Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Vorumsätze in der Seeschifffahrt, Teilvercharterung eines Schiffes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 15 Nr. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung ist in dem Sinne auszulegen, dass er sowohl die Vollvercharterung als auch die Teilvercharterung von auf hoher See eingesetzten Schiffen erfasst. Folglich steht die genannte Vorschrift nationalen Bestimmungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Mehrwertsteuerbefreiung nur bei der Vollvercharterung solcher Schiffe gewähren, entgegen.

2. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu entscheiden, ob der zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens geschlossene Vertrag die Tatbestandsmerkmale eines Chartervertrags im Sinne von Art. 15 Nr. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Fassung erfüllt.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 15 Nr. 5

 

Beteiligte

Navicon

Navicon SA

Administración del Estado

 

Verfahrensgang

Tribunal Superior de Justicia Madrid (Spanien) (Urteil vom 23.01.2006; Abl.EU 2006, Nr. C 131/28)

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Steuerbefreiungen ‐ Art. 15 Nr. 5 ‐ Begriff der Vercharterung von Seeschiffen ‐ Vereinbarkeit eines nationalen Gesetzes, das eine Befreiung nur bei einer Vollvercharterung zulässt“

In der Rechtssache C-97/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Spanien) mit Entscheidung vom 23. Januar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2006, in dem Verfahren

Navicon SA

gegen

Administración del Estado

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch A. Hubert als Bevollmächtigten,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis und M. Papida als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Afonso und L. Escobar Guerrero als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2007

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Nr. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Navicon SA (im Folgenden: Navicon), der Klägerin des Ausgangsverfahrens, und der Administración del Estado wegen deren Weigerung, die Beträge, die aufgrund eines Vertrags über die Teilvercharterung der Schiffe von Navicon gezahlt worden sind, von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Unter der Überschrift „Steuerbefreiungen bei Ausfuhren nach einem Drittland, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen“ bestimmt Art. 15 Nrn. 1, 4, 5 und 13 der Sechsten Richtlinie:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

1. Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden;

4. Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die

a) auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind;

b) als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall Lieferungen von Bordproviant ausgenommen sind,

5. Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen der unter Nummer 4 Buchstaben a) und b) bezeichneten Seeschiffe sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Schiffe eingebauten Gegenstände ‐ einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei ‐ oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

13. Dienstleistungen, einschließlich der Beförderungsleistungen und der dazugehörigen Leistungen ‐ jedoch mit Ausnahme der...

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