Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erweiterung des Revisionsantrags nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist

 

Leitsatz (NV)

Hat der Kläger seinen Revisionsantrag darauf beschränkt, die nachzuzahlende Lohnsteuer auf einen bestimmten Betrag festzusetzen, so kann er nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist den Antrag nicht mehr dahin erweitern, den angefochtenen Haftungsbescheid insgesamt aufzuheben.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 2, § 120

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

. . . Der Einspruch der Klägerin gegen den (wegen verschiedener Lohnsteuernachforderungsbeträge ergangenen) ,,Haftungsbescheid" hatte keinen Erfolg. Das FA kam vielmehr in der Einspruchsentscheidung - nach vorangegangener Ankündigung - zu einer Änderung zum Nachteil der Klägerin.

Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Erfassung sog. Gelegenheitsgeschenke als Arbeitslohn. Sie hielt darüber hinaus die vom FA angesetzten Werte für die Mittagessen für unzutreffend. Die Klage hatte nur insofern Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die in der Einspruchsentscheidung vorgenommene Schlechterstellung beseitigte und den Haftungsbescheid wieder herstellte.

Mit der Revision beanstandete die Klägerin zunächst lediglich die Verletzung von § 8 Abs. 2 EStG 1971/1974, § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 LStDV sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben im Hinblick auf die vom FA angenommenen Essenswerte. Ferner macht die Klägerin mangelnde Sachaufklärung und Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs geltend. Sie beantragte mit der Revision ursprünglich, den Haftungsbescheid dahin zu ändern, daß die nachzuzahlende Lohnsteuer auf 40 000 DM festgesetzt werde. Hilfsweise beantragte sie, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragte zunächst, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat in dieser Sache am 19. November 1982 einen Vorbescheid erlassen. Mit ihm hat er die Vorentscheidung aufgehoben und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung abgeändert.

Gegen den Vorbescheid hat die Klägerin rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Mit einem beim Senat am 10. Juli 1985 eingegangenen Schriftsatz vom 8. Juli 1985 machte sie sinngemäß geltend, daß der Haftungsbescheid im ganzen aufzuheben sei, weil es ihm an der erforderlichen Bestimmtheit fehle. Der Haftungsbescheid sei unwirksam, wenn nicht gar nichtig.

In der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerin sodann, den Haftungsbescheid insgesamt aufzuheben, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragte in der mündlichen Verhandlung, den Lohnsteuerhaftungsbescheid auf 100 000 DM herabzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet.

1. Der Senat braucht die von den Beteiligten zunächst in den Vordergrund gerückte Frage, mit welchen Werten die den Arbeitnehmern der Klägerin gewährten Mittagessen anzusetzen sind, nicht zu entscheiden. Es bedarf im Streitfall auch nicht der Klärung, ob die Lohnsteuerbeträge mit - wie es das FA angenommen hat - sog. Nettosteuersätzen (Steuer auf Steuer) nachgefordert werden dürften. Denn der angefochtene Haftungsbescheid kann schon wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit keinen Bestand haben. Er läßt nicht erkennen, ob und ggf. inwieweit das FA die Klägerin als Haftende in Anspruch nehmen oder eine pauschale Lohnsteuer gegen sie festsetzen wollte. . . .

2. Gleichwohl kann dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin, den Haftungsbescheid insgesamt aufzuheben, nicht entsprochen werden.

Die Klägerin hat ihren Revisionsantrag mit Schriftsatz vom 27. Juli 1978 eindeutig dahingehend beschränkt, daß die nachzuzahlende Lohnsteuer auf 40 000 DM festgesetzt werden soll; sie hat dies damit begründet, daß das FA die Essenswerte unzutreffend ermittelt habe. Eine weitergehende Herabsetzung ist deshalb nunmehr ausgeschlossen. Denn die Klägerin konnte den Revisionsantrag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht erweitern, weil ihre bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingereichte Revisionsbegründung die spätere Antragserweiterung nicht deckt (vgl. die BFH-Urteile vom 14. Juli 1966 V 167/62, BFHE 86, 565, BStBl III 1966, 627; vom 10. Dezember 1980 II R 101/78, BFHE 132, 310, BStBl II 1981, 270; Weber-Grellet, Deutsche Steuer-Zeitung 1984, 72, 74; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 120 FGO Tz. 51 a. E.). Die Begründung für den nunmehrigen und weitergehenden Antrag, der Haftungsbescheid sei aus formellen Gründen insgesamt fehlerhaft, hat die Klägerin erst nach Erlaß des Vorbescheids und demnach nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingereicht.

Der Senat kann dem Einwand des FA, daß die Revision der Klägerin in einem noch weitergehenden Umfang zurückzuweisen sei, weil diese mit der Revision zunächst nur den Sachverhaltskomplex ,,Essensbewertung" angegriffen habe, indessen nicht folgen. Nach § 96 Abs. 1 Satz 2, § 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darf der BFH nicht über das Revisionsbegehren hinausgehen; er ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Dies besagt, daß der Revisionskläger sachlich den Umfang bestimmt, inwieweit er das FG-Urteil überprüft wissen möchte. Dies kommt durch sein Revisionsbegehren zum Ausdruck. Dieses ist im Streitfall zunächst eindeutig dahin gegangen, die nachzufordernde Lohnsteuer auf 40 000 DM herabzusetzen.

Diese Auffassung wird durch Kostenüberlegungen bestätigt. Hätte die Klägerin die Revision nicht erweitert und mit ihrem Revisionsbegehren in vollem Umfang keinen Erfolg gehabt, wäre der Streitwert und die Kostenentscheidung nicht danach zu bemessen gewesen, welchen Sachverhaltskomplex sie angefochten hat, sondern danach, daß sie eine Herabsetzung der Lohnsteuer auf insgesamt 40 000 DM begehrt hat, insoweit aber voll unterlegen ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 514

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