Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Entspricht die Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Ziff. 2p EStG 1957 (und später), bei Altgebäuden durch eine Rechtsverordnung die Weitergewährung der für 1947 berechneten AfA zu gestatten (siehe dazu § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV), den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG?

Zur Auslegung des § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV.

Die AfA 1947 kann in späteren Jahren allenfalls nur angesetzt werden, wenn das Gebäude nicht nach dem Jahre 1947 wesentliche änderungen erfahren hat.

Sind bei einem kriegsbeschädigten und wieder aufgebauten Gebäude für die Alt- und Neubauteile getrennte AfA nach §§ 7 und 7 b EStG vorgenommen worden, so ist nach dem Ablauf der Periode der AfA nach § 7b EStG die AfA von dem einheitlichen Restwert beider Gebäudeteile unter Zugrundelegung der dann noch zu erwartenden Restnutzungsdauer zu berechnen.

GG Art. 80 Abs. 1; EStG 1957 ff. § 7, 7b, 51 Abs. 1 Ziff. 2p; EStDV 1949/1953 § 13 Ziff. 1; EStDV

 

Normenkette

EStG §§ 7, 7b, 51/1/2/p; EStDV § 13 Ziff. 1, § 27 Ziff. 1; GG Art. 80 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Bfin. erbte im Jahre 1955 von ihrem Vater ein Haus, das im Kriege zum Teil zerstört und von dem Vater, im Jahre 1949 für 44 020 DM wieder aufgebaut worden war. Auf die Wiederaufbaukosten wurde in den Jahren 1949 bis 1960 der § 7b EStG 1949 angewendet. Im Streitjahr 1961 waren die Wiederaufbaukosten mit 23 336 DM noch nicht abgeschrieben. Auf den Altbauteil des Gebäudes waren ab dem Veranlagungszeitraum II/1948 entsprechend den Absetzungen für Abnutzung (AfA) im Jahre 1947 jährlich 2 458 DM (angeblich 1,5 v. H. eines Feuerkassenwerts von 163 900 RM) abgesetzt worden, so daß bei einem Einheitswert zum 21. Juni 1948 von 39.300 DM im Jahre 1961 der Restwert insoweit noch 8 576 DM betrug. Danach ergibt sich für das Jahr 1961 ein Abschreibungsrest von (23 336 DM plus 8576 DM =) 31 912 DM. Die Beteiligten nehmen die Restnutzungsdauer des Gebäudes für das Jahr 1961 übereinstimmend mit 14 Jahren an.

Bei der Veranlagung für 1961 ist nicht mehr streitig, daß die auf den Wiederaufbauteil entfallende AfA (23 336 DM: 14 =) 1 667 DM beträgt. Streitig ist nur die AfA auf den Altbestand. Die Bfin. verlangte insoweit unter Hinweis auf § 13 Ziff. 1 letzter Satz EStDV 1949 (später § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV) und auf den Abschn. 159 Abs. 2 EStR 1961 Weiteranwendung des für das Jahr 1947 angesetzten Betrags der AfA.

Die Vorinstanzen bewilligten für den Altbestand nur eine AfA von (8 576 DM : 14 =) 613 DM. Das Finanzgericht führte aus, § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV sei wie schon der frühere § 13 Ziff. 1 letzter Satz EStDV 1949 keine von den Steuergerichten anzuwendenden Rechtsnorm. Daß das Finanzamt jahrelang den Satz der AfA 1947 weiter angewendet habe, bewirke keine Bindung für das Streitjahr. Das Finanzamt habe nunmehr die Gesamt-AfA des Gebäudes einschließlich des Altteils ohne Rücksicht auf die AfA 1947 zutreffend gemäß § 27 Ziff. 1b EStDV berechnet.

