Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abfindung weichender Erben

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Abfindung weichender Erben i. S. von § 14 a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG 1981 kann auch vorliegen, wenn sich der sachliche Zusammenhang der Zuwendung mit der Hoferbfolge oder Hofübernahme aus den Gesamtumständen des Einzelfalls ergibt.

2. Eine Betriebsverpachtung vor Eintritt der Hoferbfolge oder Hofübernahme steht der Steuervergünstigung nicht entgegen, solange der Betriebsinhaber nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat.

 

Normenkette

EStG 1981 § 14a Abs. 4

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren 1981 und 1982 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und betreibt als Nebenerwerbslandwirt einen etwa 7 ha großen, nicht in die Höferolle eingetragenen landwirtschaftlichen Betrieb in B. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde in den Streitjahren nach Durchschnittssätzen ermittelt.

Die Betriebsgebäude befinden sich auf einem Grundstück am Ufer der A. Bereits der Vater des Klägers hatte im Jahre 1975 beim Bauordnungsamt nachgefragt, ob er am Fuß des A-Deichs ein weiteres Wohnhaus errichten könne. Als dies abgelehnt wurde, ließ der Kläger das auf dem Flurstück ... der Flur ... stehende Wohn- und Wirtschaftsgebäude umbauen und modernisieren. Dabei wurde eine zweite Wohnung geschaffen, die der Kläger durch notariellen Vertrag vom 5. März 1980 seinem 1955 geborenen und in einem handwerklichen Beruf ausgebildeten Sohn mitsamt 1/3 des Flurstücks ... schenkte.

Mit notariellem Vertrag vom 29. Juni 1982 schenkte der Kläger seiner Tochter C im Wege vorweggenommener Erbfolge das 1 649 qm große Flurstück ... der Flur ... , auf das sich die Bauvoranfrage im Jahr 1975 bezogen hatte. Eine erneute Bauvoranfrage hatte nach Zustimmung durch das Wasserwirtschaftsamt vom 6. August 1982 Erfolg. In § 3 des notariellen Vertrags wurde bestimmt, daß der Wert des Grundstücks als Deichfläche und Deichvorland von damals 2,50 DM pro qm auf den Erbteil der Tochter anzurechnen sei. Die Tochter errichtete im Jahr 1983 auf diesem Grundstück ein Wohnhaus.

Bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) einen Entnahmegewinn von 63 492 DM für das Wirtschaftsjahr 1981/1982. Dagegen erhoben die Kläger Einspruch und machten geltend, der Entnahmewert sei überhöht und der Freibetrag zur Abfindung weichender Erben sei zu Unrecht versagt worden. Während des Einspruchsverfahrens schlossen die Kläger am 5. September 1989 mit ihrem Sohn einen notariellen Erbvertrag, in dem der Sohn als Alleinerbe im Hinblick darauf eingesetzt wurde, daß zwischen dem Kläger und seinem Sohn "seit langer Zeit Übereinstimmung darüber besteht, daß dieser die Landwirtschaft ... fortführt".

Durch Einspruchsentscheidung vom 6. März 1990 wurde der Entnahmegewinn auf 57 118 DM herabgesetzt, der Einspruch aber im übrigen zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 38 veröffentlichten Begründung statt, ein Entnahmegewinn sei nicht anzusetzen, weil der Freibetrag nach § 14 a Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anwendung finde.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Nach Auffassung des FA reicht eine bloße Absichtserklärung zum Nachweis der Abfindungslage selbst dann nicht aus, wenn man mit der neueren Rechtsprechung des Senats auf das Erfordernis des Urkundsnachweises verzichte. Im Streitfall aber sei die Abfindungsabsicht im Zeitpunkt der Schenkung nicht hinreichend belegt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu Recht hat das FG den Klägern den Freibetrag zur Abfindung weichender Erben nach § 14 a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung gewährt.

1. Veräußert oder entnimmt ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 1979 und vor dem 1. Januar 1986 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei der Veräußerung oder der Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 60 000 DM übersteigt. Dies gilt nach § 14 a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG allerdings nur, wenn der Steuerpflichtige den entnommenen Grund und Boden innerhalb von 12 Monaten nach der Entnahme im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder zur Abfindung weichender Erben diesen übereignet und ferner die unter § 14 a Abs. 4 Nr. 2 EStG näher bezeichneten Einkommensgrenzen für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht überschritten werden.

