Entscheidungsstichwort (Thema)

(Entnahme bei Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten)

 

Leitsatz (amtlich)

Die entgeltliche Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten an einem land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstück und die anschließende Bebauung durch die Berechtigten führen grundsätzlich nicht zu einer Entnahme, wenn die Nutzungsänderung nur eine Fläche erfaßt, die im Vergleich zur Gesamtfläche des Betriebs von geringer Bedeutung ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 13a, 13 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), in den Streitjahren 1979 bis 1984 zusammenveranlagte Ehegatten, leben in Gütergemeinschaft. Sie betreiben einen zum Gesamtgut gehörenden im Jahre 1979 etwa 14 ha großen Hof und ermitteln ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ein Teil der landwirtschaftlichen Flächen, darunter auch ein 1,7 ha großes Grundstück (Gemarkung E, Flur 4, Flurstück 263), war seit 1969 bis zum Herbst 1979 verpachtet. Für diese Fläche war der Teilwert zum 1.Juli 1970 gemäß § 55 Abs.5 EStG auf 14 DM/qm festgestellt. Die Kläger veräußerten von August 1979 bis Juni 1980 eine Teilfläche (725 qm) dieses Grundstücks an einen Bauherrn, weitere Teilflächen (2 605 qm) an eine Baufirma, die die Erschließung des Baugebiets übernommen hatte, und eine Parzelle als Straßenland an die Stadt L. Danach bestellten sie in den Jahren 1980 bis 1983 Erbbaurechte an insgesamt 15 aus dem Grundstück vermessenen Parzellen. Den Klägern verblieben schließlich drei weitere Parzellen, die weder veräußert noch belastet wurden.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1980 wiesen die Kläger das besagte Grundstück als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen aus. Sie erklärten die Gewinne aus der Veräußerung der daraus hervorgegangenen Teilflächen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und neutralisierten sie durch einen Abzug nach § 6c EStG. Die vereinnahmten Erbbauzinsen wurden ebenfalls bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft erfaßt, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) dem Kläger in voller Höhe zurechnete.

Nachdem das FA erfahren hatte, daß die Kläger in Gütergemeinschaft lebten, forderte es für die Streitjahre Feststellungserklärungen an und erließ die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide. Darin wurde ein Gewinn aus der Entnahme der nicht veräußerten Parzellen des Flurstücks 263 angesetzt und die Erbbauzinsen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet.

Nach erfolglosem Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, das Grundstück sei weder durch eindeutige Entnahmehandlung noch durch Nutzungsänderung (Brachlage oder Erbbaurechtsbestellungen) Privatvermögen geworden. Die Erbbauzinsen seien daher als Pachteinnahmen i.S. des § 13a Abs.6 Satz 2 EStG zu werten.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Mit der Vergabe einer Vielzahl von Erbbaurechten überlagere die Vermögensnutzung den Bereich der Landwirtschaft vollkommen, so daß die entsprechenden Grundstücke nicht mehr als gewillkürtes Betriebsvermögen fortgeführt werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß das fragliche Grundstück mit Ausnahme der veräußerten Parzellen in den Streitjahren noch zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Ehegatten-Mitunternehmerschaft gehört hat.

1. Unstreitig haben die Kläger das Grundstück bis zur Bestellung der Erbbaurechte nicht entnommen. Wie durch die Feststellung des höheren Teilwerts bestätigt wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.November 1987 IV R 139/85, BFH/NV 1989, 225), hat weder die Verpachtung zu landwirtschaftlichen Zwecken im Jahre 1969 zu einer Entnahme geführt (BFH-Urteil vom 28.Oktober 1982 IV R 73/81, BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106 zu 2.1. und BFH-Beschluß vom 27.Oktober 1988 IV S 11/88, BFH/NV 1990, 416) noch die Brachlage nach Beendigung des Pachtvertrages im Jahre 1979 bis zur Bebauung der Parzellen (BFH- Urteil vom 30.Januar 1986 IV R 270/84, BFHE 146, 378, BStBl II 1986, 516).

