Rz. 178a

In den letzten Jahren kann ein vorsichtiger Wandel weg von bzw. ergänzend zu der bislang im Zentrum der Betrachtung stehenden Jahres- sowie Konzernabschlüsse hin zur stärkeren Einbeziehung einer Analyse des Lageberichts und weiterer Berichte, insbesondere der Nachhaltigkeitsberichte festgestellt werden. Die – teilweise auf gesetzlich verpflichteter Basis – bisherige Praxis von Kreditinstituten, Finanzanalysten, Kunden, Lieferanten und weiteren Adressaten kommt an ihre Grenzen, wenn hochdynamische Prozesse, wie die Digitalisierung oder auch die Bekämpfung des Klimawandels ganze Geschäftsmodelle in kurzer Zeit vernichten und andere schaffen kann. So zeigt sich auch in der empirischen Kapitalmarktforschung zunehmend, dass Jahresabschlüsse nicht zwingend eine direkte Wertrelevanz besitzen, sondern in der Analyse eher als Orientierungsrahmen eingesetzt werden, der dann um unterjährig verfügbare makro- und mikroökonomische Informationen und evtl. unter Einsatz von Datenverarbeitungssystemen im Sinne einer prospektiven Abschlussanalyse fortgeschrieben wird. Gleichwohl wurden gerade für den Lagebericht mit den letzten vom europäischen Verordnungs- oder deutschen Gesetzgeber initiierte Gesetzesänderungen die Anforderungen der Berichterstattung stets weiter verschärft und im Umfang erweitert. In diese Richtung wurde dann folgerichtig auch der DRS 20 "Konzernlagebericht" weiterentwickelt und mit der Umsetzung der CSR-Richtlinie (EU/2014/95) ist inzwischen für einige Unternehmen eine Berichterstattung zu sozialen und ökologischen Fragen bis hin zur Korruptionsbekämpfung und des Schutzes der Menschenwürde in der Nichtfinanziellen Erklärung bzw. dem Nichtfinanziellen Bericht nach § 289b HGB verlangt.[1] Auch zeigen Skandale, wie jüngst der der Wirecard AG, dass die Betrachtung der Governance-Strukturen für Investoren aber auch andere Adressaten der Rechnungslegung immer wichtiger wird. Dazu wurde die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet und auch auf den Konzern übertragen[2] sowie der Deutsche Corporate Governance Kodex im Jahr 2020 intensiv überarbeitet.[3] In all diesen Berichten hat die Unternehmensleitung selber, ggf. ergänzt um den Aufsichtsrat über die wirtschaftliche Lage (weit verstanden mit ökonomischen, ökologischen, sozialen und Governance-Aspekten) des Unternehmens mit seinen Chancen und insbesondere den bestehenden Risiken zu berichten, was im Rahmen der Unternehmensanalyse wertvolle Informationen liefert. Initiativen der EU unter dem Schlagwort "Sustainable Finance" führen zudem dazu, dass Investoren und Kreditinstitute zunehmend den Nachhaltigkeitsaspekt, den die EU-Kommission derzeit stark auf die Bekämpfung des Klimawandels ausrichtet, zu beachten haben.

Die Theorie und Praxis steht vor der großen Herausforderung, für eine Analyse dieser primär nichtfinanziellen Informationen ein geeignetes Abbildungs- und Analysemodell zu erarbeiten. Dabei wird analog zur Rechnungslegung großen Wertauf eine gewisse Vergleichbarkeit der Informationen zu legen sein. Unzweifelhaft bietet die Darstellung von finanziellen, ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten der Geschäftstätigkeit für externe Interessenten einen Mehrwert, der jedoch arbeitsaufwändig und inhaltlich komplexe in der Unternehmensanalysen zu berücksichtigen ist. So bietet eine standardisierte quantitative Darstellung deutliche Vorteile für Analysen gegenüber den primär auf qualitativen und weniger standardisierten Informationen aufbauenden Darstellungen von Lage- und anderen Berichten. Dies kann mit der besseren Verarbeitbarkeit und überbetrieblichen Vergleichbarkeit begründet werden. Die Datenbasis für externe Unternehmensanalysen ist wie bereits aufgezeigt sehr heterogen. Das Spektrum reicht von gar keinen öffentlich zugänglichen Angaben von Personengesellschaften unter der Größenordnung des PublG über eine hinterlegte Bilanz mit wenigen Zeilen für Kleinstkapitalgesellschaften bis hin zu Geschäftsberichten von kapitalmarktorientierten Unternehmen, die mittlerweile mehrere hundert Seiten stark sind, teilweise nach Abschluss und Lagebericht getrennt in zwei Büchern in einem Schuber geliefert werden und noch um freiwillige gedruckte oder im Internet verfügbare Berichte ergänzt sind. Entsprechend muss das Instrumentarium der Analyse mit dieser heterogenen Basis umgehen können, wobei als Methoden z. B. die Datenaufbereitung, die Erstellung zusätzlicher Abschlussrechnungen, Kennzahlen und Kennzahlensysteme, betriebswirtschaftliche Vergleiche und mathematisch-statistische Methoden und Modelle eingesetzt werden können. Dabei geht es sowohl um das Heben von latent im umfangreichen Datenmaterial vorhandenen Informationen als auch um die Verdichtung und die Herstellung der Vergleichbarkeit der Informationen in zeitlicher und überbetrieblicher Hinsicht. Letzteres ist von enormer Relevanz, da die einzelnen Kennzahlen gerade auch in nichtfinanziellen Berichten für sich genommen kaum eine Aussage haben (w...

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