Wie der Senat wiederholt entschieden hat, sieht die Vorschrift lediglich vor, daß die Veräußerung oder Entnahme in einem sachlichen Zusammenhang mit der Hoferbfolge oder Hofübergabe erfolgen müsse, eine zeitliche Begrenzung aber nicht bestehe (Urteil vom 21. März 1985 IV R 249/83, BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614; sowie die zu § 14 a Abs. 4 EStG ab 1986 ergangenen Urteile vom 3. März 1988 IV R 62/87, BFHE 153, 111, BStBl II 1988, 608, und vom 4. März 1993 IV R 110/92, BFHE 171, 381, BStBl II 1993, 788). Demzufolge macht das Gesetz die Begünstigung davon abhängig, daß es sich um die Abfindung eines weichenden Erben handelt. Weichender Erbe ist, wer gesetzlicher Erbe des Eigentümers eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ist oder bei gesetzlicher Erbfolge wäre, aber nicht zur Übernahme des Betriebs berufen ist. Diese in § 14 a Abs. 4 Satz 4 EStG 1986 aufgenommene Begriffsbestimmung des weichenden Erben hat der Senat auch für die Fälle einer Veräußerung oder Entnahme vor dem 1. Januar 1986 herangezogen (Urteil in BFHE 153, 111, BStBl II 1988, 608).

2. Im Streitfall gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, daß die Einkommensgrenzen des § 14 a Abs. 4 Nr. 2 EStG nicht überschritten sind und daß die Tochter der Kläger grundsätzlich als weichende Erbin in Betracht kommt. Im Ergebnis zu Recht hat das FG auch den sachlichen Zusammenhang der Grundstücksschenkung mit der Hofübergabe oder -erbfolge bejaht.

a) Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 171, 381, BStBl II 1993, 788 ausgeführt hat, läßt sich im Falle einer vorgezogenen Abfindung zwar feststellen, ob der Empfänger der Zuwendung gesetzlicher Erbe des Hofeigentümers ist, nicht aber, daß er nicht zur Übernahme des Hofes berufen ist. Dies steht erst im Zeitpunkt der Erbfolge oder Übernahme fest, denn entgegen ursprünglicher Planung kann der Betrieb doch noch von dem Bedachten übernommen oder vom Hofeigentümer veräußert oder aufgegeben werden. Der Senat hat daher entschieden, daß der Freibetrag auch dann zu gewähren ist, wenn der künftige Hoferbe oder Übernehmer noch nicht feststeht, die Beteiligten aber davon ausgehen, daß der zu den gesetzlichen Erben gehörende Zuwendungsempfänger den Betrieb nicht übernehmen wird und sich die Zuwendung auf seine Abfindungsansprüche aus der Hoferbfolge oder Hofübertragung anrechnen lassen muß; dabei kann noch offen sein, wer den Betrieb übernehmen soll.

b) Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise aus einer Reihe von Indizien gefolgert, daß der Kläger und seine beiden Kinder im Zeitpunkt der Zuwendung des Grundstücks davon ausgegangen sind, daß die zu den gesetzlichen Erben gehörende Tochter den Betrieb nicht übernehmen werde. Als vorgesehener Betriebsnachfolger hatte der Sohn eine in dem landwirtschaftlichen Wohn- und Betriebsgebäude neu geschaffene Eigentumswohnung bezogen. Wie der Kläger bereits im Jahre 1976 gegenüber der Baubehörde geäußert hat, sollte damit erreicht werden, daß der Sohn als späterer Erbe als Arbeitskraft an den Betrieb gebunden werde. Schließlich haben die Beteiligten in dem notariellen Schenkungsvertrag vom 29. Juni 1982 vereinbart, daß der Wert des Grundstücks auf den Erbteil der Tochter anzurechnen sei. Das FG konnte daraus schließen, daß die Beteiligten eine Anrechnung der Zuwendung auf die Abfindungsansprüche aus einer späteren Hofübertragung oder Erbfolge in den Hof beabsichtigt hatten. Daß neben dem Hof auch noch Privatvermögen in nennenswertem Umfang vorhanden sein könnte, das in die Abfindung einzubeziehen wäre (vgl. dazu Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 14 a EStG Anm. 163), hat das FA nicht vorgetragen. Die irrige Annahme der Beteiligten, die Hofesnachfolge unterliege den Bestimmungen des Bremischen Höfegesetzes, wonach der Sohn als Hoferbe in Betracht kommt, und den späteren Abschluß eines Erbvertrags konnte das FG durchaus als Bestätigung der im Zeitpunkt der Zuwendung des Grundstücks vorhandenen Absicht würdigen, die Tochter als weichende Erbin abzufinden. Diese auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gestützte Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 FGO) läßt keine Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze erkennen; an die ihr zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

