Leitsatz (amtlich)

1. Aufwendungen, die ein Unternehmer dafür macht, daß ein von ihm beschäftigter Arbeitnehmer den Führerschein erwirbt, um ein nach Bauart und Ausstattung (Werkstattwagen mit eingebauten Arbeitsgeräten) als Betriebsfahrzeug gekennzeichnetes Kraftfahrzeug führen zu können, sind Betriebsausgaben.

2. Der Erwerb des Führerscheins stellt bei dem Arbeitnehmer eine Annehmlichkeit, keinen geldwerten Vorteil dar. Die Aufwendungen des Unternehmers sind daher nicht Teil des steuerpflichtigen Arbeitslohns des Arbeitnehmers.

2. Diese Grundsätze gelten auch für die im Betrieb ihres Ehemanns aufgrund eines anerkannten Arbeitsverhältnisses mitarbeitende Ehefrau, wenn diese nach den tatsächlichen Verhältnissen des Falles den Führerschein ausschließlich oder überwiegend im betrieblichen Interesse nutzt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Behandlung von Kosten als Betriebsausgaben, die die Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) für den Erwerb des Führerscheins durch die im Betrieb ihres Ehemanns aufgrund anerkannten Arbeitsverhältnisses mitarbeitende Ehefrau aufgewendet haben.

Der steuerpflichtige Ehemann betreibt ein Klempnereiund Installationsgeschäft. Er hatte dem Revisionskläger (FA) gegenüber ausgeführt, der Erwerb des Führerscheins durch seine Ehefrau sei aus betrieblichen Gründen erforderlich gewesen. Ein fremder Arbeitnehmer werde im Betrieb nicht beschäftigt. Seine Ehefrau müsse deshalb neben der Verrichtung der notwendigen Büroarbeiten auch den gesamten kaufmännischen Außendienst versehen sowie dringend benötigte Materialersatzteile heranschaffen. Dazu diene ihr der Werkstattwagen, ein VW-Kombi mit eingebauten Arbeitsgeräten, mit dem sie ein- bis viermal wöchentlich in die nächstgelegenen Städte fahre, um die auf der Baustelle benötigten Materfalersatzteile zu beschaffen. Weder er noch seine Ehefrau besäßen einen PKW, und es sei auch nicht beabsichtigt, in den nächsten Jahren einen solchen anzuschaffen.

Das FA ließ die streitigen Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Umstand, daß ein Führerschein seinem Inhaber betriebliche Fahrten ermögliche und auch ermöglichen solle, gebe keinen Aufschluß darüber, ob der Erwerb ausschließlich oder überwiegend betrieblich veranlaßt gewesen sei. Die Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gehörten nach den Urteilen des BFH VI 264/62 S vom 22. November 1963 (BFH 78, 364, BStBl III 1964, 141) und VI 251/63 U vom 8. April 1964 (BFH 79, 543, BStBl III 1964, 431) in Anbetracht der heutigen Lebensansprüche und des gegenwärtigen Standes der Motorisierung im allgemeinen zu den nach § 12 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung.

Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1966, 6 veröffentlicht ist, gab dagegen ihrer Berufung statt. Seine Entscheidung begründete es wie folgt:

Nach einhelliger Ansicht in Literatur und Rechtsprechung seien die Kosten für den Erwerb eines Führerscheins nur dann Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn sie durch den Betrieb oder Beruf veranlaßt und ausschließlich oder überwiegend im betrieblichen oder beruflichen Interesse aufgewendet worden seien. Die Frage, ob und inwieweit es sich dabei um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten oder um Kosten der Lebensführung handele, sei objektiv und unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles zu beantworten (BFH-Urteile IV 621/55 U vom 6. September 1956, BFH 63, 283, BStBl III 1956, 306; VI 128/61 U vom 1. Dezember 1961, BFH 74, 489, BStBl III 1962, 184 - die Aufwendungen eines Verkehrsrichters für die Anschaffung und Unterhaltung eines PKW betreffend). Diese Grundsätze seien auch im vorliegenden Streitfall anzuwenden.

