Leitsatz (amtlich)

Zur Tarifierung einer sog. elektronischen Registrierkasse, bestehend aus einer Kassenbox und einem Tischrechner nebst Zubehör.

 

Normenkette

GZT ATV 3b; GZT Tarifst. 84.52 A u; GZT Tarifst. 84.52 B

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion – OFD –) eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für eine Ware, die sie als „elektronische Registrierkasse X” bezeichnete. Die Ware soll nach Angaben der Klägerin aus Japan eingeführt und zur Registrierung – mit Belegausdruck für den Kunden – und zur Aufbewahrung der Tageseinnahmen verwendet werden.

Die Ware besteht aus einem elektronischen Tischrechner, einer abschließbaren Kassenbox aus Stahlblech mit einem Geldeinsatzfach aus Kunststoff und aus Zubehör (Elektrokabel, doppelte Papierrolle, Staubklappe). Der elektronische Tischrechner ist versehen mit einer Tastatur, mit deren Hilfe die Daten eingegeben und die Rechenarten bestimmt werden können, sowie mit einer zwölfstelligen Leuchtzifferanzeige und mit einem Druckwerk, durch die die Ergebnisse ausgewiesen werden. Mit Hilfe des Tischrechners können Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen, Divisionen, Prozentberechnungen, Wurzelberechnungen und Rechnungen mit einer Konstante durchgeführt werden. Zur Verwendung der genannten Teile als Registrierkasse wird der Tischrechner ohne feste Verbindung auf die Kassenbox gestellt. Tischrechner und Kassenbox werden sodann durch Elektrokabel miteinander verbunden; beide Teile besitzen die für die Verbindung erforderlichen Vorrichtungen. Nach der Verbindung kann die Kassenbox vom Tischrechner aus durch Tastendruck geöffnet werden. Der Tischrechner kann auch ohne Verbindung mit der Kassenbox und getrennt von dieser zur Durchführung von Rechenvorgängen, die mit der Verwendung als Registrierkasse nicht im Zusammenhang stehen, benutzt werden.

Die zur Verwendung als Registrierkasse erforderlichen Teile sind getrennt voneinander verpackt. Die einzelnen Verpackungen wiederum befinden sich gemeinsam in einem für den Einzelverkauf aufgemachten Karton.

In der vZTA wies die OFD die Ware der Tarifst. 84.52 A des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu, der elektronische Rechenmaschinen zuzuordnen sind. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Ihre Klage begründet die Klägerin im wesentlichen wie folgt:

Die einzelnen Bestandteile bildeten eine funktionelle Einheit, die sich als elektronische Registrierkasse darstelle. Sie würden in einer gemeinsamen Umschließung mit besonderer Beschriftung als Registrierkasse und unter einer Artikelnummer sowohl im Ausland eingekauft als auch im Zollgebiet verkauft. Außerdem sei die Registrierkasse durch spezielle technische Ausrüstungen gekennzeichnet. Der Rechner sei gesondert für die Kombination mit der Kassenbox hergestellt und enthalte auf der Rückseite eine Buchse, in die das Verbindungskabel der Kassenbox zu stecken sei. Normale Tischrechner seien nicht mit einer solchen Buchse ausgestattet. Weiter sei der Tischrechner mit einer zusätzlichen Aufwickelvorrichtung für einen doppelbogigen Journalstreifen ausgestattet. Ein normaler Tischrechner könne nur mit einer einfachen Papierrolle bedient werden. Es sei wirtschaftlich nicht sinnvoll, die Kassenbox und den Elektrorechner als jeweils eine Wareneinheit zu betrachten. Die Kassenbox als solche sei wirtschaftlich ohne Verbindung mit dem Elektronenrechner wertlos. Die wirtschaftliche Bedeutung des Rechners liege in der auf die Funktion der Registrierkasse abgestimmten Ausstattung. Ein vergleichbarer Tischrechner ohne diese Ausstattung werde zu einem niedrigeren Preis angeboten. Da rechtlich verbindliche Vorschriften über die Tarifierung nicht existierten, sei die allgemeine Verkehrsauffassung entscheidend.

Die Klägerin legte ein Gutachten mit dem Ergebnis vor, daß die Ware nach allgemeiner Verkehrsauffassung als modulare elektronische Registrierkasse anzusehen sei.

Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 177 Abs. 2 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist der tarifliche Begriff „Registrierkasse” i. S. der Tarifst. 84.52 B GZT dahin auszulegen, daß darunter ein als „elektronische Registrierkasse” bezeichneter Gegenstand fällt, der im Einfuhrzeitpunkt aus mehreren getrennt in einem gemeinsamen Karton verpackten Teilen besteht, nämlich aus einem allgemein verwendbaren elektronischen Tischrechner mit Druckwerk und zwölfstelliger Leuchtzifferanzeige (mit dem Additionen, Multiplikationen, Subtraktionen, Divisionen, Prozentberechnungen, Wurzelberechnungen und Rechnungen mit einer Konstante durchgeführt werden können), aus einer abschließbaren Kassenbox aus Stahlblech mit einem Geldeinsatzfach aus Kunststoff sowie aus Zubehör (Elektrokabel, doppelter Papierrolle, Staubkappe)? Können die genannten Teile in ihrer Gesamtheit im Hinblick darauf, daß der elektronische Tischrechner und die Kassenbox vor der Verwendung als Registrierkasse mit Hilfe der an ihnen bestehenden Vorrichtungen (Elektrokabel mit Stecker an der Kassenbox, dazu passende Steckbuchse am Tischrechner, einander entsprechende Gummipuffer an beiden Teilen) ohne feste Verbindung aufeinandergestellt werden müssen, als funktionelle Einheit und damit als einheitliche Ware im Sinne einer Registrierkasse der Tarifst. 84.52 B GZT angesehen werden?
  2. Bei Verneinung der Fragen zu 1.:

    Können solche aus mehreren Teilen bestehende Gegenstände als „Warenzusammenstellung” oder „Waren, die aus verschiedenen … Bestandteilen bestehen” i. S. der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift (ATV) 3b angesehen werden?

Der EuGH hat daraufhin durch Urteil vom 9. Februar 1984 Rs. 60/83 folgende Entscheidung getroffen:

1. Ein Erzeugnis, das im Einfuhrzeitpunkt aus mehreren getrennt in einem gemeinsamen Karton verpackten Teilen besteht, nämlich aus einem allgemein verwendbaren elektronischen Tischrechner mit Druckwerk und zwölfstelliger Leuchtzifferanzeige (mit dem Additionen, Multiplikationen, Subtraktionen, Divisionen, Prozentberechnungen, Wurzelberechnungen und Rechnungen mit einer Konstante durchgeführt werden können), aus einer abschließbaren Kassenbox aus Stahlblech mit einem Geldeinsatzfach aus Kunststoff sowie aus Zubehör (Elektrokabel, doppelter Papierrolle, Staubkappe), kann nicht als funktionelle Einheit und damit nicht als einheitliche Ware im Sinne einer Registrierkasse der Tarifst. 84.52 B GZT angesehen werden.

2. Die Kombination von Bestandteilen, die das in der ersten Frage genannte Erzeugnis darstellt, ist als Warenzusammenstellung im Sinne der ATV 3 b zum GZT anzusehen, die nach dem charakterbestimmenden Bestandteil tarifiert wird.

Die Klägerin beantragt, die vZTA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und festzustellen, daß die streitbefangene Ware als Registrierkasse der Tarifst. 84.52 B GZT zuzuweisen sei.

Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die OFD hat die Ware zutreffend der Tarifst. 84.52 A GZT zugewiesen. Der Auffassung der Klägerin, die Ware sei der Tarifst. 84.52 B GZT zuzuordnen, kann nicht gefolgt werden.

Nach der Vorabentscheidung des EuGH, an die der erkennende Senat und die Beteiligten gebunden sind, handelt es sich bei der zu tarifierenden Ware um eine Kombination von Bestandteilen, die als Warenzusammenstellung im Sinne der ATV 3b zum GZT anzusehen sind und für deren Tarifierung nach dieser Vorschrift der charakterbestimmende Bestandteil maßgebend ist. Das ist der elektronische Tischrechner, der eine elektronische Rechenmaschine im Sinne der Tarifst. 84.52 A GZT darstellt.

Welcher Bestandteil der Warenzusammenstellung charakterbestimmend ist, läßt sich im Streitfall unter Beachtung der Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (ErlNRZZ) in Teil I der Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) zur ATV 3b Rdnr. 17 ermitteln. Die ErlZT können nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) bei der Auslegung des GZT berücksichtigt werden.

Nach den genannten Erläuterungen zur ATV 3b zum GZT ist das Merkmal, das den Charakter bestimmt, je nach Art der Ware verschieden. So kann sich nach diesen Erläuterungen der Charakter der Ware aus der Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus ihrem Umfang, ihrer Menge, ihrem Gewicht, ihrem Wert oder der Bedeutung eines Stoffes in bezug auf die Verwendung der Ware ergeben (vgl. auch Urteile des erkennenden Senats vom 9. November 1976 VII K 10/74 BFHE 121, 109, und vom 20. Oktober 1981 VII K 4/81, BFHE 134, 482). Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. So hat der erkennende Senat bei der Ermittlung des charakterbestimmenden Bestandteils im Sinne der ATV 3b zum GZT in früheren Entscheidungen (vgl. BFHE 121, 109, und 134, 482) auch die – sich aus der Beschaffenheit der Bestandteile ergebenden und mit ihren Wertanteilen im Zusammenhang stehenden – technischen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der technischen Abhängigkeit oder Steuerung des einen Bestandteils vom oder durch den anderen berücksichtigt. Die Bewertung nach diesen Merkmalen hat zum Ziel, den Bestandteil zu ermitteln, dessen Bedeutung bei der gemeinsamen Verwendung der Bestandteile überwiegt. Darüber hinaus können auch die Verwendungsmöglichkeiten des einen Bestandteils losgelöst von den anderen Bestandteilen bedeutsam sein. Bietet ein Bestandteil die Möglichkeit der Verwendung losgelöst von den anderen Bestandteilen und sprechen die Umstände des Einzelfalles dafür, daß diese Verwendungsmöglichkeit genutzt wird, so kann sich auch daraus ergeben, daß dieser Bestandteil charakterbestimmend ist. Diese Schlußfolgerung wird in der Regel dann gerechtfertigt sein, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß auch die anderen Bestandteile oder einer davon isoliert genutzt werden oder wenn deren isolierte Nutzung in ihrer Bedeutung erheblich hinter der des anderen Bestandteils zurückbleibt.

