Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffnungsklausel bei Überbewertung eines Gebäudes auf fremdem Grundstück im Wege verfassungskonformer Auslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die gesetzliche Typisierung der Bedarfsbewertung eines mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstücks muss im Wege verfassungskonformer Auslegung um eine §145 Abs.3 Satz 3, § 146 Abs. 7 BewG entsprechende Öffnungsklausel ergänzt werden, wenn der so ermittelte Wert (18,6-facher Betrag des jährlichen vertraglichen Pachtzinses) den Verkehrswert um mehr als das Doppelte übersteigt. Als Grundbesitzwert ist in diesem Fall der Verkehrswert festzustellen.

 

Normenkette

BewG § 145 Abs. 3 S. 3, § 146 Abs. 7, § 148 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.07.2004; Aktenzeichen II R 22/02)

BFH (Urteil vom 02.07.2004; Aktenzeichen II R 22/02)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht für das mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstück in „Q”, Gemarkung „Q”, Flur „W”, Flurstück „A” auf den 03.05.1998 einen Grundbesitzwert in Höhe von 1.135.000,-- DM festgestellt hat.

Der Kläger ist Rechtsnachfolger der am 03.05.1998 gestorbenen Frau „S”. Zum Nachlass von Frau „S” gehörte das Grundstück in „Q” , „D-Straße” . Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 03.05.1998 für Zwecke der Erbschaftsteuer wurde der Grundbesitzwert für das Grundstück „Q”, Gemarkung „Q” , Flur „W” , Flurstück „A” auf 1.135.000,-- DM festgestellt. Der Grundbesitzwert wurde gemäß § 148 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) auf Grund des jährlichen Pachtzinses in Höhe von 61.068,-- DM und dem Vervielfältiger 18,6 berechnet.

Gegen diesen Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 02.12.1999 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Der Kläger hat am 10.12.1999 Klage erhoben.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger unter anderem vor, dass der Sachverständige Diplom-Ingenieur „E” den Verkehrswert des Grundstücks in seinem Gutachten vom 27.10.1999 mit 261.300,-- DM (1.742 qm x 150,-- DM pro qm) beziffere. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die zur Gerichtsakte eingereichte Ausfertigung des Gutachtens Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass auch bei der Bewertung eines Grundstücks, dass mit einem fremden Gebäude bebaut ist, wie bei der Bewertung von unbebauten Grundstücken in § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG geregelt und bei der Bewertung von bebauten Grundstücken in § 146 Abs. 7 BewG geregelt, die Möglichkeit bestehen müsse, einen geringeren gemeinen Wert nachzuweisen. Zwar sehe § 148 BewG eine entsprechende Öffnungsklausel nicht ausdrücklich vor, eine solche Nachweismöglichkeit müsse dem Steuerpflichtigen jedoch eröffnet werden, wenn sich nur auf diese Weise eine anderenfalls anzunehmende Verfassungswidrigkeit des § 148 BewG vermeiden lasse. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung seien daher die §§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG und § 146 Abs. 7 BewG analog auf § 148 BewG anzuwenden. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften spreche deren Gesetzeszweck eine Überbesteuerung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu vermeiden. Einer analogen Anwendung des § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG stehe nicht entgegen, dass Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) normbedingte Ungleichbehandlungen hier und da zulasse. Gemeint sei der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt, dass nicht jede bei Anwendung typisierender Bewertungsnormen sich ergebende Ungleichbehandlung die Verfassungswidrigkeit der typisierenden Norm nach sich ziehe, wenn vom Gesetzgeber für die Normstruktur etwa hinreichend beachtliche Gründe der Verwaltungsvereinfachung angeführt werden können. Dies sei jedoch bei der Bewertung von Grundstücken, die mit einem fremden Gebäude bebaut seien, nicht der Fall, da den Finanzbehörden vom Gesetzgeber in den Fällen der §§ 145 bis 149 BewG ansonsten durchgängig aufgegeben worden sei, vom Steuerpflichtigen zu eigenen Gunsten vorgelegte Verkehrswertgutachten bei der Feststellung des Bewertungsergebnisses zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 03.05.1998 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 18.06.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.1999 insoweit zu ändern, als der Grundbesitzwert auf 255.000 ( herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, dass der Kläger keine Möglichkeit habe, einen unter dem gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelten Steuerwert liegenden Verkehrswert nachzuweisen. Da der Nachweis gesetzlich nicht vorgesehen sei, könne ein Wertgutachten nicht berücksichtigt werden.

Das Gericht hat durch Beauftragung des Gutachterausschusses der Stadt „Q” zu folgendem Thema Beweis erhoben: Wie hoch war der gemeine Wert (Verkehrswert) des Grundstücks in „Q”, Gemarkung „Q”, Flur „W” , Flurstück „A” („D-Straße”), das mit einem fremden Gebäude bebaut ist, auf den 03.05.1998. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wi...

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