Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert den vollen Gegenbeweis. Es sind Umstände darzulegen, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 5, §§ 125, 157 Abs. 1, § 364; FGO § 47 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 2, § 55 Abs. 2; VwZG § 3 Abs. 2; ZPO §§ 180, 182 Abs. 1-2, §§ 222, 418; PostG §§ 5, 33

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.03.2023; Aktenzeichen X B 135/21)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen nach einer Betriebsprüfung geänderte Steuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011 und begehrt außerdem Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen.

Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb eines ... Restaurants, das er in der X-Straße ... in Hamburg betreibt. Er ist verheiratet und wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eheleute waren in den Streitjahren wohnhaft unter der Anschrift Y-Straße ... in Hamburg.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 6. September 2013 führte der Beklagte von November 2013 bis August 2014 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch, die sich auf Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, jeweils für die Jahre 2008 bis 2011 erstreckte.

Unter anderem kam der Betriebsprüfer zu der Feststellung, dass - aufgrund erheblicher Mängel der Kassenbuchführung - Hinzuschätzungen von Erlösen vorzunehmen seien. Hinsichtlich der Prüfungsfeststellungen wird im Einzelnen auf den Betriebsprüfungsbericht vom 8. August 2014 sowie den geänderten Prüfungsbericht vom 19. Juli 2017 verwiesen. Die Feststellungen des Betriebsprüfers wurden durch Bescheide vom 28. Juli 2017 für die Streitjahre 2008 bis 2011 umgesetzt. Die geänderten Steuerbescheide wurden an die Bevollmächtigten des Klägers und seiner Ehefrau übersandt, wobei die Einkommensteuerbescheide den Zusatz

"für Herrn und Frau A und B Y-Straße ... Hamburg"

enthielten und die übrigen Steuerbescheide den Zusatz

"für Herrn A Y-Straße, ... Hamburg"

Gegen die geänderten Bescheide wandte sich der Kläger mit seinem am 4. August 2017 beim Beklagten durch seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten eingelegten Einspruch, den er hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags lediglich gegen die Bescheide für 2008 bis 2010 richtete. Mit seinem Einspruch beantragte er zugleich Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen. Diesen Antrag präzisierte er mit Schreiben vom 15. Oktober und vom 13. November 2018 dahingehend, dass er um Übermittlung sämtlicher Formeln und Parameter bat, die den im Rahmen der SRP vorgenommenen Berechnungen zugrunde liegen. Bislang seien die Schätzungsgrundlagen nicht vollständig mitgeteilt worden. Hinsichtlich der Kalkulationsgrundlagen als auch der Ergebnisse der Kalkulation sowie der Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, bat der Kläger um Offenlegung in elektronischer Form.

Mit Schreiben vom 10. April 2019 teilte der Beklagte zum Antrag auf Überlassung der Kalkulationsgrundlagen der Betriebsprüfung in elektronischer Form mit, der Antrag sei obsolet, weil die Besteuerungsgrundlagen bereits ausführlich in Form des Berichts über die Außenprüfung vom 8. August 2014 sowie in der geänderten Fassung vom 19. Juli 2010 mitgeteilt worden seien, in denen sowohl die verwendeten Ausgangszahlen (aus den Buchungskonten und den vorgelegten Speise- und Getränkekarten), als auch der Kalkulationsweg detailliert und nachvollziehbar dargestellt worden seien. Überdies sei am 16. November 2017 Akteneinsicht in alle die Betriebsprüfung betreffenden Steuerakten des Klägers gewährt worden. Der Auskunftsanspruch sei damit hinreichend erfüllt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.

Gegen die Ablehnung des Antrags auf Überlassung der Kalkulationsgrundlagen der Betriebsprüfung in elektronischer Form wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 28. Mai 2019.

Durch Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2019 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Überlassung der Kalkulationsunterlagen in elektronischer Form zurück. Zur Begründung wiederholte er seine Ausführungen aus dem Schreiben vom 10. April 2019 und vertiefte diese wie folgt: Es sei kein berechtigtes Interesse auf Übermittlung der Kalkulation in elektronischer Form erkennbar. Der Vortrag des Klägers, bei einer SRP (summarische Risikoprüfung) seien eine Formalprüfung der Aufzeichnungen sowie das Erstellen eines Betriebsprofils vonnöten, so dass die Überlassung sämtlicher Formeln und Parameter, die den im Rahmen der SRP vorgenommenen Berechnungen zugrunde liegen, zwingend erforderlich sei, gehe schon insofern fehl, als dass er, der Beklagte, die Nachkalkulation nicht in Form einer SRP durchgeführt habe. Vielmehr habe der Betriebsprüfer eine "klassische" Erlös Nachkalkulation in Form einer Kombination von Aufschlag- und Ausbeutekalkul...

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