Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von rahmenlosen Bilderhaltern

 

Leitsatz (NV)

Rahmenlose Bilderhalter, bestehend aus einer Flachglasplatte und verschiedenen anderen Bestandteilen, gehören in Anwendung der AV 3b zur Pos.7013 KN.

 

Normenkette

Zolltarif (KN) Pos.4414, 7013 9990, 7020, 8306 3000, AV 3a und b

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über ,,rahmenlose Bilderrahmen". Es handelt sich dabei um rechteckige rahmenlose Bilderhalter in verschiedenen Größen (10,5 x 15 cm bis 50 x 70 cm), die aus einer mechanisch gefertigten Flachglasplatte (kein Bleikristall) mit geschliffenen Kanten, einer Papiereinlage mit Werbe- bzw. Passepartoutaufdruck, einer Hartfaserplatte mit geweißten Außenkanten und Lochstanzungen sowie, je nach Format, vier bis acht Metallklammern zum Zusammenhalten der einzelnen Teile bestehen.

Die OFD reihte die Waren in die Unterpos. 7013 9990 der Kombinierten Nomenklatur 1990 (KN) - andere Glaswaren zur Innenausstattung, mechanisch gefertigt, kein Bleikristall - ein. Die von der Klägerin im Einspruchsverfahren erstrebte Einreihung in die Pos.7020 (,,andere Waren aus Glas") lehnte die OFD ab. Die Bilderhalter seien gemäß der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3b nach ihrem charakterbestimmenden Bestandteil als Glaswaren dem Kap.70 und dort der Pos.7013 zuzuweisen, da sie üblicherweise in Wohnungen oder Büros Verwendung fänden. Eine Zuweisung zur Auffangpos.7020 komme nicht in Betracht.

Die Klägerin hält die Einreihung für unzutreffend. Bei den Bilderhaltern handele es sich nicht um Glas zur Innenausstattung; entscheidend sei ihre Verwendung als Bilderrahmen. Der Glasanteil betrage maximal 25%; entsprechend niedrig liege auch der Glasanteil am Einkaufspreis ab Werk. Auch andere Bilderrahmen aus Holz, Metall oder Plastik würden, obgleich sie auch mit Glasscheiben versehen seien und die gleichen Funktionen wie die streitbefangenen Waren erfüllten, in andere - verschiedene - Kapitel des Zolltarifs und nicht in das Glaskapitel eingereiht. Außerdem könnten die Bilderhalter jederzeit mit einer Kunstglasscheibe ausgestattet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist nicht zu beanstanden. Er verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Wie in der vZTA zutreffend festgestellt ist, gehören die Bilderhalter in die Unterpos.7013 9990 KN.

1. Eine Einreihung in die Pos.7013 ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Bilderhalter nicht nur aus Glas, sondern - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - aus vier verschiedenen Bestandteilen (Glasplatte, Papiereinlage, Hartfaserplatte und Metallklammern) bestehen. Solche zusammengesetzte Waren werden nach den Grundsätzen der AV 3 eingereiht.

a) Die vorrangig zu prüfende AV 3a, wonach die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgeht, kommt im Streitfall nicht zum Zuge, da eine solchermaßen in Betracht kommende Position nicht vorhanden ist. Insbesondere kommt die von der Klägerin schließlich bevorzugte Unterpos.8306 3000 von vornherein nicht in Betracht, weil die darin genannten ,,Rahmen für Photographien, Bilder oder dergleichen", wie der maßgebende Wortlaut der Pos.8306 (vgl. AV 1) erhellt, aus unedlen Metallen bestehen müssen. Wie sich aus der verwandten, hier ebenfalls nicht in Betracht kommenden Pos.4414 (Holzrahmen für Bilder, Photographien usw.) ergibt, versteht der Zolltarif, ebenso wie die Umgangssprache, unter dem Begriff ,,Rahmen" Einfassung und schützende Umrahmung eines Bildes oder einer Photographie. Eine solche Einfassung weisen die streitbefangenen Bilderhalter nicht auf. Sie haben keinen Rahmen im Sinne des Zolltarifs.

b) Hiernach ist nach der AV 3b zu prüfen, ob die Bilderhalter nach dem Bestandteil eingereiht werden können, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, sofern dieser Bestandteil ermittelt werden kann.

Bei der Anwendung der AV 3b ist zu beachten, daß das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimmt, je nach deren Art verschieden ist; in Betracht kommen etwa Art und Beschaffenheit der Bestandteile, ihr Umfang, Gewicht, Wert, ihre Menge oder Bedeutung in bezug auf die Verwendung der Ware (Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu AV 3 Rz.19.0). Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. Die Bewertung nach diesen Merkmalen hat zum Ziel, den Bestandteil zu ermitteln, dessen Bedeutung bei der gemeinsamen Verwendung der Bestandteile - eine separate Verwendung der einzelnen Teile kommt hier nach den Umständen nicht in Betracht - überwiegt (Senat, Urteil vom 8. Mai 1984 VII K 2/82, BFHE 141, 96, 99).

Im Streitfall ist es nach Auffassung des Senats nicht zweifelhaft, daß das Glas dem Bilderhalter den wesentlichen Charakter verleiht.

