Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei wiederaufgebauten kriegszerstörten Gebäuden ist nicht in vollem Umfang neben der erhöhten Absetzung nach § 7 b EStG die normale AfA nach § 7 EStG zulässig.

Wenn ein Steuerpflichtiger für den wiederaufgebauten Teil des Gebäudes die erhöhte Absetzung nach § 7 b EStG in Anspruch nimmt, so kann er daneben für den anderen Gebäudeteil die normale AfA nach § 7 EStG ansetzen.

Zur Bemessung des Abschreibungssatzes auf Gebäude, die am 21. Juni 1948 bereits im Besitz des Steuerpflichtigen waren.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 7b, 9, 21; EStDV § 27/1/a

 

Tatbestand

Der Bf. ist Eigentümer eines teilweise kriegszerstörten und dann wiederaufgebauten Mietwohngrundstücks. Der auf den 21. Juni 1948 fortgeschriebene Einheitswert des Grundstücks beträgt 17.800 DM. Hierin ist der Grund und Boden mit 8.600 DM enthalten, so daß auf das Gebäude 9.200 DM entfallen. Für das Jahr 1956 machte der Bf. als Werbungskosten geltend: Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 92 DM (= 1 v. H. der erwähnten 9.200 DM) und 694 DM (= 1 v. H. von 69.418 DM Wiederaufbaukosten) sowie eine erhöhte AfA von 2.082,54 DM (= 3 v. H. der Wiederaufbaukosten). Das Finanzamt erkannte die erhöhte AfA und die AfA von 92 DM, nicht aber auch die AfA von 694 DM an. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht war auch der Auffassung, daß neben der aus den Wiederaufbaukosten berechneten erhöhten AfA keine normale AfA mehr in Betracht käme, ausgenommen die AfA, die nach dem Einheitswert des alten Gebäudeteils zu bemessen sei. Der Bf. könne den Antrag, ihm eine normale AfA von insgesamt 816 DM zu gewähren, auch nicht damit begründen, daß der Einheitswert zum 1. Januar 1935 von 40.400 RM nach dem Wiederaufbau auf 49.400 DM fortgeschrieben worden sei, so daß nach Abzug des Bodenanteils von 8.600 DM noch ein abschreibungsfähiger Betrag von 40.800 DM verbleibe, der mit Rücksicht auf den 50 Jahre alten Unterbau des Gebäudes mit 2 v. H. jährlich abgeschrieben werden müsse. Der Bf. übersehe dabei, daß in dem Einheitswert von 49.400 DM der Altgebäudeteil nur mit 9.200 DM enthalten sei und daß nur dieser Anteil für die Bemessung der normalen AfA in Betracht komme. Wenn der Bf. einen Abschreibungssatz von 2 v. H. verlange, so entspreche dies, weil der Altgebäudeteil bereits 50 Jahre stehe und schon zur Hälfte abgeschrieben sei, dem zugebilligten Satz von 1 v. H. vom Ausgangswert.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. mit der der Bf. die Verletzung des geltenden Rechts rügt, muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Mit dem Finanzgericht ist davon auszugehen, daß neben der für den Wiederaufbau in Anspruch genommenen erhöhten AfA nicht noch die normale AfA beansprucht werden kann. Die normale AfA kommt nur für den Altgebäudeteil in Betracht und ist gemäß § 27 Ziff. 1 a EStDV 1956/1957 nach dem für den Altgebäudeanteil am 21. Juni 1948 maßgeblichen Einheitswert zu bemessen (Urteile des Bundesfinanzhofs I 200/55 S vom 17. Juli 1956 und IV 607/54 U vom 20. September 1956, BStBl 1956 III S. 316 und 349, Slg. Bd. 63 S. 306 und 394). Den Ausgangsbetrag hat das Finanzgericht danach mit Recht auf 9.200 DM (17.800 DM Einheitswert zum 21. Juni 1948 abzüglich 8.600 DM Bodenanteil) angesetzt.

Der auf den 1. Januar 1935 festgestellte Einheitswert spielt keine Rolle, weil er durch den auf den 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswert ersetzt worden ist. Ebenso spielen die Einheitswerte auf nach dem 21. Juni 1948 liegende Feststellungszeitpunkte keine Rolle, weil die AfA, wenn sie der Bf. auch für die wiederaufgebauten Teile in Anspruch nehmen würde, nicht nach diesen Einheitswerten, sondern nach dem auf den 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswert unter Zurechnung der Wiederaufbaukosten zu bemessen wäre.

Der Bf. meint unter Hinweis auf § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV 1956/1957, die für den Veranlagungszeitraum 1947 gewährte AfA geltend machen zu können. Dabei übersieht er aber, wie das Finanzgericht mit Recht ausführt, daß diese Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn das Gebäude in seinem Bestand erhalten geblieben ist, während hier das Gebäude nach der Währungsumstellung wieder aufgebaut worden ist. Im übrigen ist die Vorschrift keine von den Steuergerichten anzuwendende Rechtsnorm (Urteile des Bundesfinanzhofs I 200/55 S und IV 607/54 U, a. a. O., sowie VI 13/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 133, Slg. Bd. 64 S. 350). Diese Urteile betreffen zwar den § 13 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 4 EStDV 1949, gelten aber auch für den inhaltsgleichen § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV 1956/1957.

Der vom Finanzgericht angewandte Abschreibungssatz von 1 v. H. ist der Normalsatz bei Wohngrundstücken und entspricht einer 100jährigen Nutzungsdauer. Soll ein höherer Satz angesetzt werden, so bedarf es des Nachweises, daß die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes kürzer ist als 100 Jahre. Nach dem Vorbringen des Bf. soll die Lebensdauer seines Hauses aber tatsächlich kürzer sein. Das Finanzgericht ist von einer bereits 50jährigen Abschreibung ausgegangen und hat deshalb den auf den Altgebäudeanteil entfallenden Einheitswert als zur Hälfte abgeschrieben angesehen. Das ist rechtlich unzutreffend. Wenn der am 21. Juni 1948 maßgebende Einheitswert die Grundlage für die AfA bildet, so ist dieser Wert auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes zu verteilen, mit der am 21. Juni 1948 noch zu rechnen war. Die Restnutzungsdauer ist im Einzelfall zu ermitteln und kann nicht etwa in der Weise rechnerisch ermittelt werden, daß von der ursprünglichen Nutzungsdauer von 100 Jahren die seit der Errichtung abgelaufenen Jahre abgerechnet werden. Die Restnutzungsdauer eines Gebäudes am 21. Juni 1948 hängt von vielen Umständen ab, vor allem auch von den Kriegseinwirkungen und den unterlassenen Reparaturen. Ist ein kriegszerstörtes Gebäude unter Benutzung von Altteilen wieder aufgebaut worden, so ist auch dieser Umstand bei der Bemessung der Restnutzungsdauer von wesentlicher Bedeutung, wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 200/55 S, a. a. O., unter II zutreffend ausgeführt ist. Die Restnutzungsdauer kann, wenn nicht eine Einigung zustande kommt, in der Regel nur durch Sachverständige bestimmt werden.

Das angefochtene Urteil war, weil es hinsichtlich der Bemessung der Restnutzungsdauer des Gebäudes am 21. Juni 1948 mit obigen Grundsätzen nicht in Einklang steht, aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache war an das Finanzgericht zur nochmaligen Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410583

BStBl III 1962, 538

BFHE 1963, 746

BFHE 75, 746

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