Mit der Rb. wiederholt die Bfin. ihr Vorbringen und beantragt eine AfA von 1 667 DM (wieder aufgebauter Teil) zuzüglich 2 458 DM (nicht zerstörter Gebäudeteil) = 4 125 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat den § 13 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1949, wonach für die AfA bei nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden älteren Gebäuden ab 21. Juni 1948 vom Einheitswert auszugehen ist, für rechtsgültig erklärt. Dagegen hat sie den letzten Satz dieser Vorschrift, der die Weiteranwendung der für den Veranlagungszeitraum 1947 zugelassenen AfA gestattete, nicht als eine die Steuergerichte bindende Rechtsnorm anerkannt. Diese Rechtsprechung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Satz 1 a. a. O. eine Fortführung des nach den früheren staatsrechtlichen Verhältnissen rechtswirksam erlassenen und nach Art 123 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) fortgeltenden § 5 EStDV 1941 war, während dem letzten Satz des § 13 Ziff 1 EStDV 1949 eine entsprechende Grundlage fehlte. Dieser Rechtsprechung des I. Senats im Urteil I 200/55 S vom 17. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 316, Slg. Bd. 63 S. 306) sind die Entscheidungen anderer Senate gefolgt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 607/54 U vom 20. September 1956, BStBl 1956 III S. 349, Slg. Bd. 63 S. 394; VI 13/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 133, Slg. Bd. 64 S. 350, VI 225/61 U vom 31. August 1962, BStBl 1962 III S. 538, Slg. Bd. 75 S. 746). In der letzterwähnten, das Jahr 1956 betreffenden Entscheidung hat der Senat diese Rechtsprechung auf den mit § 13 Ziff. 1 letzter Satz EStDV 1949 inhaltsgleichen späteren § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV ausgedehnt.

Diese Rechtsprechung hat jedoch durch Art. 1 Ziff. 22b des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 - StändG 1957 - (BStBl 1957 I S. 352) ihre Rechtsgrundlage verloren. In § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. p EStG 1957 (und später) ist nämlich die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung Vorschriften des Inhalts zu erlassen, wie sie in dem § 27 EStDV bereits vorlagen; insbesondere kann durch eine Rechtsverordnung "zur Vermeidung von Härten ... zugelassen werden, daß anstelle der Absetzungen für Abnutzung, die nach dem am 21. Juni 1948 maßgebenden Einheitswert zu bemessen sind, der Betrag abgezogen wird, der für das Wirtschaftsgut in dem Veranlagungszeitraum 1947 als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden konnte". Damit hat der § 27 Abs. 1 letzter Satz EStDV eine gesetzliche Grundlage erhalten.

Allerdings ist die derzeitige Regelung rechtlich nicht unbedenklich. Nach Art. 80 Abs. 1 GG müssen Gesetze, die die Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen, im Gesetz selbst Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung festlegen. Die Höhe der AfA bemißt sich aus den beiden Rechnungsgrößen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Nutzungsdauer. Für beide Größen gibt § 51 Abs. 1 Ziff. 2p EStG, wenn er die AfA 1947 für anwendbar erklärt, kein klares Ausmaß. Insbesondere ist nicht festgelegt, für wieviel Jahre der Steuerpflichtige die AfA 1947 noch absetzen kann. Wenn die AfA 1947 "anstelle" der AfA nach dem Einheitswert vom 21. Juni 1948 treten soll, könnte man möglicherweise annehmen, daß die Gesamtsumme für Absetzungen 1947 diesen Einheitswert nicht überschreiten darf. Im Streitfall würde diese Auslegung dazu führen, daß bei einem Restbestand des Altteils von 8 576 DM und einer AfA 1947 von 2 458 DM der Restwert für diesen Gebäudeteil schon in etwa 3 1/2 Jahren abgeschrieben wäre. Die Ermächtigung in der Ziff 2p a. a. O. kann man vielleicht aber auch so deuten, daß die AfA 1947 laufen soll, solange Abschreibungen nach dem Einheitswert zulässig sind, d. h. über die volle Restnutzungsdauer des Gebäudes. Diese Auslegung wäre aber unvereinbar mit dem Wesen der AfA, die nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten - notfalls bemessen nach einem Hilfswert - auf die Nutzungsdauer verteilen, nicht aber steuerliche Sondervergünstigungen gewähren wollen, zumal kein verständiger Grund ersichtlich ist, warum diese Sondervergünstigung je nach der zufälligen Höhe der AfA 1947 bei einer Gruppe von Grundeigentümern früher, bei anderen Gruppen später oder überhaupt nicht wirksam werden soll. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Finanzämter der AfA des Jahres 1947 bei der schon in die DM-Zeit fallenden Veranlagung für 1947 wegen der auslaufenden RM-Zeit durchweg keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben.