Bilderhalter werden gemeinhin gekauft, um Bilder oder Photographien schützend aufzunehmen und sie an einem Platz an der Wand aufzuhängen, an dem sie für das Auge wohlgefällig sind. Schon daraus erhellt, daß es im Regelfall auf den Untergrund, auf dem das Bild oder die Photographie angebracht wird, auf die Rückseite sozusagen, nicht oder nur unwesentlich ankommt. Damit scheidet die Hartfaserplatte als charakterbestimmendes Merkmal aus, ohne daß es eines Eingehens auf die hier als nachrangiges Kriterium anzusehende, im einzelnen unter den Beteiligten streitige, Wertrelation zwischen der Glasscheibe und der Hartfaserplatte bedürfte (Senat, Urteil vom 1. September 1987 VII K 15/87, BFHE 151, 258 - zusammengesetzte Ware: Taschenrechner-Radiokombination -).

Da der Papiereinlage mit Werbe- und Passepartoutaufdruck und den Metallklammern, die die anderen Teile lediglich zusammenhalten sollen, nur rein ,,dienende" Funktionen (vgl. dazu Senat, Urteil vom 26.Juni 1990 VII K 3/90, BFH/NV 1991, 279 - Camera-Recorder -) zukommen, bleibt lediglich die Glasplatte als ,,das" charakterbestimmende Element der zusammengesetzten Waren übrig. Damit gehören die Bilderhalter als Glaswaren in das Kap.70 des Zolltarifs, und zwar aufgrund der AV 3b gerade wegen ihrer Verwendung als Bilder,,rahmen", worauf die Klägerin sogar entscheidenden Wert legt.

Dem steht nicht entgegen, daß Glasscheiben in Fassungen oder ,,richtigen" Rahmen aus Holz, Metall oder Kunststoff nach der Entscheidung des Tarifgesetzgebers nicht in das Glaskapitel, sondern zu den jeweiligen Stoffkapiteln gehören. Bilderrahmen mit Glasscheiben werden damit tariflich so betrachtet, als hätten sie ihren wesentlichen Charakter als Glas verloren (so ErlHS zu Kap.70, ErlKN Rz.02.0 und 03.0), und damit den verschiedenen Stoffkapiteln zugeordnet; insoweit ist der Rahmen tarifierungserheblich. Ist kein Rahmen vorhanden, wie im Streitfall, kann nur das Glas charakterbestimmend sein. Es spielt auch keine Rolle, daß die Bilderhalter leicht und ebensogut mit Kunstglasscheiben versehen werden könnten, denn eingeführt werden sollten Bilderhalter mit Glasscheiben, und nur diese waren von der OFD zolltariflich zu beurteilen.

2. Die Einreihung der Waren in die Unterpos.7013 9990 durch die OFD ist nicht zu beanstanden.

a) Sie sind als Glaswaren zur Verwendung im Büro, zur Innenausstattung oder zu ähnlichen Zwecken der Pos.7013 anzusehen. Dies wird durch ErlHS zu Pos.7013 Rz.07.0 bestätigt, wonach Waren aus Glas in Verbindung mit anderen Stoffen - nur - dann in diese Position gehören, wenn das Glas dem Ganzen den Charakter einer Glasware verleiht.

Pos.7006 scheidet schon deshalb aus, weil dort das Glas nicht mit anderen Stoffen in Verbindung stehen darf. Die von der Klägerin ursprünglich, später nur noch hilfsweise beanspruchte Pos.7020 kommt als bloße Auffangposition für ,,andere" - d.h. in Kap.70 nicht sonstwo unterzubringende - ,,Waren aus Glas" angesichts der Einreihung der Ware in die Pos.7013 nicht in Betracht. Der von der Klägerin beigebrachten Zulassung der Vorausanmeldung genehmigungsfrei auszuführender Waren, in der das Hauptzollamt ,,Glasbildträger" offensichtlich unbeanstandet unter Tarifnummer 70.21 des Zolltarifs (entspricht jetzt Pos.7020 KN) hat durchgehen lassen, hat für den vorliegenden Fall schon deshalb keine Bedeutung, da diese Zulassung nicht die Tarifierung der Ware, sondern - außenwirtschaftsrechtlich - ihre Einordnung in das Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik betraf.

b) Auch innerhalb der Pos.7013 ist die Einreihung korrekt. Die Flachglasplatte ist mechanisch gefertigt und nicht aus Bleikristall (Unterpos.7013 9990).

Soweit die Klägerin an der unterschiedlichen Höhe der Zollsätze funktionsgleicher Waren (Bilderrahmen aus Holz 5,1%, aus Metall 6%, aus Plastik 8,4%) gegenüber dem Zollsatz für ihre ,,rahmenlosen" Bilderhalter (12%) Anstoß nimmt, ist zu sagen, daß die Einreihung einer Ware in die KN von der Höhe des vorgesehenen Zollsatzes nicht beeinflußt wird (Urteil des Senats vom 20. Februar 1990 VII K 8/89, BFHE 160, 91, 93). Zwar mag es naheliegen, für Waren der vorliegenden Art wegen ihrer funktionsgleichen Verwendung als Bilderhalter eine besondere Unterposition innerhalb des Kap.70 zu schaffen. Eine solche Entscheidung müßte jedoch der Tarifgesetzgeber treffen (vgl. auch Senatsbeschluß vom 26.Februar 1991 VII K 7/90, BFH/NV 1991, 854, m.w.N.). Für die zolltarifliche Beurteilung maßgebend ist allein der geltende Zolltarif.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 139

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