Nachdem in den vorherigen Kapiteln die Grundlagen für die Transformation in eine agile Organisation erläutert wurden, sollen im Folgenden einige Beispiele aufgeführt werden, wie das Controlling konkret einen Beitrag leisten kann:

Organisationsstruktur des Controllings

Das Controlling soll weder zentral noch dezentral in Silos strukturiert werden. Es ist die Kunst, die Spannung zwischen einer zentralen Finanzorganisation, die Vorgaben und Steuerungsmechanismen definiert, und den dezentralen, operativen Einheiten, die auf Basis von Anreizen einen maximalen Leistungsausweis präsentieren wollen, bewusst zu leben. Dies kann bspw. gelingen, wenn das Controlling eine zentrale Matrixorganisation darstellt, die eng am Linienmanagement arbeitet. Das entsprechende Fingerspitzengefühl, in einer Matrixorganisation die Interessen der Geschäftsbereiche einerseits und andererseits die Forderung nach der konsequenten Einhaltung von zentralen Vorgaben abzuwägen, ist jedoch insbesondere bei der Leitung des Controllings gefragt. Der/Die Leiter/in einer zentralen Controllingeinheit muss somit über die notwendigen Kompetenzen im Konfliktmanagement, jedoch auch über eine diplomatische Durchsetzungsfähigkeit verfügen.

Grundstrukturen von Finanzsystemen (ERP)

Der Weg zur Agilität beginnt bei der Grundstruktur eines ERPs. Organisationen und Führungsstrukturen ändern sich im heutigen Umfeld sehr schnell. Die Orientierung der ERP-Grundstruktur an Themenfeldern oder Steuerungseinheiten (z. B. entlang von Geschäftsmodellen) lässt langfristig mehr Agilität in der Organisation zu, als wenn ERP-Strukturen sich an Führungsstrukturen orientieren. Wurde ein ERP entlang dem Grundsatz "Design-to-agile" strukturiert, lassen sich Veränderungen der Verantwortlichkeitsbereiche ohne große Anpassungen im System abbilden. Gerade bei der Einführung von neuen ERP-Systemen, bspw. bei der Einführung von SAP® S/4HANA, bietet sich eine sehr gute Gelegenheit, die Grundstrukturen, ggf. in einem "Greenfield-Ansatz", neu zu definieren. Die Definition der Themenfelder oder Steuerungseinheiten bildet dabei die größte Herausforderung. Sie stellen in sich durchgängige, abgeschlossene Geschäfte dar, die auf einem Geschäftsmodell basieren, deren Wirkmechanismen sich an einem Treibermodell orientieren sowie als Einheit finanziell durchgängig steuerbar sind. Die zukünftige Logik der Steuerung des Unternehmens ist somit im Develoment Team (s. Abb. 2) zusammen mit dem Controlling zu analysieren und die mögliche strategische Entwicklungsrichtung (z. B. Ausbau der Geschäftsfelder) zu berücksichtigen.

Die Segmentierung der Steuerungslogik kann ebenfalls auf der Basis von Treibermodellen vorgenommen werden. Wichtig ist, sich von der im bestehenden ERP abgebildeten, alten Struktur zu lösen und sich am gegenwärtigen resp. zukünftigen Geschäft zu orientieren.

 
Praxis-Beispiel

Agile Steuerungslogik in einem Energieunternehmen

In einem Energieunternehmen lässt sich bspw. die Division Produktion als Führungseinheit in einer ERP-Grundstruktur in folgende Steuerungseinheiten segmentieren:

  • Produktion reguliert/nicht reguliert,
  • nach Technologien (wie bspw. Wasserkraftwerke, thermische Kraftwerke, Windkraftwerke) oder
  • nach Ländern.

Werden in einer solchen ERP-Grundstruktur Führungsstrukturen durch Reorganisationen entlang einer Länderstruktur oder mittels einer Aufspaltung zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien verändert, lassen sich diese Veränderungen im Finanzsystem einfacher und schneller umsetzen. In der BKW wurde die Grundstruktur bei der Einführung von SAP® S/4HANA auf der tiefstmöglichen Ebene festgelegt, so dass Führungsstrukturen durch den Zusammenzug der Segmente flexibel abgebildet werden konnten.

Aufbau eines Self-Service Reportings

Das Controlling kann durch die Initiative zum Aufbau eines breit zugänglichen Management Information Systems (MIS) die Transparenz über Hierarchiestufen fördern. Die Eigenverantwortung für den eigenen Leistungsnachweis wird dadurch gesteigert. Auch fördert es das Verständnis für die relevanten finanziellen Steuerungskennzahlen. Werden die Zugriffsrechte entsprechend offen gewährt, können die Führungskräfte und Mitarbeitenden ein Verständnis über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und ihres Handelns aus anderen Geschäftseinheiten nachvollziehen. Zudem lässt in agilen Organisationstrukturen nur ein breitzugängliches Self-Service MIS zu, Eigenverantwortung für den gegenwärtigen Verantwortungsbereich wirklich direkt wahrzunehmen, da die Anpassung der herkömmlichen, starren Reportings an agil verändernde Organisationen oft aufwendig ist. Auf dem Markt gibt es heute bereits viele Systeme, die den pragmatischen Aufbau eines dynamischen Dashboards erlauben (z. B. MS® Power BI, SAP® Analytics Cloud). Diese Systeme lassen zudem eine einfache Anpassung der Reporting-Sichten zu.

Einführung neuer Technologien

Das Controlling kann als Katalysator für den Aufbau von neuen Technologie-Plattformen wirken. In der oben dargelegten Matrixorganisation hat das...

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