Dies entspricht dem Rechtsgedanken, der der Regelung in § 4 Abs.1 Satz 4 EStG zugrunde liegt und der nach der Rechtsprechung des Senats auch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte anzuwenden war (Urteil vom 4.November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448). Danach aber werden nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter unabhängig von der Gewinnermittlungsart des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs entweder durch eine eindeutige, mit einer ausdrücklichen Willenserklärung verbundene, aber auch durch schlüssige Entnahmehandlung oder durch einen entsprechenden Rechtsvorgang entnommen. Als schlüssige Entnahmehandlung ist eine bloße Nutzungsänderung landwirtschaftlich genutzter Flächen jedoch nur dann anzuerkennen, wenn das Grundstück damit notwendiges Privatvermögen geworden ist (BFH-Urteile in BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448; in BFHE 146, 378, BStBl II 1986, 516; vom 13.März 1986 IV R 1/84, BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711; und in BFH/NV 1989, 225).

2. In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH weder in der Belastung eines betrieblichen Grundstücks mit einem entgeltlich eingeräumten Erbbaurecht noch in der anschließenden Bebauung mit einem privat genutzten Wohnhaus durch den Erbbauberechtigten eine Entnahme gesehen (BFH-Urteile vom 26.Februar 1970 I R 42/68, BFHE 98, 486, BStBl II 1970, 419; vom 26.November 1987 IV R 171/85, BFHE 152, 95, BStBl II 1988, 490, und vom 10.April 1990 VIII R 133/86, BFHE 161, 438, BStBl II 1990, 961 sowie beiläufig BFH-Urteil vom 21.November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310 zu 2 am Ende). Führt danach allein die private Nutzung eines Grundstücks durch den Erbbauberechtigten nicht zur Annahme notwendigen Privatvermögens beim Eigentümer dieses Grundstücks (BFH in BFHE 152, 95, BStBl II 1988, 490), so stellt sich im Streitfall nur die Frage, ob die Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten zu einer abweichenden Beurteilung zwingt. Nach Auffassung des Senats ist dies nicht der Fall.

Der Senat hat die Nutzung betrieblicher Grundstücke durch die entgeltliche Bestellung von Erbbaurechten einer Nutzung durch Vermietung und Verpachtung gleichgestellt (BFH in BFHE 152, 95, BStBl II 1988, 490). Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für die Bestellung mehrerer Erbbaurechte durch den seinen Betrieb fortführenden Landwirt, denn der Senat hat selbst in der parzellenweisen Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs keine Betriebsaufgabe gesehen (Urteile vom 15.Oktober 1987 IV R 91/85, BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257, und IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260 sowie vom 28.November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521). Wenn aber die parzellenweise Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht zu einer Totalentnahme zwingt, so kann auch die einer Verpachtung gleichzuachtende Nutzungsüberlassung einiger Parzellen durch Bestellung von Erbbaurechten grundsätzlich nicht zu einer Entnahme kraft schlüssigen Verhaltens führen. Dabei ist es anders als bei der Betriebsverpachtung (BFH in BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257) für die Nutzungsüberlassung einzelner Parzellen unschädlich, wenn diese so umgestaltet werden, daß sie --wie im Streitfall nach Ausübung eines Erbbaurechts-- einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zugeführt werden können. Denn bei der Nutzungsänderung der wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Verpachtungsbetriebes handelt es sich um eine Umgestaltung von Wirtschaftsgütern des notwendigen Betriebsvermögens, während die Nutzungsänderung einzelner Grundstücke eines fortgeführten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs lediglich zu einer Veränderung von Wirtschaftsgütern des gewillkürten Betriebsvermögens führt (vgl. auch BFH-Urteil vom 9.Januar 1964 IV 274/63 U, BFHE 78, 243, BStBl III 1964, 97).

3. Der Revision ist jedoch zuzugeben, daß gewillkürtes oder i.S. von § 4 Abs.1 Satz 4 EStG geduldetes Betriebsvermögen nur in einem Umfang zulässig sein kann, der den Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs nicht derart beeinträchtigt, daß die Vermögensverwaltung die landwirtschaftliche Betätigung verdrängt. Entsprechende Zweifel hat der Senat in dem Urteil vom 6.Februar 1986 IV R 133/85 (BFHE 146, 244, BStBl II 1986, 666) anklingen, eine Entscheidung aber dahinstehen lassen, weil es in jenem Fall nicht zur Bestellung eines Erbbaurechts für ein mehrere Hektar großes Areal und der Weitergabe erschlossener Parzellen gekommen war. Eine Begrenzung des Umfangs gewillkürten Betriebsvermögens ist auch nach Auffassung des Senats geboten, wenn die Grundstücke infolge der Nutzungsänderung in einer Weise umgestaltet werden, daß eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung künftig ausgeschlossen ist.

