Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Fruchtaufstrichen

 

Leitsatz (NV)

Zur Tarifierung von Fruchtaufstrichen: was verlangt das Tarifierungsmerkmal ,,durch Kochen hergestellt" in Zolltarifposition 2007? (Vorlage an den EuGH).

 

Normenkette

KN Pos. 2007, 2008

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin verbindliche Zolltarifauskünfte . . . vom . . . 1989 - über verschiedene Fruchtaufstriche (Aprikose, Erdbeere, Brombeere, Heidelbeere, Schwarzkirsche, Sauerkirsche, ohne Zucker, mit Honig gesüßt, bzw. - außer bei Brombeere und Heidelbeere - mit Zucker). Die Aufstriche mit Honig (ca. 47 v. H.) enthalten ca. 50 v. H. Früchte, die mit Zucker (ca. 33 v. H.) ca. 65 v. H. Früchte, alle Aufstriche außerdem 2 v. H. Zitronensaftkonzentrat und Pektin. Sie werden in Rührwannen ca. 10 Minuten bei 80ø C unter normalen Druckverhältnissen erhitzt. Die OFD sah die Waren als ,,Konfitüren, durch Kochen hergestellt" an und wies sie im Hinblick auf ihre Beschaffenheit - nicht homogenisiert, mit einem Zuckergehalt von mehr als 30 GHT (Zusätzliche Anm. 2 zu Kap. 20 der Kombinierten Nomenklatur - KN -) den Unterpositionen 2007 9931 (Kirschen), 2007 9933 (Erdbeeren) und 2007 9939 (,,andere") zu. Der Einspruch der Klägerin, mit dem diese die Einreihung in die Position 2008 - ,,Früchte . . ., in anderer Weise zubereitet . . ., auch mit Zusatz von Zucker . . ., anderweit weder genannt noch inbegriffen" - begehrte, blieb ohne Erfolg. Das Ergebnis der Zubereitungen - so die OFD - sei eine von zerkleinerten Früchten durchsetzte streichfähige Fruchtmasse, deren durch den Zusatz von Pektin und Zitronensaftkonzentrat sowie durch anschließendes Erhitzen erzielte Konsistenz die Waren für eine Verwendung als Brotaufstriche, vergleichbar den Konfitüren, geeignet mache. Unter ,,Kochen" sei jedes Erhitzen zu verstehen, nicht nur ein Erhitzen bis zum Siedepunkt. Diese Auffassung stehe auch in Einklang mit der Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1979 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Konfitüren, Gelees, Marmeladen und Maronencreme (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 205/5).

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin im wesentlichen vorträgt, die Waren würden nach einem neuartigen Verfahren, nicht durch ,,Kochen" hergestellt . . . (Trockenpektin-Verfahren). Das Pektin werde unter fortlaufendem Rühren bei einer Erhitzung von 80ø C über 10 bis 15 Minuten gelöst. Dabei seien die Rührwannen fest verschlossen, um ein auch nur geringfügiges Entweichen von Wasser zu verhindern. Dann würden die Produkte in einem Vakuumkessel zum Zwecke des Luftentzugs ca. 30 Sekunden einem Unterdruck (500 mb) ausgesetzt. Anschließend würden sie in einer Wanne warmgehalten (ca. 60ø C), in Gläser abgefüllt und pasteurisiert, wobei eine Temperatur von 75 bis 80ø C erreicht werde (durch Heißwasser). Bei dieser Art der Herstellung, die erheblich naturbelassenere und unverfälschtere Produkte ergebe, liege kein Kochen im Sinne des Erreichens des Siedepunktes vor, sondern ein andersartiges Zubereiten auf einer niedrigeren Veredelungs- und Verarbeitungsstufe (Position 2008 KN).

Die OFD hat den von der Klägerin dargestellten Herstellungsprozeß nicht in Zweifel gezogen. Sie meint jedoch, an dem Verfahren der Klägerin sei nur neu, daß während der Erhitzungszeit kein Wasser entzogen werde. Diese Abweichung spiele indessen keine Rolle.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Auslegung des in der Position 2007 des Gemeinsamen Zolltarifs (KN) enthaltenen Begriffs ,,durch Kochen hergestellt" ab.

