BZSt, 25.10.2017, St II 2 - S 2474 - PB/17/00001

Mit Artikel 7 Nrn. 6 Buchstabe c und 7 des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes vom 23.6.2017, BGBl 2017 I S. 1682, wird § 66 EStG mit Wirkung vom 1.1.2018 folgender Absatz 3 angefügt:

„Das Kindergeld wird rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.”

Nach bisher geltendem Recht kann Kindergeld rückwirkend für den Zeitraum der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO von vier Jahren ausgezahlt werden. Mit der langen Rückwirkung ist auch eine Missbrauchsgefahr verbunden.

Aufgrund der gesetzlichen Änderung können Anträge, die nach dem 31.12.2017 eingehen, rückwirkend nur noch zu einer Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrags bei der zuständigen Familienkasse führen.

 

1. Bedeutung für das Festsetzungsverfahren

§ 66 Abs. 3 EStG betrifft nicht das Festsetzungsverfahren.

Die Festsetzung von Kindergeld für Zeiträume, die über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG zurückreichen, soll nur erfolgen, wenn die Familienkasse das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld ohne weitere Sachverhaltsaufklärung feststellen kann bzw. bei erkennbarem Interesse des Berechtigten. In allen anderen Fällen erfolgt keine weitere Prüfung durch die Familienkasse und auch keine Festsetzung für einen Zeitraum, der vor dem Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG endet.

Beispiele für das Vorliegen eines erkennbaren Interesses:

  1. Der Familienkasse ist bekannt, dass der vorrangig Berechtigte oder der nachrangig Berechtigte dem öffentlichen Dienst angehört (vgl. § 72 Abs. 1 und 2 EStG).
  2. Der Berechtigte hat auch Anspruch auf Kindergeld für ein jüngeres Kind (siehe Abschnitt 2.4).

Im Bescheid ist der Berechtigte darauf hinzuweisen, wenn eine Festsetzung von Kindergeld über den Sechs-Monats-Zeitraum hinaus aus Sicht der Familienkasse nicht erforderlich ist (der Antrag ist für diesen Zeitraum noch offen). Wenn der Berechtigte im Nachhinein ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung vorbringt, hat die Familienkasse über den noch offenen Antrag zu entscheiden.

 

2. Bedeutung für das Erhebungsverfahren

 

2.1 Allgemeines

§ 66 Abs. 3 EStG ist nur im Erhebungsverfahren anzuwenden. Wird für einen vergangenen Zeitraum Kindergeld festgesetzt und reicht dieser Zeitraum über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG zurück, ist das Kindergeld nur für die letzten sechs Kalendermonate auszuzahlen, die vor dem Eingang des Antrags bei der Familienkasse liegen. In diesen Fällen ist in den Festsetzungsbescheid ein Hinweis auf die Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs. 3 EStG aufzunehmen.

Beispiel 1:

Ein Berechtigter reicht im März 2018 bei der Familienkasse einen Antrag auf Kindergeld für sein 21-jähriges Kind ein. Laut eingereichten Unterlagen befindet sich das Kind bereits seit Oktober 2016 in der Ausbildung für einen Beruf. Das Kind hat noch keine Erstausbildung abgeschlossen. Für das Kind besteht ab Oktober 2016 ein Anspruch auf Kindergeld. Da die Familienkasse den Anspruch auf Kindergeld ohne weitere Sachverhaltsaufklärung feststellen kann, setzt sie ab Oktober 2016 Kindergeld fest. Wegen der Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs. 3 EStG wird das Kindergeld jedoch erst ab September 2017 ausgezahlt.

Beispiel 2:

Ein Berechtigter reicht im März 2018 bei der Familienkasse einen Antrag auf Kindergeld für sein 21-jähriges Kind ein. Laut Sachverhaltsdarstellung des Berechtigten befand sich das Kind von September 2016 bis August 2017 in der Ausbildung für einen Beruf. Diese Ausbildung brach das Kind ab und begann im September 2017 eine andere Ausbildung für einen Beruf. Das Kind hat noch keine Erstausbildung abgeschlossen.

Dem Antrag liegen nur Bescheinigungen für die im September 2017 begonnene Ausbildung vor. Der Familienkasse ist nicht bekannt, dass der Berechtigte ein erkennbares Interesse an einer über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG zurückreichenden Festsetzung des Kindergeldes hat.

Deshalb setzt die Familienkasse das Kindergeld erst ab September 2017 fest und zahlt es auch aus. Im Festsetzungsbescheid weist sie darauf hin, dass eine Festsetzung für einen davor liegenden Zeitraum aus ihrer Sicht aufgrund der Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs. 3 EStG nicht erforderlich ist.

Variante zu Beispiel 2:

Aus dem Antrag auf Kindergeld kann die Familienkasse ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung von Kindergeld ab September 2016 erkennen (z.B. weil der Berechtigte dem öffentlichen Dienst angehört und daher kindergeldabhängige Bezügebestandteile in Betracht kommen).

Die Familienkasse fordert bei dem Berechtigten einen Nachweis über die Ausbildung für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 an. Die daraufhin eingereichten Unterlagen ergeben einen Anspruch auf Kindergeld ab September 2016. Die Familienkasse setzt ab September 2016 Kindergeld fest, zahlt es jedoch wegen der Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs. 3 EStG erst ab September 2017 aus.

 

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