Der Senat braucht im Streitfall jedoch zu der Zweifelsfrage, ob § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. p EStG 1957 (und später) dem Grundsatz der Spezialität der Ermächtigung, wie er in Art. 80 Abs. 1 GG festgelegt ist, entspricht und ob § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV deshalb eine verfassungsrechtlich einwandfreie gesetzliche Grundlage hat, nicht abschließend Stellung zu nehmen Denn auch wenn man annimmt, daß § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV nunmehr die Steuergerichte bindendes Recht setzt, so ist doch die Anwendung der AfA 1947 nicht zwingend angeordnet. Vielmehr "können" die in DM umgerechneten Beträge abgesetzt werden, "soweit diese der normalen Abnutzung entsprechen". Da die AfA ohnehin, besonders hinsichtlich der Nutzungsdauer, in beträchtlichen Umfang auf Schätzung beruht, gewährt der erwähnte Zusatz für die Anwendung der AfA 1947 einen gewissen Spielraum, der aber überschritten wird, wenn, wie bemerkt, die beantragte AfA binnen drei bis vier Jahren zu einer Vollabschreibung führt, die Nutzungsdauer des Gebäudes aber noch 14 Jahre beträgt. Wenn das Finanzamt unter diesen Umständen die Bemessung der AfA des Streitjahres 1961 nach der AfA des Jahres 1947 ablehnte, so hat es die Vorschrift des § 27 Ziff. 1 letzter Satz EStDV sinngerecht ausgelegt.

Im Streitfall tritt als wesentlicher Gesichtspunkt hinzu, daß ein Wirtschaftsgut für die AfA grundsätzlich eine Einheit bildet, die nicht in einzelne Teile zerlegt werden darf. Wird ein kriegsbeschädigtes Gebäude unter Verwendung der noch vorhandenen Teile wieder aufgebaut, so liegt darin eine "Herstellung" des Gebäudes, wie es nach dem Aufbau vorhanden ist. Da die untrennbar miteinander verbundenen Alt- und Neuteile eine wirtschaftliche Einheit bilden, kann auch die AfA nur einheitlich bemessen werden; eine getrennte AfA auf die Alt- und Neuteile ist nicht statthaft (vgl. z. B. die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 200/55 S unter II a. a. O.; ferner die Entscheidung des Senats VI 270/61 S vom 14. Dezember 1962, BStBl 1963 III S. 89, Slg. Bd. 76 S. 247). Dieser Grundsatz galt nicht, solange nach § 7b EStG die Wiederaufbaukosten erhöht abgeschrieben werden konnten. Später kommt aber der Grundsatz der einheitlichen AfA wieder voll zum Zuge. Gemäß allen Fassungen des § 7b EStG bemessen sich nach Ablauf der begünstigten Jahre die weiteren Absetzungen "nach dem dann noch vorhandenen Restwert und der Nutzungsdauer des Gebäudes". Daraus ergibt sich, daß eine AfA nach den Massen des Jahres 1947 schon deshalb ausscheiden muß, weil der Gegenstand der AfA der Jahre 1947 und 1961 infolge des Wiederaufbaues verschieden ist. Eine Weiteranwendung der AfA 1947 könnte, auch wenn man die Vorschrift für rechtsgültig hält, nur in Frage kommen, wenn das Wirtschaftsgut identisch ist.

Nach alledem ist die Bfin. nicht beschwert, wenn die Vorinstanzen die Gesamt-AfA mit (31 912 DM : 14 =) 2 280 DM berechnet haben. Hierin liegt sogar insofern ein Irrtum zugunsten der Bfin., als übersehen ist, daß § 27 Ziff. 1 EStDV im Rahmen des § 7 EStG verstanden werden muß, d. h. weil der Bodenwert an der AfA nicht teilnimmt, muß er aus dem Einheitswert 1948 ausgeschieden werden (Entscheidung des Senats VI 241/59 vom 16. September 1960, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 30). Da sich dadurch jedoch nur eine verhältnismäßig geringe Erhöhung der Einkommensteuer ergäbe, sieht der Senat von einer Verböserung ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411811

BStBl III 1966, 11

BFHE 1966, 30

BFHE 84, 30

BB 1966, 66

DB 1966, 17

DStR 1966, 121

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