Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Restnutzungsdauer einer Immobilie

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch ein vom Steuerpflichtigen eingeholtes Wertgutachten, in dem die Restnutzungsdauer eines Mietobjekts nach der Immobilienwertverordnung berechnet wird, kann der Ermittlung der AfA zugrunde gelegt werden.

 

Normenkette

EStDV § 11c Abs. 1; ImmoWertV §§ 6, 21 ff.; EStG § 7 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten für das Jahr 2016 (Streitjahr) anlässlich der Absetzung für Abnutzung (AfA) für verschiedene Gebäude über deren Restnutzungsdauer.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Immobilien in F. So ist der Kläger Eigentümer eines vermieteten Vierfamilienwohnhauses in der A-Straße 9. Daneben sind die Kläger jeweils hälftige Miteigentümer mehrerer vermieteter Immobilien, nämlich eines Mehrfamilienwohnhauses (B-Straße 45-47), eines Zweifamilienwohnhauses (C-Straße 27) und eines Sechsfamilienwohnhauses (D-Straße 39).

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger die AfA für die vermieteten Gebäude nicht anhand der typisierten Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern unter Zugrundelegung einer kürzeren Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Die Ermittlung der AfA-Beträge stellt sich wie folgt dar:

Grundlage für die Ermittlung der kürzeren Nutzungsdauer der einzelnen Immobilien waren zu den jeweiligen Grundstücken erstellte Privatgutachten des Herrn Diplom-Sachverständigen (DIA) SV (im Folgenden: sachverständiger Zeuge), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 17 ff. der Akten des Finanzgerichts – FGA –). Der sachverständige Zeuge, der nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert ist, hatte jeweils den Verkehrswert für die einzelnen Immobilien auf der Grundlage der ImmoWertV auf den Stichtag 01.01.2016 ermittelt.

Das vom sachverständigen Zeugen angewandte Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude ist unter Berücksichtigung von Modernisierungen auf der Grundlage von Anlage 4 der SW-RL nicht primär darauf gerichtet, die tatsächliche Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu ermitteln. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 der für das Streitjahr geltenden Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV – vom 19.05.2010 (BGBl I 2010, 639) sind die nach der ImmoWertV heranzuziehenden Wertermittlungsverfahren vielmehr nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu wählen. Die Restnutzungsdauer ermittelte der sachverständige Zeuge gemäß § 6 Abs. 6 ImmoWertV. Dabei bestimmte er anhand der jeweiligen Nutzungsgruppe (Mehrfamilienhäuser) sowie des Gebäudetyps (Mehrfamilienhäuser bis zu sechs Wohneinheiten) die Gesamtnutzungsdauer mithilfe des Gebäudestandards aus der für die gewählte Gebäudeart unter Standard etablierten üblichen Gesamtnutzungsdauer. Als Restnutzungsdauer ist in erster Annäherung die Differenz aus „üblicher Gesamtnutzungsdauer” und „tatsächlichem Lebensalter am Wertermittlungsstichtag” zugrunde gelegt. Die daraus folgende Restnutzungsdauer werde nach Auffassung des sachverständigen Zeugen allerdings dann verlängert (d.h. das Gebäude fiktiv verjüngt), wenn beim Bewertungsobjekt wesentliche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden oder in den Wertermittlungsansätzen unmittelbar erforderliche Arbeiten zur Beseitigung des Unterhaltungsstatus sowie zur Modernisierung in der Wertermittlung als bereits durchgeführt unterstellt worden seien. Zur Bestimmung der Restnutzungsdauer, insbesondere unter Berücksichtigung (zeitnah) durchgeführter wesentlicher Modernisierungsmaßnahmen, sei nach Auffassung des sachverständigen Zeugen das Modell der Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen (AGVGA NRW) zwingend vorgegeben, weil danach die vorläufigen Sachwerte und der Marktanpassungsfaktor ermittelt werden.

Unter Berücksichtigung der für jedes Gebäude durchgeführten wesentlichen Modernisierungen ermittelte der sachverständige Zeuge die modifizierte Restnutzungsdauer anhand der Punktrastermethode nach der „Sachwertrichtlinie” (SW-RL Anlage 4) unter Vergabe sog. Modernisierungspunkte. Die Grundlagen für die Ermittlung der Modernisierungspunkte sind in den Privatgutachten jeweils näher erläutert. Ausgehend von diesen Modernisierungspunkten (bei maximal 20 erreichbaren Modernisierungspunkten) ist dem Gebäude der jeweilige Modernisierungsstandard zugeordnet. Hieraus ermittelte der sachverständige Zeuge die folgenden Restnutzungsdauern:

Mit verfahrensgegenständlichem Einkommensteuerbescheid vom 18.07.2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr fest, wobei er von der Steuererklärung insoweit abwich, als dass er nicht die von den Klägern erklärte kürzere Nutzungsdauer, sondern die Einkünfte aus Vermietung u...

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