Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Steuerbefreiung bzw. Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Schwimmkurse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei sog. Aquafitness-Kursen handelt es sich um solche der Prävention und Selbsthilfe i.S.d. § 20 SGB V, welche grundsätzlich nicht als Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG qualifiziert werden können.

2. Eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG kommt dann nicht in Betracht, wenn es sich bei dem angebotenen Schwimmunterricht um eine vertragliche Hauptleistung handelt und nicht um einen unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbundenen Umsatz.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9, § 4 Nr. 14

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und inwieweit die von der Klägerin (Klin.) in den Streitjahren 2006 bis 2008 erteilten Schwimmkurse dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% unterliegen.

Die Klin. betrieb in der Zeit vom 1.5.2006 bis zum 31.12.2008 eine private Schwimmschule. Hierzu mietete sie zusammen mit ihrem Ehemann S T mit Wirkung ab Anfang Mai 2006 entsprechende Räumlichkeiten mit einem Lehrschwimmbecken und Nebenräume im Gesundheitszentrum F an. Die Klin. selbst ist Physiotherapeutin. Sie bediente sich zur Erbringung der Schwimmkurse auch des Herrn T, der Diplom-Sportlehrer ist. Das Angebot der Schwimmschule umfasste Baby- und Kleinkinderschwimmen, Schwimmunterricht für Kinder und Erwachsene sowie Aquafitness-Kurse.

Auf mündliche Anfrage der Klin. am 18.10.2006 erklärte der Bekl. mit Schreiben vom 3.11.2006, dass sich die Umsatzsteuer für Umsätze, die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbunden sind, gem. § 12 Abs. 2 Nr. UStG auf 7% ermäßige. Voraussetzung hierfür sei, dass der Unternehmer das Schwimmbad selbst, d.h. eigenverantwortlich betreibe. Die Umsätze müssten entweder mit den Einrichtungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, dem Schwimmen dienen, oder unselbständige Nebenleistungen darstellen. Im folgenden Absatz des Schreibens wird festgestellt, dass Umsätze aus der Erteilung des Schwimmunterrichts dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind. Das Schreiben endet mit dem Hinweis, dass es sich nicht um eine verbindliche Auskunft im Sinne der §§ 204ff. AO handele, da ein ordnungsgemäßer Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nicht vorliege. Am 26.1.2007 stellte die Klin,. einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Bekl. bezüglich des Umsatzsteuersatzes, dem die Umsätze der Schwimmschule zu unterwerfen seien. Mit Schreiben vom 26.3.2007 nahm die Klin. den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zurück.

In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen behandelte die Klin. die Aquafitness-Kurse, die von der W-krankenkasse als Leistung zur primären Prävention i.S. des § 20 Abs. 1 SGB V anerkannt waren, als gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die übrigen Kurs- und Unterrichtsleistungen unterwarf die Klin. dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG. Der Bekl. erteilte den Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen für 2006 und 2007 zunächst seine Zustimmung.

Im März 2008 führte der Beklagte (Bekl.) eine Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klin. durch. Der Prüfer war der Auffassung, dass sämtliche Schwimmkurse der Klin. der Umsatzsteuer unterlägen und zum regulären Steuersatz von 16% bzw. 19% zu besteuern seien. Am 19.5.2008 erließ der Bekl. geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 und am 16.5.2008 einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Januar 2008 unter Zugrundelegung der Feststellungen der Betriebsprüfung. Infolgedessen erhöhte sich die Umsatzsteuer für 2006 von bisher festgesetzten ./.7.123,78 EUR auf ./.4.966,60 EUR, die Umsatzsteuer für 2007 von ./.7.599,28 EUR auf ./.1.159,58 EUR.

Hiergegen legte die Klin. Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass die von ihr angebotenen Aquafitness-Kurse von der W-krankenkasse mit Wirkung für sämtliche Krankenkassen zertifiziert seien, so dass die mit diesen Kursen erzielten Entgelte gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien. Die übrigen Schwimmkurse der Klin. unterlägen der Umsatzsteuer zum ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG. Die Einsprüche der Klin. wies der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 28.4.2009 zurück.

Daraufhin hat die Klin. fristgemäß Klage vor dem Finanzgericht Münster erhoben. Die Klin. trägt vor, dass die Umsätze aus dem Betrieb einer Schwimmschule gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterlägen. Sie wendet sich gegen die im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung getroffene Feststellung, dass das Schwimmbad nur für Unterrichts- und Kurszwecke genutzt würde. An den Wochenendtagen sowie zur wochentäglichen Mittagszeit fände „freies Schwimmen” statt, d.h. die Schwimmbadbesucher könnten zu diesen Zeiten das Schwimmbad zum Schwimmen außerhalb des Kursprogramms nutzen; die durch das freie Schwimmen erzielten Umsätze würden allerdings nicht ins Gewicht fallen. Bei dem von ihr verwendeten Schwimmbecken handele es sich um ein sog. Lehrschwimmbecken, welc...

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