c) Die Revision hat hiergegen eingewandt, das FG habe nicht beachtet, daß der Sohn des Klägers eine handwerkliche Ausbildung absolviert habe. Dem FA ist zwar zuzugeben, daß eine spezifisch landwirtschaftliche Ausbildung des als Hofübernehmer vorgesehenen Erben ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Abfindungslage sein kann. Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, daß es sich bei der Landwirtschaft des Klägers um einen Nebenerwerbsbetrieb handelt. Der Nebenerwerbslandwirt aber ist geradezu darauf angewiesen, zur Sicherung seines Lebensunterhalts einen auskömmlichen Beruf zu erlernen. Wenn es sich dabei -- wie im Streitfall -- um einen handwerklichen Beruf handelt, besteht sogar die Möglichkeit, die dabei erlernten Fähigkeiten auch im Betrieb der Nebenerwerbs-Landwirtschaft zu nutzen.

d) Auch der wiederholte Hinweis der Revision, nach der Entnahme des Grundstücks seien große Teile des Betriebs verpachtet worden, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Obgleich dies im Gesetz nicht zum Ausdruck kommt, beruht die Steuervergünstigung des § 14 a Abs. 4 EStG zwar auf dem grundlegenden Gedanken der Betriebsfortführung (vgl. Senatsurteil in BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614 zu 1. d); danach wäre die Begünstigung ausgeschlossen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung, Betriebsaufgabe oder einer Abwicklung des Betriebs stünde (so zutreffend Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 a EStG Anm. 141 und 152). Zu einer Betriebsaufgabe oder -abwicklung führt indessen weder die Verpachtung einzelner landwirtschaftlicher Flächen, solange der Charakter des Betriebs erhalten bleibt (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Dezember 1992 IV R 115/91, BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342 m. w. N.), noch die Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen, solange der Verpächter nicht ausdrücklich die Betriebsaufgabe erklärt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Da die Rechtsprechung bei Betriebsverpachtung ohne Aufgabeerklärung von einer Betriebsfortführung in anderer Form ausgeht, wäre der Freibetrag nach § 14 a Abs. 4 EStG auch in einem solchen Fall zu gewähren.

e) Schließlich hat das FA eingewandt, im Streitfall könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß der Betrieb vor Eintritt des Erbfalls oder der Hofübergabe nicht aufgegeben oder veräußert werde. Bei einer vorgezogenen Abfindung kann die Steuervergünstigung jedoch -- wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 171, 381, BStBl II 1993, 788 ausgeführt hat -- nicht deshalb versagt werden, weil die Möglichkeit einer Betriebsveräußerung, einer Betriebsaufgabe oder einer Betriebsübertragung auf den weichenden Erben nicht auszuschließen ist. Vielmehr steht die Steuerbegünstigung unter diesem Gesetzesvorbehalt, der sich unter Anwendung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auch verfahrensmäßig durchsetzen läßt.

f) Nach alledem konnte den Klägern der Freibetrag zur Abfindung weichender Erben nicht versagt werden, ohne daß es auf die Ermittlung des Entnahmegewinns ankäme. Wie das FG festgestellt hat, bleibt auch der höhere vom FA ermittelte Gewinn unter der Freibetragsgrenze von 60 000 DM (§ 14 a Abs. 4 Satz 1 EStG).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 110

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