Im Streitfall ist der elektronische Tischrechner zwar schon wegen des Wertverhältnisses zu den anderen Bestandteilen und insbesondere zu der Kassenbox sowie wegen der Bedeutung seiner Verwendung gemeinsam mit den anderen Bestandteilen, darüber hinaus aber auch wegen der Möglichkeit einer von den anderen Bestandteilen losgelösten Verwendung als charakterbestimmender Bestandteil anzusehen.

Es ist nicht streitig, daß der Wert des elektronischen Tischrechners den der anderen Bestandteile, insbesondere den der Kassenbox erheblich übersteigt. Die Klägerin selbst bezeichnet die Kassenbox ohne Verbindung mit dem elektronischen Tischrechner sogar als wirtschaftlich wertlos.

Auch bei Beachtung der gemeinsamen Verwendung der Bestandteile überwiegt die Bedeutung des elektronischen Tischrechners diejenige der anderen Bestandteile und besonders der Kassenbox bei weitem. Im Rahmen dieser Beurteilung darf nicht berücksichtigt werden, daß nur die gemeinsame Verwendung des Tischrechners und der Kassenbox dazu führt, die Bestandteile als Registrierkasse nutzen zu können, da für die Tarifierung, wie der EuGH entschieden hat, nicht diese Funktionseinheit, sondern die Bedeutung der einzelnen Bestandteile maßgebend ist. Davon ausgehend ist der Verwendung des Tischrechners in der Verbindung mit der Kassenbox schon deshalb erheblich größere Bedeutung beizumessen, weil die Leistungen, die der Tischrechner zu erbringen hat, nämlich die Durchführung der Rechenvorgänge sowie die Registrierung der Kassenbeträge und die Erstellung der Belege für den Kunden, höher zu bewerten sind als die Leistungen der Kassenbox, die darin bestehen, das Geld aufzubewahren und vor dem ungehinderten Zugriff durch Nichtberechtigte zu sichern.

Die charakterbestimmende Bedeutung erlangt der Tischrechner aber ganz besonders dadurch, daß er losgelöst insbesondere von der Kassenbox verwendet werden kann und daß dieser Verwendung gegenüber einer losgelösten Verwendung der Kassenbox schon deshalb eine größere Bedeutung zukommt, weil einer isolierten Verwendung der Kassenbox, wie auch den Ausführungen der Klägerin zu entnehmen ist, keine wirtschaftliche Bedeutung beigemessen werden kann. Die Möglichkeit einer losgelösten Verwendung des Tischrechners von den anderen Bestandteilen ergibt sich schon daraus, daß der Tischrechner leicht von den anderen Bestandteilen, insbesondere von der Kassenbox zu trennen ist und getrennt von der Kassenbox zur Durchführung von Rechenvorgängen genutzt werden kann, wie sie vor allem im Bereich der Wirtschaft nach allgemeiner Erfahrung erforderlich sind. Die Bedeutung, die der Tischrechner durch eine derartige Verwendung erlangt, wird vor allem dadurch gekennzeichnet, daß die Durchführung der Rechenvorgänge mit Hilfe elektronischer Rechner, wie allgemein bekannt ist, der Entlastung des Benutzers dient.

Der Tischrechner erfüllt auch die Anforderungen, die an eine Rechenmaschine im Sinne der Tarifst. 82.52 A GZT zu stellen sind. Nach den ErlNRZZ in Teil I der ErlZT zur Tarifnr. 84.52 Rdnr. 2 bis 9 gehören zu den Rechenmaschinen in diesem Sinne schon Modelle, die nur addieren und subtrahieren können. Die Leistungen, die der Tischrechner erbringen kann, gehen, wie dargelegt, weit darüber hinaus.

Nach den genannten Erläuterungen kennzeichnen außerdem folgende Vorrichtungen eine Rechenmaschine:

  • Eine Einrichtung (z. B. Tastatur) zur manuellen Dateneingabe,
  • ein Rechenwerk, das durch eine Anzahl von Tasten bedient oder mit Hilfe eines Programms gesteuert wird,
  • eine Einrichtung zur Datenausgabe, die die Ergebnisse optisch anzeigt und/oder ausdruckt.

Der streitbefangene Tischrechner besitzt diese Vorrichtungen.

Es ist auch nicht streitig, daß der Tischrechner elektronisch funktioniert. Die Klägerin selbst bezeichnet ihn als elektronischen Tischrechner.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510421

BFHE 1985, 96

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