Die zollrechtliche Tarifierung bestimmt sich grundsätzlich nach den zolltariflich maßgebenden objektiven Merkmalen und Eigenschaften der Waren, aber auch, soweit erheblich, nach der Art und Weise ihrer Herstellung (z. B. Urteile des Gerichtshofs vom 25. Mai 1989 Rs 40/88, Slg. 1989, 1395, 1418, und vom 8. Dezember 1987 Rs 42/86, Slg. 1987, 4817, 4831). Festlegungen in außertariflichen Vorschriften sind damit für die Tarifierung, jedenfalls im allgemeinen, ohne Bedeutung. Was unter Konfitüren im Sinne der von der OFD bezeichneten Richtlinie zu verstehen ist, kann somit keine Rolle spielen.

Nach den zolltariflichen Erläuterungen zu Position 2007 KN (Harmonisiertes System, Rz. 01.0) werden Konfitüren durch Kochen von Früchten mit Zucker in etwa gleichem Gewichtsverhältnis hergestellt; sie sind nach dem Erkalten von mäßig fester Konsistenz und enthalten Fruchtstücke. Die ,,Fruchtaufstriche" sind von dieser Beschaffenheit. Offen ist aber, ob auch das hier tarifierungserhebliche Merkmal ,,durch Kochen hergestellt" erfüllt ist.

Die Beteiligten dieses Rechtsstreits gehen übereinstimmend davon aus, daß die zu beurteilenden Zubereitungen nicht - auch nicht durch die Bearbeitung im Vakuumkessel - bis zum Siedepunkt erhitzt worden sind. Die Frage, ob ein unter Vakuum für kurze Zeit auf den Siedepunkt gebrachtes Erzeugnis als durch Kochen hergestellt anzusehen ist - Vorlagebeschluß des Senats vom 7. September 1989 VII R 85/86, BFH/NV 1990, 272, Rechtssache des Gerichtshofs C 324/89 -, stellt sich hier nicht. Hier ergibt sich vielmehr die Frage, ob wie im Streitfall behandelte, insbesondere nur bis zu 80ø C erhitzte Zubereitungen mit Zusatz von Pektin in nicht gelöster Form schon als ,,gekocht" zu gelten haben. Sie wäre zu verneinen, wenn unter ,,Kochen" nur das Erreichen des (ggf. durch Unterdruck im Vakuum herabgesetzten) Siedepunktes zu verstehen wäre. Ist der Begriff ,,(Konfitüren) durch Kochen hergestellt" (obtenues par cuisson/being cooked preparations), was der Wortlaut nahelegen mag, in dieser Weise zu deuten, so kann es für die Tarifierung nicht darauf ankommen, ob die - dann nicht durch Kochen hergestellten - Erzeugnisse den Konfitüren ,,vergleichbar" sind. Die Vergleichbarkeit ist im vorliegenden Falle kein Maßstab für die Tarifierung. Sollte es angebracht sein, Erzeugnisse nach Art der Fruchtaufstriche der Klägerin als Konfitüren einzureihen, so wäre es Sache des Tarifgesetzgebers, diesem Umstand durch Änderung des Zolltarifs Rechnung zu tragen (vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 19. November 1981 Rs. 122/80, Slg. 1981, 2781, 2795 f., Abs. 12 der Urteilsgründe). Nach geltendem Recht wären dann die Erzeugnisse, weil nicht ,,durch Kochen hergestellt", der Auffangposition 2008 KN zuzuweisen.

Andererseits ist nicht auszuschließen, daß der Begriff ,,durch Kochen hergestellt" dahin auszulegen ist, daß er - auch - Herstellungen der vorliegenden Art umfaßt, nämlich Produkte, bei denen die sonst durch Erhitzen auf den Siedepunkt erreichte Konsistenz gleichfalls, wenn auch in anderer Weise, erzielt wird. Von dieser Betrachtung geht die deutsche Zollverwaltung aus, die ,,ungekochte" Konfitüren - jedenfalls solche, die durch Eindampfen der Ausgangsstoffe in Vakuum hergestellt sind - zu den durch Kochen hergestellten Konfitüren rechnet. Sollte diese Beurteilung zutreffen, so wären die Erzeugnisse der Klägerin, wie geschehen, der Position 2007 zuzuweisen.

Da aus diesen Gründen Zweifel an der Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift bestehen, hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

,,1. Ist die Position 2007 der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen, daß Fruchtaufstriche, wie in den Gründen beschrieben, mit Zusatz von nichtgelöstem Pektin, ca. 10 Minuten bei 80ø C erhitzt, als ,,Konfitüren, durch Kochen hergestellt", anzusehen sind?

2. Bei Verneinung von Frage 1: Ist die Position 2008 der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen, daß die Fruchtaufstriche (1.) von ihr erfaßt werden?"

 

Fundstellen

Haufe-Index 417645

BFH/NV 1991, 46

BFH/NV 1991, 854

BFHE 1992, 140

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