Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Videogeräten mit Fernsehkamera

 

Leitsatz (NV)

1. Tarifierung eines ,,Camera-Recorders".

2. Zur zolltariflichen Abgrenzung zwischen Videogeräten mit eingebauter Kamera und Fernsehkameras mit eingebautem Videogerät.

 

Normenkette

KN Unterpos. 8525 3091; KN Unterpos. 8521 1031 Anm. 3 zu Abschn. XVI

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über eine als ,,Camera-Recorder . . ." bezeichnete Ware, bestehend aus einer Fernsehkamera und einem Bild- und Tonaufzeichnungs- und -wiedergabegerät in einem gemeinsamen Gehäuse (zur weiteren Beschaffenheit Senat, Beschluß vom 7. Juli 1987 VII K 8/87, BFHE 150, 250), die in Anwendung von Anm. 3 zu Abschn. XVI der Kombinierten Nomenklatur (KN) der Unterposition 8521 1031 - Videogeräte zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe: Magnetbandgeräte . . . mit eingebauter Fernsehkamera in einem gemeinsamen Gehäuse - zugewiesen wurde. Zur Begründung wurde angeführt, das Videogerät (Position 8521) bestimme die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit, weil mit ihm nicht nur die von der Kamera (Position 8525) aufgenommenen Bilder, sondern auch, mit Hilfe eines als Sonderzubehör lieferbaren Aufnahme-Adapters, Fernsehprogramme aufgezeichnet werden könnten.

Gegen diese vZTA richtet sich die mit Zustimmung der OFD unmittelbar erhobene Klage, mit der die Klägerin im wesentlichen geltend macht, eine Haupttätigkeit als Videogerät setze zumindest voraus, daß überhaupt ein entsprechender Einsatz bei der Aufzeichnung von Fernsehprogrammen möglich und üblich sei. Das bei der Einfuhr nicht vorhandene, aber für die Aufzeichnung von Fernsehprogrammen benötigte Sonderzubehör - so führt die Klägerin im Hinblick auf das zum Vorlagebeschluß in BFHE 150, 250 ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 28. Februar 1989 Rs. 247/87 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 452) aus - habe eine wichtige Funktion (Einspeisung und Auftrennung externer Videosignale durch - nicht speziell entwickelten - Adapter) und keinen nur geringfügigen Wert. Ohne das Sonderzubehör könne das Gerät nicht zum Aufzeichnen von Fernsehprogrammen, mit ihm nicht wie ein Videorecorder eingesetzt werden, überwiegend vielmehr nur zum Überspielen eigener Videoaufzeichnungen. Selbst wenn der ,,Camera-Recorder . . ." zolltariflich so behandelt würde, als umfasse er das Sonderzubehör, sei die Verwendung zur Aufzeichnung von Fersehprogrammen aus produkt- und anwendungstechnischen sowie aus wirtschaftlichen Gründen keine (das Ganze bestimmende) Haupttätigkeit. Das Gerät werde im Markt als Kamera angesehen und nur von Kamera-Verwendern gekauft. Auch würden Qualität und Preis vornehmlich durch die Kamera bestimmt. Der Kamera-Teil stehe nach Wert, Gewicht, Abmessungen, Aussehen usw. im Vordergrund. Die Erläuterung (Erl) KN zu Position 8521 Rdziff. 03.0 und 04.0, auf die die OFD sich berufe, könnten nur Fälle erfassen, in denen tatsächlich der Einsatz als Videorecorder die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die OFD hat die Ware in der angefochtenen vZTA richtig tarifiert.

Videogeräte zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe gehören zu Position 8521 KN, darunter Magnetbandgeräte, bestimmt und beschaffen wie der Videoteil der vorliegenden Ware, mit eingebauter Fernsehkamera in einem gemeinsamen Gehäuse, zu Unterposition 8521 1031. Fernsehkameras werden dagegen von Position 8525 erfaßt, solche (mit weniger als drei Bildaufnahmeröhren) mit eingebautem Videogerät zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe in einem gemeinsamen Gehäuse von Unterposition 8525 3091. Kombinierte Maschinen, z. B. solche, die in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht sind (Erl Harmonisiertes System - HS - zu Abschn. XVI Rdziff. 61.0), sind, ebenso wie sog. Multifunktionsmaschinen, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit einzureihen (Anm. 3 zu Abschn. XVI KN); dasselbe gilt für Apparate, Geräte usw. (Anm. 5 zu Abschn. XVI KN). Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Ware zu beurteilen. Hiervon gehen auch die Parteien aus.

