Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung des demokratischen Staatswesens durch Zurverfügungstellen einer Petitionsplattform. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: V R 28/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist nur gegeben, wenn sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt. Die Vereinigung muss sich aber nicht umfassend mit demokratischen Grundprinzipien befassen, vielmehr genügen auch Schwerpunktbildungen in deren Bereich.

2. Zur Förderung des demokratischen Staatswesens gehört insbesondere die Förderung der Ausübung der grundgesetzlich verbürgten Grundrechte, wie im Streitfall der Meinungsfreiheit, sowie die Förderung allgemeiner demokratischer Teilhabe, die sich aus dem Demokratieprinzip ergibt.

3. Im Streitfall beurteilte das FG das Zurverfügungstellen einer Internetplattform, die es den Nutzern ermöglicht, „Petitionen” zu erstellen und elektronisch „zu unterzeichnen”, um verschiedene soziale Anliegen zu fördern, als Förderung des demokratischen Staatswesens. „Petitionen” können nicht nur solche nach Art. 17 GG sein.

 

Normenkette

AO § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; GG Art. 17

 

Tenor

Der Bescheid für 2016 über Körperschaftsteuer sowie der Bescheid für 2017 über Körperschaftsteuer, jeweils vom 24. Februar 2021, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. November 2022 wird dahingehend geändert, dass der Kläger als gemeinnützige Körperschaft anerkannt und von der Körperschaftsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG befreit wird.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gemeinnützigkeit des Klägers in den Jahren 2016 und 2017.

Der Kläger wurde am […] als B… e.V. gegründet. […] Nach § 2 Abs. 1 der Satzung verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung -AO-. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung ist Zweck des Vereins die Förderung des demokratischen Staatswesens; er befasst sich hierbei umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien und würdigt diese objektiv und neutral […] und fördert in parteipolitisch neutraler Weise auf der Grundlage der Normen und Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein […]. Der Satzungszweck wird nach […] der Satzung vor allem verwirklicht durch die Nutzung und Entwicklung der Möglichkeiten des Internets als Medium, die Organisation und Durchführung von politischen Diskussionen, Veranstaltungen und Online-Petitionen, von Kampagnen und als Instrument zur politischen Beteiligung von Bürgern sowie der Mitwirkung an der Entwicklung von politisch gewollten Vorschlägen und Gesetzentwürfen. Nach […] der Satzung ist der Kläger parteipolitisch neutral und verfolgt keine politischen Zwecke im Sinne einer einseitigen Beeinflussung oder Förderung einzelner Parteien. Für die weiteren Einzelheiten der Satzung – die im Streitzeitraum unverändert blieb – nimmt das Gericht Bezug auf die Satzungskopie (Blatt 2 ff. der Vertragsakte des Beklagten).

Der Beklagte stellte am 26. Oktober 2016 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO gem. § 60a Abs. 1 AO fest.

Mit Körperschaftsteuererklärung für 2016 und 2017 vom 05. Februar 2019 begehrte der Kläger die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz -KStG-. Er gab an, keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu unterhalten. Der Erklärung war der [Tätigkeitsbericht 2017] beigefügt, der sich auch auf das Rumpfjahr 2016 bezog. Hiernach erzielte der Kläger u.a. Einzelspenden (… EUR) und Förderbeiträge (… EUR) als Einnahmen. Der Kläger unterstützte nach seinen eigenen Angaben (Seite 7 des Berichts) „mit der leistungsfähigen E…-Internetplattform und [seiner] Kampagnenexpertise […] engagierte Menschen, damit sie sich schnell, einfach und zu jedem Zeitpunkt einmischen und untereinander vernetzen können.” Zudem gab der Kläger an, ein unabhängiger Verein zu sein und eine Lizenzvereinbarung mit dem internationalen Sozialunternehmen B… zu haben (Seite 24 des Berichts).

E… ist eine Internetplattform, die es den Nutzern ermöglicht, „Petitionen” zu erstellen und elektronisch „zu unterzeichnen”, um verschiedene soziale Anliegen zu fördern. Die Internetseite wird seit 2007 durch die „C… PBC” (im Weiteren „PBC”) einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in D… (USA) betrieben. Die Rechtsform PBC steht für eine Public Benefit Corporation nach dem Recht des Bundesstaates Delaware. Es handelt sich um eine Körperschaft, die neben dem Gewinn auch positive Auswirkungen auf die ...

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