Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für volljähriges Kind aufgrund seiner Behinderung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG wegen der Unfähigkeit des volljährigen Kindes, sich aufgrund seiner Behingerung selbst zu unterhalten, ist nicht gegeben, wenn die Behinderung nicht ursächlich für die sich ergebenden Schwierigkeiten des Kindes bei der Arbeitsplatzsuche sind, sondern auf die allgemein schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen sind.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1-2, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.12.2011; Aktenzeichen III R 46/08)

BFH (Urteil vom 22.12.2011; Aktenzeichen III R 46/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin (Kl.) begehrt die Gewährung von Kindergeld ab Juni 2005 für ihre am 30. August 1977 geborene Tochter … (Kind).

Mit Bescheid vom 14. Juli 2004 bewilligte die Agentur für Arbeit … dem Kind Übergangsgeld nach den §§ 97 ff SGB III i.V.m. § 33 und den §§ 44 ff. SGB IX für den Zeitraum vom 01. Juli 2004 bis 25. Mai 2005.

Die Beklagte (Bekl.) hob mit Bescheid vom 21. Juli 2004 die Kindergeldfestsetzung für das Kind ab September 2004 nach § 70 Abs. 2 EStG mit der Begründung auf, dass dieses im August 2004 das 27. Lebensjahr vollendet habe.

Die Kl. erhob hiergegen Einspruch und legte in diesem Zusammenhang den Schwerbehindertenausweis ihrer Tochter in Kopie vor, aus dem sich ein Grad der Behinderung von 50 ergibt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. August 2004 wies die Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Das Kind sei nicht auf Dauer außerstande, sich zu unterhalten. Die Tochter könne selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Sie habe 1989 eine Ausbildung begonnen, diese aber abgebrochen. Im Moment nehme sie an einem Lehrgang für eine Ausbildung zur Bürokraft teil. Eine Förderung durch Übergangsgeld wäre sicher nicht erfolgt, wenn davon ausgegangen würde, dass … ihren Lebensunterhalt nicht verdienen kann. Das Kind sei grundsätzlich unter Beachtung der Behinderungen für eine Arbeit vermittelbar und deshalb trotz seiner gegenwärtigen Arbeitslosigkeit nicht auf Dauer gehindert, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Hiergegen hat die Kl. am 16. August 2004 Klage erhoben, mit der sie erneut darauf hinweist, dass ihre Tochter behindert sei. Diese habe deshalb Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Auf ihre vielen Bewerbungen bekomme sie immer Absagen. Als man beim Vorstellungsgespräch erfahren habe, dass … einen Schwerbehindertenausweis habe, sei dieses beendet worden. Wegen ihrer körperlichen Behinderung – ihre linke Seite sei gelähmt – könne die Tochter nicht körperlich arbeiten.

Nachdem die Bekl. mit Bescheid vom 30. Juni 2005 der Kl. für den Zeitraum ab September 2004 bis Mai 2005 der Kl. Kindergeld bewilligt hat, ist der Rechtsstreit insoweit erledigt (vgl. den Beschluss vom 20. Oktober 2006 unter dem Aktenzeichen 1 K 255/06).

Mit Bescheid vom 30. August 2006 hat die Bekl. den Antrag der Kl. vom 22. August 2005 auf Gewährung von Kindergeld für ihre Tochter ab Juni 2005 mit der Begründung abgelehnt, dass das Kind nach Mitteilung der Arbeitsvermittlung sowie der Reha/SB-Stelle der zuständigen Agentur für Arbeit in der Lage sei, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt ursächlich.

Die Kl. beantragt nunmehr

unter Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2006 Kindergeld für ihre Tochter … ab Juni 2005 festzusetzen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch wenn ein behindertes Kind über das 27. Lebensjahr hinaus noch in Ausbildung stehe, lasse sich nicht allein mit Rücksicht hieraus die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ableiten.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 11. Januar 2006 und 16. Januar 2006 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Im Erörterungstermin am 19. Oktober 2006 wurde mit den Vertretern der Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert.

Nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit … (Teil B des Gutachtens mit umfänglicher Untersuchung Arztes für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin …) vom 23. März 2007 ist die Tochter der Kl. vollschichtig leistungsfähig für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung einer Reihe von dort aufgeführten Leistungseinschränkungen. Weiter heißt es dort, Frau … wolle sich wegen ihres kleinen Kindes zur Zeit jedoch nur 3 bis 4 Stunden pro Tag für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung stellen. Ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die vorliegende Kindergeldakte sowie die Niederschrift...

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