Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Anwendungsbereich. Dienstleistung gegen Entgelt. Ausschluss von Fernsehzuschauern angebotenen audiovisuellen Mediendiensten, die durch einen öffentlichen Zuschuss finanziert werden und für die von den Zuschauern kein Entgelt entrichtet wird. Recht auf Vorsteuerabzug. Steuerpflichtiger, der sowohl steuerbare als auch nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Umsätze bewirkt

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 168

 

Beteiligte

Balgarska natsionalna televizia

Balgarska natsionalna televizia

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia pri Tsentralno upravlenie na NAP

 

Verfahrensgang

Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) (Beschluss vom 31.12.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 95/19)

 

Tenor

1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters, die in der Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer besteht und vom Staat durch einen Zuschuss finanziert wird, wobei die Zuschauer für ihre Ausstrahlung keine Gebühren entrichten, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2. Art. 168 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass der öffentlich-rechtliche nationale Fernsehanbieter die Vorsteuer abziehen darf, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendet werden; nicht abziehen darf er die Vorsteuer, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Tätigkeiten verwendet werden. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen steuerbaren und nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Umsätzen festzulegen; dabei haben sie den Zweck und die Systematik dieser Richtlinie zu berücksichtigen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2020, in dem Verfahren

Balgarska natsionalna televizia

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia pri Tsentralno upravlenie na NAP

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Balgarska natsionalna televizia, vertreten durch M. Raykov und I. Dimitrova, advokati,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, ursprünglich vertreten durch C. Georgieva und N. Gossement, dann durch C. Georgieva und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 132 Abs. 1 Buchst. q und Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Balgarska natsionalna televizia (Bulgarisches Nationalfernsehen, im Folgenden: BNT) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis” Sofia bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen [NAP], Bulgarien) (im Folgenden: Direktor) über den Umfang des Rechts von BNT auf Vorsteuerabzug.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.

Rz. 4

Art. 25 Buchst. c dieser Richtlinie bestimmt:

„Eine Dienstleistung kann unter anderem in einem der folgenden Umsätze bestehen:

c) Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.”

Rz. 5

Art. 132 Abs. 1 Buchst. q der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

q) Tätigkeiten öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Ch...

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