Im Streitfall hat die Nutzungsänderung jedoch nicht den Umfang überschritten, der zu einer Verselbständigung der Vermögensverwaltung und damit zu einer Entnahme der dazu dienenden Flächen zwingen würde. Entgegen der Auffassung des FA kann die Beurteilung dieser Frage jedenfalls dann nicht von einem Vergleich der Erträge aus den beiden Tätigkeiten abhängen, wenn der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft --wie von den Klägern-- nach Durchschnittssätzen ermittelt wird, die nicht den tatsächlich erzielten Gewinnen entsprechen. Auch auf die weiteren von der Finanzverwaltung herangezogenen Abgrenzungskriterien, wie das Verhältnis der Roherträge und des Wertes der Flächen (vgl. z.B. Oberfinanzdirektion --OFD-- München vom 5.November 1992, Einkommensteuer-Kartei § 13 Nr.21.3) muß im Streitfall nicht abgestellt werden, denn die Kläger haben nur weniger als 10 v.H. ihrer landwirtschaftlichen Flächen der Nutzung durch Bestellung von Erbbaurechten zugeführt. Eine endgültige Nutzungsänderung diesen Umfangs ist jedenfalls unschädlich. Der Senat hat in anderem Zusammenhang schon wiederholt erkannt, daß eine Geringfügigkeitsgrenze von 10 v.H. zu beachten ist (z.B. Urteile vom 28.März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508, und vom 3.Dezember 1987 IV R 4/87, BFHE 152, 113, BStBl II 1988, 269 m.w.N.). Auf das Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere auf die Frage, ob den genannten weiteren Abgrenzungskriterien eine überwiegende Bedeutung zukommt (OFD München a.a.O.), kann es nach Auffassung des Senats daher erst ankommen, wenn der Umfang der erbbaurechtsbelasteten Flächen die Grenze von 10 v.H. der Gesamtfläche des Betriebs übersteigt.

4. Die Revision hat hiergegen eingewandt, die Vorentscheidung widerspreche dem Urteil des Senats vom 10.Dezember 1964 IV 167/64 U (BFHE 82, 356, BStBl III 1965, 377) und Abschn.14 Abs.3 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Danach kann ein Vollkaufmann nur insoweit gewillkürtes Betriebsvermögen bilden, als er damit nicht den Charakter seines Betriebs verändert. Die Finanzverwaltung hat diese zur Einlage einer Lastenausgleichsforderung in das Betriebsvermögen einer OHG ergangene Entscheidung auf die Willkürung von Grundstücken übertragen, die nicht zum notwendigen Privatvermögen gehören. Im Streitfall geht es jedoch weder um die Frage der Einlage eines neutralen Wirtschaftsguts noch war zu beurteilen, ob die Errichtung privater Wohnhäuser durch die Kläger als Betriebsinhaber zu einer Entnahme durch schlüssiges Verhalten geführt hat. Die Kläger haben lediglich Erbbaurechte bestellt; in Ausübung dieser Erbbaurechte haben die Berechtigten Wohngebäude errichtet. Beide Vorgänge haben jedoch --wie dargelegt-- nicht zur Entnahme der Grundstücksflächen aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen geführt.

5. Da sich die Kläger hiergegen nicht gewandt haben, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung der Frage, ob die vereinnahmten Erbbauzinsen bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen --wovon das FG ausgegangen ist-- wie Pachteinnahmen i.S. des § 13a Abs.6 Satz 2 EStG (ebenso BFH in BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310 zu 2 am Ende) oder als sonstige Betriebsvorgänge nach § 13a Abs.8 Nr.3 EStG jedenfalls aber nach einer der beiden Vorschriften zu erfassen wären, je nachdem ob die überlassenen Flächen im Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung erfaßt sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64170

BStBl II 1993, 342

BFHE 170, 141

BFHE 1993, 141

BB 1993, 856 (L)

DB 1993, 1600 (L)

DStR 1993, 833 (K)

HFR 1993, 304 (LT)

StE 1993, 219 (K)

StRK, Zinsen R.1 (KT)

NJW 1993, 2704

NJW 1993, 2704 (L)

StEL 1992, 37-41 (LT)

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