Rz. 66

Für Kapitalgesellschaften gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften zur Bilanzierung (§§ 238 ff. HGB). Es kann daher hinsichtlich der Bilanzierungsverstöße und ihrer Folgen zunächst auf die Ausführungen unter 2.1 verwiesen werden. Im dritten Buch des HGB (§§ 264 ff. HGB) finden sich jedoch auch ergänzende Vorschriften zur Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber zugleich besondere Straf- und Bußgeld-, sowie Ordnungsgeldvorschriften für alle Kapitalgesellschaften geschaffen (§§ 331 bis 335 HGB), die den erst an späterer Stelle zu erörternden rechtsformspezifischen Vorschriften (wie z. B. des AktG, GmbHG und des GenG) vorgehen.

2.2.1 Bilanzierungsverstöße bei der Aufstellung des Abschlusses

 

Rz. 67

Nach § 264 Abs. 1 HGB sind die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich[1] zur Aufstellung eines Jahresabschlusses, eines Anhangs sowie eines Lageberichts in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr verpflichtet. Dabei stellen die §§ 265 ff. HGB die allgemeinen Ansatz-, Bewertungs- und Gliederungsvorschriften modifizierende und ergänzende Anforderungen auf.

[1] Ausnahmen bestehen für kleine Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB.

2.2.1.1 Unrichtige Darstellung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft

 

Rz. 68

Nach § 331 Nr. 1 HGB macht sich strafbar, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse derselben in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluss oder im Lagebericht unrichtig wiedergibt oder verschleiert.[1]

 

Rz. 69

Zum Täterkreis zählt § 331 Nr. 1 HGB die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs und diejenigen des Aufsichtsrats der Kapitalgesellschaft. Tauglicher Täter kann somit nicht jedermann, sondern nur der im Tatbestand ausdrücklich Genannte sein. Andere als diese Personen (wie z. B. die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe) können sich lediglich als Gehilfen oder Anstifter (§§ 26, 27 StGB) strafbar machen. Bei § 331 HGB handelt es sich daher um ein echtes Sonderdelikt.[2]

 

Rz. 70

Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft sind die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, einschließlich der stellvertretenden Vorstandsmitglieder[3], die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien[4], die Geschäftsführer und stellvertretenden Geschäftsführer einer GmbH[5] sowie die Abwickler bzw. Liquidatoren der jeweiligen Kapitalgesellschaft in Liquidation.[6] Ein einzelnes Mitglied des vertretungsberechtigten Organs kann dabei auch dann Täter sein, wenn es entgegen einer im Innenverhältnis bestehenden Aufgabenzuweisung tätig wird. Auch die übrigen Mitglieder des Organs bleiben in diesem Fall Normadressaten. Sie trifft insofern im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren eine Überwachungs- und Verhinderungspflicht.[7] Zum Kreis der potenziellen Täter gehört darüber hinaus auch der faktische Geschäftsführer bzw. das faktische Vorstandsmitglied.[8] Ein faktisches Organ ist ein solches, das entweder nicht oder nicht wirksam bestellt wurde, aber im Einverständnis mit den eingetragenen Organen handelt.

 

Rz. 71

Als Mitglieder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft sind die Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft[9], einer Kommanditgesellschaft auf Aktien[10] oder einer GmbH[11] anzusehen. Bei der GmbH kommen auch die stellvertretenden Aufsichtsratsmitglieder in Betracht, wenn sie in ihrer Stellvertretereigenschaft tätig geworden sind. Bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien hingegen ist die Bestellung von stellvertretenden Aufsichtsratsmitgliedern unzulässig.[12]

 

Rz. 72

Als Tathandlungen nennt § 331 Nr. 1 HGB sowohl die unrichtige Wiedergabe als auch die Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft. Zur Klärung des unbestimmten Rechtsbegriffes "Verhältnisse der Kapitalgesellschaft" kann auf die allgemeinen Vorschriften zur Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften zurückgegriffen werden. Nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. Dies wird im Wesentlichen dadurch erreicht, dass eine den §§ 266 ff. HGB entsprechende Bilanz und eine den §§ 275 ff. HGB folgende Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt wird. Abgesehen von den kleinen Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB ist außerdem ein Lagebericht aufzustellen, der ebenfalls ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln soll (§ 289 Abs. 1 HGB). Jahresabschluss (Bilanz und GuV-Rechnung, § 242 Abs. 3 HGB) und Lagebericht werden demgemäß auch in § 331 Nr. 1 HGB als Bezugspunkte für die unrichtige Darstellung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft genannt. Fraglich erscheint dann allerdings, wie die Angaben im Anhang zu behandeln sind. Nach § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft um einen Anhang zu erweitern. § 331 Nr. 1 HGB unterwirft diesen allerdings nich...

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