Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Klage trotz fehlender Entscheidung über den ursprünglichen Einspruch. erbschaftsteuerliche Aufwendungen eines Vermächtnisnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat das Finanzamt nach der Einspruchseinlegung einen Änderungsbescheid erlassen und mit der Einspruchsentscheidung über den gegen den Änderungsbescheid gerichteten erneuten Einspruch entschieden, ist die Klage trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Entscheidung über den ursprünglichen Einspruch zulässig, wenn das Finanzamt innerhalb der Einspruchsentscheidung die Steuer abweichend festgesetzt und damit eine neue Sachentscheidung getroffen hat.

2. Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tode des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung, eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss.

3. Bezahlt ein Erbe nach dem Tod des Erblassers die noch von diesem veranlassten Reparaturen an dem dem Vermächtnisnehmer vermachten Haus, so liegen keine erstattungspflichtigen Verwendungen vor, weil es an der Freiwilligkeit der Zahlung durch den Erben fehlt. Dies gilt auch dann, wenn die Reparaturarbeiten erst nach dem Erbfall ausgeführt worden sind. Ersetzt der Vermächtnisnehmer dem Erben derartige Aufwendungen, kann er den Aufwendungsersatz nicht erwerbsmindernd als Nachlassverbindlichkeiten abziehen.

 

Normenkette

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 5 Nrn. 1, 3; BGB §§ 1967, 2318 Abs. 1 S. 1; FGO § 44 Abs. 1; AO § 365 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.07.2023; Aktenzeichen II R 4/21)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin als Vermächtnisnehmerin zu Recht Zahlungen als den Wert ihres erbschaftsteuerlichen Erwerbes mindernd geltend machen darf, die sie an die Erbin zum Ausgleich für Schulden geleistet hat, die von noch durch die Erblasserin abgeschlossenen Werkverträgen herrühren.

Am … 2010 verstarb die bis dahin in S wohnhafte P (im Weiteren Erblasserin). Die Erblasserin war die Witwe des am 9. August 2008 vorverstorbenen G. Die Erblasserin hatte durch notarielles Testament vom 23. Februar 2006 zu ihrer Alleinerbin U, die Mutter der Klägerin (im Weiteren Erbin), eingesetzt. Außerdem enthielt das Testament unter anderem zwei Vermächtnisse der Erblasserin. Nach dem Wortlaut des Testamentes sollte M, der Bruder der Klägerin, den Grundbesitz der Erblasserin in S und die Klägerin den Grundbesitz mit der Adressenbezeichnung in S … jeweils als Vermächtnis erhalten. Die letztgenannte Vermächtnisanordnung stand unter der Voraussetzung, dass die Erblasserin den Grundbesitz von ihrem Ehemann erben sollte. Das Testament der Erblasserin enthielt in Bezug auf das für die Klägerin bestimmte Vermächtnis lediglich die Anordnung, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Auflassung des Grundstückes etwa bestehende Immobiliarkredite zu übernehmen und zu tilgen hätte. Für etwaige weitere Schulden im Zusammenhang mit dieser Immobilie hatte die Erblasserin keine Anordnung getroffen.

Die ausdrückliche Adressenbezeichnung im Testament als S, Nr. … war insoweit fehlerhaft, als damit der Grundbesitz in S, Nr. … gemeint war. G war ursprünglich Eigentümer eines Grundstückes mit der Adressenbezeichnung in S, Nr. … gewesen, aus dem er zwei Teilflächen hatte herausmessen lassen, diese in seinem Eigentum behalten und den Rest im Jahre 1973 verkauft hatte. Auf dem Grundstück in S, Nr. … mit 3.057 m² … hatte er das Wohnhaus erstellen lassen, das ihm ausweislich der Grundbucheintragung … gemeinsam mit der Erblasserin jeweils zur Hälfte und nach seinem Tode der Erblasserin allein gehörte. G war außerdem Alleineigentümer des Grundstückes in Nr. … gewesen, auf dem er laut Grundbucheintragung … ein in Wohneigentum aufgeteiltes Gebäude errichtet hatte. Im Nachlass der Erblasserin befand sich hiervon noch die nach dem Tode des G von der Erblasserin geerbte Eigentumswohnung Nr. 1 …, die sinngemäß des notariellen Testamentes vom 23. Februar 2006 der Klägerin als Vermächtnis zugewendet werden sollte. Mit notarieller Urkunde vom 18. April 2011 verkaufte die Erbin im Einvernehmen mit der Klägerin die o.g. Eigentumswohnung Nr. 1 an eine Dritte und erfüllte das Vermächtnis zugunsten der Klägerin mittels Auskehrung des Verkaufserlöses. In den Schlussbestimmungen dieser Urkunde war zwischen der Erbin und der Klägerin zum einen vereinbart, dass die Erbin damit ihre Vermächtnisverpflichtung gegenüber der Klägerin vollständig erfüllt hatte. Zum anderen verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der Erbin für den Fall der Erschöpfung des Nachlasses, sich im wertanteiligen Verhältnis wie ihr ebenso vermächtnisberechtigter Bruder an bestehenden Pflichtteils-, Verfahrens- und sonstigen Nachlassverbindlichkeiten zu beteiligen.

Nachdem die Erbin am 26. November 2012 beim Beklagten eine Erbschaftsteuererklärung eingereicht und das Finanzamt S mit Bescheid vom 19. März 2014 den Grundbe...

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