Leitsatz

1. Aus der Generalklausel des § 52 Abs. 1 AO und einem Vergleich mit dem in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO genannten Katalogzweck "Schach" ergibt sich, dass auch die Förderung von Turnierbridge für gemeinnützig zu erklären ist.

2. Eine "entsprechende" Förderung i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO verlangt, dass der Zweck die Allgemeinheit in vergleichbarer Weise fördert wie die in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 25 AO genannten Zwecke.

3. Erfüllt der von einer Körperschaft verfolgte Zweck die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO, ist er für gemeinnützig zu erklären; ein Ermessen der Verwaltung besteht nicht.

4. Bei dem Verfahren nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren mit Verwaltungsaktqualität.

5. Kommt ein Landes-Finanzministerium seiner Verpflichtung zur Bestimmung einer Behörde nach § 52 Abs. 2 Satz 3 AO nicht nach, ist das jeweilige Finanzministerium als oberste Finanzbehörde des Landes zuständig.

 

Normenkette

§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3, 4, 7, 13, 21, § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 348 Nr. 3 AO, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG, § 44 Abs. 1, § 101 Satz 1, § 102 FGO, § 2 Abs. 1 Nr. 1 FVG, § 3 LOG NRW

 

Sachverhalt

Mit Schreiben vom 31.3.2009 beantragte der Kläger beim FA, den Bridgesport nach der sog. Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig zu erklären. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 29.11.2010 ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Daneben teilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen) dem Kläger mit Schreiben vom 9.11.2012 mit, dass eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO nicht in Betracht komme. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Der Kläger erhob gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung nach der Öffnungsklausel (Anfechtungs‐)Klage gegen das FA und hinsichtlich des ablehnenden Schreibens des Finanzministeriums (Verpflichtungs‐)Klage gegen das Finanzministerium. Das FG gab den Klagen statt (FG Köln, Urteil vom 17.10.2013, 13 K 3949/09, Haufe-Index 6462283, EFG 2014, 484).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Das FG habe zu Recht entschieden, dass der Kläger einen Anspruch gegen das Finanzministerium auf Anerkennung der Förderung von Turnierbridge als gemeinnützig nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO, § 101 Satz 1 FGO habe, weil Turnierbridge zwar nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 AO falle, die Allgemeinheit aber auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos fördere.

 

Hinweis

1. Turnierbridge ist zwar nicht nach dem Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO gemeinnützig, ist aber nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig zu erklären.

a) Sofern der von der Körperschaft verfolgte Zweck nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 AO fällt, aber die ­Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder ­sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird, kann dieser Zweck nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig erklärt werden.

b) Maßgeblich ist hierfür vor allem der Vergleich von Turnierbridge mit dem in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO genannten Katalogzweck "Schach".

aa) Nach § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO ist die Förderung des Sports als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Dabei gilt Schach als Sport.

Turnierbridge weist erhebliche Ähnlichkeiten zum Schach auf. Turnierbridge ist aufgrund der Spiel­modalitäten weitestgehend von Zufallselementen befreit. Zudem erfordert Turnierbridge, ebenso wie Schach, erhebliche intellektuelle Anstrengungen sowie hohe Merk-, Konzentrations- und Kombinationsfähigkeiten.

Die Aufnahme von Schach in den Gemeinnützigkeitskatalog ist gerade damit begründet worden, dass die intellektuelle und willensmäßige Anspannung beim Schach zu folgerichtigem Denken erziehe, Kombi­nations- und Konzentrationsfähigkeit übe und Entschlusskraft und kritische Selbsteinschätzung fördere. Diese Kriterien treffen ebenso auf Turnierbridge zu.

Zudem ähnelt Turnierbridge insoweit dem Sport, als Turnierbridge ebenso wie verschiedene andere Sportarten in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben betrieben wird. Turnierbridge wird dabei in einer Art und Weise organisiert, die der Förderung des Breitensports durch Sportvereine nahe kommt und ähnlich positive Wirkungen für die Allgemeinheit hat.

bb) § 52 Abs. 2 Satz 2 AO räumt der Finanzbehörde kein Ermessen im eigentlichen Sinne ein. Die Vorschrift bezweckt eine Öffnung für weitere, im Gesetz nicht explizit genannte Zwecke. Erfüllt der von der Körperschaft verfolgte Zweck die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO, ist er daher als gemeinnützig zu erklären.

2. Verfahrensrechtlich ist die Erklärung zur Gemeinnützigkeit nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO mit einer Verpflichtungsklage durchzusetzen. Bei dem Verfahren nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren mit Verwaltungsaktqualität. Die Entscheidung der Behörde über die Gemeinnützigkeit wirkt nicht nur im Innenverhältnis gegenüber dem FA, s...

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