Das FA habe dem tatsächlichen Vorbringen der Steuerpflichtigen nicht widersprochen. Würde die Ehefrau den Führerschein nicht erworben haben, so wäre ihr Ehemann, der neben seiner Ehefrau keinen (fremden) Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigte, gezwungen gewesen, seine Arbeit auf der Baustelle bei Fehlen von Bau- und Ersatzteilen zu unterbrechen, um die benötigten Materialien mit seinem Werkstattwagen selbst zu holen, oder aber seine Arbeit solange einzustellen, bis sein Großhändler ihm die angeforderten Materialien geliefert habe. Wenn diese oftmals zeitraubenden Fahrten nunmehr von seiner Ehefrau hätten übernommen werden können, so bedeute dies objektiv eine Erleichterung der Arbeiten des Ehemanns und damit eine Förderung seines Betriebes. Denn gerade bei einem im Aufbau befindlichen kleineren Handwerksbetrieb sei es regelmäßig für den Betrieb von Vorteil, wenn die vorhandene Arbeitskraft vielseitig eingesetzt und so z. B. eine kaufmännische Hilfskraft im Notfall auch als Kraftfahrer verwendet werden könne. Nur so lasse sich der Wettbewerbsvorteil größerer Betriebe gegenüber kleineren einigermaßen ausgleichen. Im Streitfall seien daher der Erwerb des Führerscheins durch die steuerpflichtige Ehefrau durch den Betrieb veranlaßt und die streitigen Kosten zumindest überwiegend im betrieblichen Interesse aufgewendet worden.

An dieser Beurteilung vermöge auch die Tatsache der möglichen privaten Verwertung der aus betrieblichem Anlaß erworbenen Fahrberechtigung nichts zu ändern. Die vom FA angezogenen BFH-Entscheidungen befaßten sich mit der Streitfrage lediglich im Zusammenhang mit dem Vorhandensein eines PKW, und nur in diesem Zusammenhang dürfe das BFH-Urteil VI 251/63 U, a. a. O., verstanden werden, wenn es ausführe, daß nach den heutigen Lebensansprüchen und dem gegenwärtigen Stand der Motorisierung im allgemeinen die Kosten für den Erwerb des Führerscheins zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung gehörten.

Entgegen der Ansicht des FA seien die streitigen Aufwendungen aber auch nicht dem steuerpflichtigen Arbeitslohn der Ehefrau zuzurechnen. Nicht jeder Vorteil aus einem Arbeitsverhältnis sei auch ein geldwerter Vorteil im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 LStDV. Die einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber gewährten Vorteile seien insbesondere dann nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn, sondern als Annehmlichkeit zu werten, wenn sie für den Arbeitnehmer keinen in Geld meßbaren Mehrwert hätten und der Arbeitgeber die Ausgabe vorwiegend im betrieblichen Interesse gemacht habe (BFH-Urteil VI 291/62 U vom 26. April 1963, BFH 77, 35, BStBl III 1963, 329). Da im Streitfalle betriebliche Gründe zur Aufwendung der Kosten für den Erwerb des Führerscheins der Ehefrau geführt hätten, könne von einer objektiven Bereicherung der Ehefrau durch den Erwerb des Führerscheins nur dann gesprochen werden, wenn diese ohnehin in absehbarer Zeit den Führerschein privat gemacht haben oder den erworbenen Führerschein nunmehr tatsächlich privat ausnutzen würde. Nach dem Vorbringen der Beteiligten spreche jedoch nichts für eine solche Annahme. Die öffentlich-rechtliche Erlaubnis allein, ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, sei für sich noch kein in Geld meßbarer Vorteil. Die private Nutzungsmöglichkeit des Führerscheins sei deshalb lediglich ein Reflex der aus betrieblichen Gründen abgelegten Fahrprüfung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA, zu dessen Begründung es folgendes ausführt:

Der Erwerb des Führerscheins begründe in der Person des Erwerbers ein Recht, das sich - unbeschadet der Zuweisung des Anlasses und der Erwerbskosten zum betrieblichen Bereich - lebenslang im privaten Bereich des Erwerbers auswirke. Die Vorteile, die dieses Recht für ihn mit sich bringe, würden angesichts der zunehmenden Motorisierung und des wachsenden Wohlstandes regelmäßig unabhängig vom Anlaß des Erwerbs fast niemals ausschließlich oder überwiegend im betrieblichen bzw. beruflichen oder im privaten Lebensbereich des Führerscheininhabers genutzt. Da es unmöglich sei, vorherzusehen, ob ein Führerscheininhaber in seinem Leben nur oder überwiegend berufliche oder private Fahrten unternehmen werde, bleibe nichts anderes übrig, als nach den heutigen Lebensverhältnissen den Erwerb des Führerscheins den Lebenshaltungskosten zuzurechnen. Eine Ausnahme sei nur in denjenigen Fällen gegeben, in denen mit ausreichender Sicherheit angenommen werden könne, daß der Führerscheininhaber das erworbene Recht ausschließlich oder überwiegend betrieblich bzw. beruflich nutzen werde (BFH-Urteil VI 251/63 U, a. a. O.). Zwar werde man auch dem Unternehmer, der einen Arbeitnehmer auf seine Kosten den Führerschein erwerben lasse, den Abzug seiner Aufwendungen als Betriebsausgabe nicht versagen können, weil davon auszugehen sei, daß die Ausnutzung der Fahrerlaubnis des Arbeitnehmers im Interesse des Betriebes das einzige Motiv der Ausgabe sei. Das könne indes nicht gelten, wenn der Arbeitnehmer die Ehefrau des Unternehmers sei.

