störungen des Postbetriebs beantragt. Störungen der Postzustellung, so wie hier durch die Insolvenz der BCD GmbH, seien ein anerkannter Wiedereinsetzungsgrund.

Außerdem legten die Klägervertreter folgende Stellungnahme des Niederlassungsleiters der BCD GmbH von E , Herrn FG vom "10.03.08 zur Postzustellung im Monat Februar 2008" vor:

"Die Aufbringung unseres "B "-Stempels erfolgt nach Eingang der Post bei den einzelnen B -Niederlassungen vom Absender und ist integriert in den internen Ablauf der Vorbereitung für die Zustellung. Nach Abstempelung der Post erfolgt die Sortierung der Post und Vorbereitung für die Zustellung in die unterschiedlichen Regionen. Der B Stempel vom 18.02.08 bedeutet, dass die Post an diesem Datum für die Versendung frei gemacht wurde.

Ein genaues Zustelldatum ist nicht mehr nachvollziehbar, da die regionale Lizenz keine Sendungsverfolgung beinhaltet. Die drohende Insolvenz war bereits im Februar bekannt. Die Organisationsabl...

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