Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung des demokratischen Staatswesens. Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen. tatsächliche Geschäftsführung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Körperschaft muss durch ihre Geschäftsführung insbesondere die in der Satzung bestimmten steuerbegünstigten Zwecke tatsächlich verfolgen. § 60a Abs. 6 Satz 1 AO weist diesbezüglich keine eingeschränkte Prüfungstiefe auf; die Anwendung der Norm ist nicht auf Missbrauchsfälle beschränkt.

2. Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist nur gegeben, wenn sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt. Die Vereinigung muss sich aber nicht umfassend mit demokratischen Grundprinzipien befassen, vielmehr genügen auch Schwerpunktbildungen in deren Bereich.

3. Bei der Förderung des demokratischen Staatswesens besteht grundsätzlich kein Raum innerhalb eines begrenzten Sachzwecks sich auch politisch zu betätigen. Vielmehr muss der Verein im Kern das demokratische Staatswesen selbst fördern, ohne konkrete Problemfelder der Tagespolitik durchsetzen zu wollen.

 

Normenkette

AO § 60a Abs. 1, 6, §§ 63, 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 24

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung nach § 60a AbgabenordnungAO – und die Prüfungstiefe des § 60a Abs. 6 AO.

[…] Nach […] der Satzung verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der AO. Nach […] der Satzung ist Zweck des Vereins die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der AO. Der Satzungszweck wird nach […] der Satzung vor allem verwirklicht durch die öffentliche Diskussion rechtlicher, insbesondere verfassungsrechtlicher Fragen und die Veröffentlichung von Erklärungen, mit denen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gestärkt werden. […] Nach […] der Satzung ist der Kläger parteipolitisch neutral und grenzt sich von jedweder extremistischen Strömung ab. […] Der Kläger betreibt die Internetseite […]. Auf dieser werden einzelne Beiträge (Textform) in der Form eines Blogs chronologisch veröffentlicht. Über eine Anmeldung/Registrierung können Leser zu den einzelnen Beiträgen Kommentare abgeben und über diese Funktion auch Diskussionen führen.

Der Kläger begehrte am 22. September 2021 vom Beklagten die hier strittige Feststellung nach § 60a AO. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 02. November 2021 mit, dass er hinsichtlich der satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KörperschaftsteuergesetzKStG – keine Bedenken habe. Er ergänzte aber: „Vorsorglich teile ich Ihnen jedoch mit, dass auf Grund der Darstellung des Vereins im Internet die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins nicht mit den satzungsmäßigen Festlegungen übereinstimmt. Die Erteilung eines Feststellungsbescheides nach § 60a Abs. 1 AO kommt daher nach jetzigem Stand nach § 60a Abs. 6 AO nicht in Betracht.” (Blatt 18 der Gerichtsakte). Der Kläger erklärte daraufhin, […].

Mit Bescheid vom 04. April 2022 lehnte der Beklagte den Antrag schließlich ab. Der Tenor der Entscheidung lautete: „Dem Antrag vom 30.12.2021 auf Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO wird nach § 60a Abs. 6 nicht entsprochen.” Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die tatsächliche Geschäftsführung laut der Internetseite […] sich fast ausschließlich mit einem Thema beschäftige und somit gegen die Festlegung nach […] der Satzung verstoße (Blatt 20 f. der Gerichtsakte).

Im fristgerecht eingeleiteten Einspruchsverfahren trug der Kläger im wesentlich vor, dass die formalen Voraussetzungen eingehalten seien. Die Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung seien in § 63 AO definiert. Anhaltspunkte, dass die tatsächliche Geschäftstätigkeit nicht den Voraussetzungen entspreche, würden vom Beklagten nicht vorgetragen. Eine inhaltliche Prüfung des Außenauftritts des Klägers sei von § 60a Abs. 6 AO nicht vorgesehen. Dies wäre Gegenstand zukünftiger Festsetzungsverfahren. […] sei zumindest eine vorläufige Gewährung vorzunehmen. Die Tätigkeit des Klägers fördere auch das Demokratieverständnis. Dass der Kläger diese Fragen anhand aktueller Ereignisse, der Gesetzgebung und der Exekutivmaßnahmen bearbeite, fördere auch das Staatswesen. Es werde neutral und anhand des objektiven Rechts diskutiert. Maßstab seien keine politischen Ziele oder parteipolitischen Positionen. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht auf politische Willensbildung oder Gestaltung der öffentlichen Meinung gerichtet. […] Es sei unschädlich, wenn eine begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden sei. Parteipolitische Interessen würden gerade nicht vertreten. Es gehe immer um neutrale Auseinandersetzung mit Fragen des Rechts, der Rechtsfindung, der Rechtsetzung und der Rechtumsetzung. Die vorgelegte Be...

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