Aber selbst wenn man dem FG folgen wolle, ergebe sich keine Auswirkung auf das zu versteuernde Einkommen der Steuerpflichtigen. Entgegen der Ansicht des FG habe der BFH einen geldwerten Vorteil sogar in den auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Fahrtkosten eines Betriebsausflugs gesehen, selbst wenn diesen das Ziel der Fahrt (als ein bestimmter Ausflugsort) gar nicht interessierte (BFH-Urteil VI 176/60 S vom 7. Juli 1961, BFH 73, 485, BStBl III 1961, 443). Anders als die Beaufsichtigung des Kindes einer Angestellten (BFH-Urteil VI 291/62 U, a. a. O.), die dieser die ungestörte Erfüllung ihrer Arbeitspflichten ermögliche, gehe das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht allein oder überwiegend in den Arbeitnehmerpflichten der steuerpflichtigen Ehefrau auf. Die Möglichkeit der Verwertung dieses Rechts auch im privaten Lebensbereich sei als ein handfester Vorteil, nicht als eine bloße Annehmlichkeit zu werten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten einerseits von den Kosten der Lebensführung andererseits entwickelt hat. Dient - wie auch im Streitfall - nach den tatsächlichen, vom FA nicht bestrittenen Feststellungen des FG das vom Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitspflichten geführte Kraftfahrzeug ausschließlich dem Betrieb des Arbeitgebers, so sind die vom Arbeitgeber getragenen Kosten für den Erwerb des Führerscheins durch den Arbeitnehmer Betriebsausgaben. Es greifen die gleichen Grundsätze Platz, die für diejenigen Fälle gelten, in denen das Kraftfahrzeug als Arbeitsmittel eines Arbeitnehmers anzusehen ist (BFH-Urteil IV 630/53 U vom 7. Oktober 1954, BFH 59, 395, BStBl III 1954, 362). Wird das Kraftfahrzeug in Anbetracht seiner Bauart und Ausstattung (Werkstattwagen) nach der Überzeugung des Gerichts zu privaten Fahrten nicht genutzt, so kann, wenn daneben ein PKW nicht vorhanden ist, auch für die Ehefrau des Betriebsinhabers als dessen anerkannte Arbeitnehmerin nichts anderes gelten.

Das FG konnte aufgrund des ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalts und seiner tatsächlichen Feststellungen, die vom FA nicht bestritten worden sind und deshalb den Senat binden (§ 118 Abs. 2 FGO), zu der von ihm getroffenen Entscheidung gelangen, ohne gegen Bundesrecht oder die Denkgesetze zu verstoßen.

2. Der Senat stimmt dem FG auch insoweit zu, als dieses in der Möglichkeit der Verwertung des Führerscheins im privaten Lebensbereich der steuerpflichtigen Ehefrau lediglich eine Annehmlichkeit und keinen geldwerten Vorteil gesehen hat. Die Grenze zwischen Annehmlichkeit und geldwertem Vorteil ist flüssig (vgl. BFH-Urteil VI 176/60 S, a. a. O.): "Die Entscheidung hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer durch die Zuwendung objektiv bereichert wird. ... Aufwendungen eines Arbeitgebers, die überwiegend seinem eigenen Interesse, nämlich der Förderung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer, dienen, sind oft nicht als Bereicherung der Arbeitnehmer zu werten." Nichts anderes aber kann gelten, wenn die Aufwendungen weniger der Förderung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, als der Förderung der Interessen des Arbeitgebers selbst dienen. Die Möglichkeit, daß ein Arbeitnehmer den auf Kosten seines Arbeitgebers erworbenen Führerschein in späteren Jahren auch für private Zwecke verwertet, kann nicht dazu führen, die Abzugsfähigkeit der vom Arbeitgeber aufgewendeten Kosten beim Arbeitnehmer durch die Annahme eines geldwerten Vorteils auszugleichen. Nachdem im Streitfall nach den unbestrittenen Feststellungen des FG die steuerpflichtige Ehefrau als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes einem diesem fremden Arbeitnehmer gleichgestellt werden muß, kann auch der Umstand der zwischen ihnen begründeten ehelichen Gemeinschaft keine abweichende Entscheidung rechtfertigen.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 773

BFHE 1968, 270

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