Als den ,,Camera-Recorder . . ." als Ganzes kennzeichnende Haupttätigkeit ist die des Videogeräts, nicht die der Fernsehkamera anzusehen. Mittels des Videogeräts können nicht nur die von der Kamera aufgenommenen Bilder aufgezeichnet werden, sondern auch - wenngleich nicht ohne weiteres - Fernsehprogramme; darüber hinaus ist die Wiedergabe fremder bespielter Kassetten über einen Fernsehschirm möglich. Das Videogerät hat danach keine nur der Kamera dienende Funktion. Eine ,,Fernsehkamera mit eingebautem Videogerät" - Unterposition 8525 3091 (vgl. ErlHS zu Position 8525 Rdziff. 23.0; ErlKN zu Position 8521 Rdziff. 05.0) - liegt somit nicht vor. Die Tätigkeiten der beiden Bestandteile - Videogerät und Kamera - sind auch nicht gleichwertig; vielmehr überwiegt insgesamt die Funktion des Videogeräts (Aufzeichnung sowohl der Kamera- als auch der Fernsehbilder). Dem steht nicht entgegen, daß die Verwendung zur Aufzeichnung von Fernsehprogrammen nur mit Hilfe besonderen Zubehörs - Adapter, ggf. mit Netzladeteil - möglich ist. Unabhängig von der Funktion und dem Wert des Sonderzubehörs ist das Gerät schon nach seiner Beschaffenheit (Aufnahme einzuspeisender Signale) baulich darauf ausgelegt, Fernsehprogramme aufzeichnen zu können. Ob es dabei in vollem Umfang den Anforderungen entspricht, die üblicherweise an einen Videorecorder gestellt werden, ist ohne Bedeutung. Nicht entscheidend ist auch, daß die Verwendung für Fernsehaufzeichnungen nicht als ,,Haupttätigkeit" angesehen werden kann. Ist - wie hier - eine nur der Kamera dienende Funktion des Videoteils auszuschließen, so muß bei der Beurteilung der Haupttätigkeit die Funktion des Videoteils insgesamt berücksichtigt werden, also auch die Verwendung zur Aufzeichnung und Wiedergabe der von der Kamera aufgenommenen Bilder. Da alleine die Haupttätigkeit entscheidungserheblich ist, braucht auf die von der Klägerin vorgetragenen anderen Gesichtspunkte, die ihrer Ansicht nach für die Höherbewertung des Kamera-Teils sprechen - Wert, Preis, Beschaffenheit und Markteinschätzung - nicht eingegangen zu werden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob das Sonderzubehör eine nicht nur untergeordnete Funktion bei der Aufzeichnung von Fernsehsendungen hat und ob sein Preis im Verhältnis zu dem der Gerätekombination eine Rolle spielt. Auf diese Frage war nach dem vorbezeichneten EuGH-Urteil unter der Geltung des früheren Gemeinsamen Zolltarifs abzustellen, soweit es um die (unmittelbare) Einreihung in die damalige Tarifst. 92.11 B ging. Die Rechtslage hat sich aber inzwischen geändert (Senat, Urteil vom 5. September 1989 VII K 8/87, BFH/NV 1990, 406). Geräte wie der ,,Camera-Recorder . . ." werden jetzt - ausdrücklich - von der Unterposition 8521 1031 erfaßt, wenn sie nach ihrer baulichen Beschaffenheit auch zur Aufzeichnung von Fernsehprogrammen geeignet sind. Fehlende Bestandteile werden damit nicht, wie die Klägerin meint, ,,hinzugedacht". Die im Beschluß in BFHE 150, 250, 252 geäußerten Zweifel, ob bei Fehlen des Sonderzubehörs die erforderliche Eignung zur Aufnahme von Fernsehprogrammen gegeben ist, sind durch das auf den Beschluß ergangene EuGH-Urteil ausgeräumt.

Das Ergebnis - Tarifierung nach dem die Haupttätigkeit des Ganzen bestimmenden Videoteil, mit der Folge der Anwendung von Unterposition 8521 1031 (,,Videogerät mit eingebauter Fernsehkamera") - steht in Übereinstimmung mit den ErlKN zu Position 8521 Rdziff. 03.0 und 04.0, nach denen zu der bezeichneten Unterposition Gerätekombinationen aus Fernsehkamera und Video-Magnetbandgerät gehören, wenn mit ihnen nicht nur die von der Kamera aufgenommenen Bilder, sonder - mittels eines externen Videotuners - auch Fernsehprogramme aufgezeichnet werden können. Auch die Erläuterungen der Gemeinschaft sind wichtiges Hilfsmittel für die Auslegung des Zolltarifs (EuGH, a. a. O., Abs. 10 der Urteilsgründe; BFHE 150, 250, 252). Unter Berücksichtigung auch dieser Erläuterungen ist die Tarifierung nicht zweifelhaft. Der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf es somit nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417188

BFH/NV 1991, 279

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