Leitsatz (amtlich)

Für Nebeneinkünfte aus der Synchronisation von Kultur-, Lehr- und Industriewerbefilmen, bei der der Filmbegleittext in eine Fremdsprache zu übertragen und der fremdsprachliche Text zu dem Filmstreifen zu sprechen ist, kann die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nicht gewährt werden.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 4

 

Tatbestand

Der Ehemann der Rechtsbeschwerdeführer, jetzt Revisionskläger (Steuerpflichtige), erzielte in den Streitjahren 1957, 1959 und 1960 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Sprachlehrer, Dolmetscher und Rundfunksprecher. Neben der von ihm im freien Mitarbeiterverhältnis vorwiegend bei zwei Rundfunkanstalten ausgeübten Tätigkeit als Sprecher und Übersetzer wirkte er bei den Rundfunkanstalten in Hörspielen mit. Außerdem ist er von der Industrie- und Handelskammer seit 1960 als Prüfer für Fremdsprachen bestellt worden. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit der Synchronisation von Dokumentar-, Industrie- und Lehrfilmen, die er im Auftrag verschiedener Filmgesellschaften durchführte. Seine Aufgabe bestand einmal darin, den zum Bild gesprochenen Begleittext, die Kommentierung, anhand des Drehbuchs unter Beachtung der Mentalität derjenigen, für die der Film bestimmt war, in die betreffende Fremdsprache zu übertragen und durch entsprechende Wortwahl den fremdsprachlichen Text mit den einzelnen Bildabschnitten in Einklang zu bringen. Zum anderen hatte er es auch übernommen, die von ihm in die Fremdsprache übertragenen Begleittexte zu sprechen. Der Steuerpflichtige blieb an die Konzeption des jeweiligen Films, so wie er in der deutschen Fassung vorgelegt wurde, sowohl dem Inhalt als auch der äußeren Gestaltung nach weitgehend gebunden. Den Aussagewert und die Formgebung des Films konnte er nicht eigenmächtig ändern.

Das FA gewährte ihm im Einspruchsverfahren die beantragte Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 und 4 EStG für die Einkünfte aus der Mitwirkung bei Hörspielen und aus der Prüfungstätigkeit, nicht jedoch für die Einkünfte aus Synchronisationstätigkeit, weil sie keine künstlerische Tätigkeit sei.

Die dagegen eingelegte Berufung (Klage) blieb erfolglos.

Das FG sah in der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Synchronisationstätigkeit weder eine künstlerische noch eine schriftstellerische Tätigkeit, weil einmal die Übertragung des Drehbuchs einer Übersetzertätigkeit entspreche, bei der der Steuerpflichtige durch die Bindung an den Inhalt und die äußere Gestaltung der Filme keine Möglichkeit gehabt habe, den Aussagewert und die Formgebung der Filme in einer von ihm gewünschten Weise eigenschöpferisch gestaltend zu verändern, und es ihm auch bei seiner Sprecherrolle an Raum für die Entfaltung künstlerischer Freiheit und Mitgestaltung des Filmstoffs entsprechend seiner eigenen individuellen Anschauungsweise gefehlt habe, weil der zu sprechende Text rein beschreibender Natur gewesen sei. Zum anderen könne auch die Übersetzung der Drehbücher nicht als schriftstellerische Tätigkeit angesehen werden, weil der Steuerpflichtige keine eigenen Gedanken der Öffentlichkeit gegenüber in Schriftform zum Ausdruck gebracht habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision, mit der der Steuerpflichtige unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 4 EStG auf seine Einkünfte aus Filmsynchronisation, hilfsweise Zurückverweisung beantragt, ist unbegründet.

Soweit der Steuerpflichtige mangelndes rechtliches Gehör und ungenügende Sachaufklärung rügt, kann er nicht gehört werden, weil er diesen Verfahrensmangel nicht innerhalb der Begründungsfrist (Ablauf 31. Dezember 1965) geltend gemacht hat. Der Steuerpflichtige hat weder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt noch sind Wiedereinsetzungsgründe aus den Akten erkennbar.

Die Feststellung des FG, daß die Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung gehört worden seien, kann nicht zu einer Aufhebung des Urteils führen. Die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung sind nach § 107 FGO zu berichtigen, da es sich bei dieser Formulierung um eine offenbare Unrichtigkeit handelt. Wie sich aus der in Bezug genommenen Sitzungsniederschrift ergibt, ist nur der Berufungsführer (Steuerpflichtige) zur Sache gehört worden. Der erkennende Senat ist auch für die Berichtigung zuständig (vgl. Urteil des BFH IV R 36/68 vom 23. Januar 1969, BFH 95, 97, BStBl II 1969, 340, Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1970, Anm. 1 und 8a zu § 107 FGO). Er nimmt die Berichtigung hiermit ausdrücklich vor.

In der Sache hat das FG die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 4 EStG zu Recht versagt, weil die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus seiner Synchronisationstätigkeit keine Nebeneinkünfte aus künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt unabhängig vom Zweck des Ergebnisses dieser Tätigkeit nur dann künstlerische Tätigkeit vor, wenn der Schaffende eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die, neben einer hinreichenden Beherrschung der Technik der betreffenden Kunstart, eine künstlerische Leistungshöhe erreicht (vgl. BFH-Urteile IV 560/56 U vom 20. Februar 1958, BFH 66, 471, BStBl III 1958, 182; V 96/59 S vom 11. Juli 1960, BFH 71, 549, BStBl III 1960, 453; IV 208/60 U vom 20. Juni 1962, BFH 75, 322, BStBl III 1962, 385; IV 321/61 U vom 24. Januar 1963, BFH 76, 592, BStBl III 1963, 216; V 52/61 U vom 24. Oktober 1963, BFH 77, 736, BStBl III 1963, 589; IV 223/63 U vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 398, BStBl III 1965, 1143; IV 62/65 U vom 8. Juni 1967, BFH 89, 219, BStBl III 1967, 618; IV 43/64 vom 26. September 1968, BFH 94, 12, BStBl II 1969, 70; I R 1/66 vom 2. Oktober 1968, BFH 94, 210, BStBl II 1969, 138).

Die Synchronisationstätigkeit des Steuerpflichtigen entspricht nach den vom FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend festgestellten Tätigkeitsmerkmalen den Anforderungen einer künstlerischen Tätigkeit nicht. Es fehlt ihr das geistig eigenschöpferische Element.

Wenn der Steuerpflichtige lediglich deutschsprachige Textbücher für Kultur-, Lehr- und Industriewerbefilme unter Berücksichtigung der Mentalität der künftigen Zuschauer in die englische Sprache zu übertragen, sowie den englischen Text zu dem Filmstreifen zu sprechen hat, aber weder den vom deutschen Produzenten festgelegten Sinngehalt, noch die äußere Gestaltung ändern darf, dann läßt eine Synchronisationstätigkeit dieser Art, die das FG zutreffend mit einer Übersetzertätigkeit verglichen hat, schon ihrer Natur nach keinen Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung. Es kann dahingestellt bleiben, ob einzelnen Textstellen in den dem FG vorgelegten Drehbüchern in englischer Sprache (übertragene Gedichte und Literaturzitate) als Nachdichtungen künstlerische Qualität zugesprochen werden kann; sie allein können die Synchronisationstätigkeit nicht insgesamt zu einer künstlerischen Tätigkeit aufwerten. Denn für die Frage, ob eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt worden ist, ist nicht jedes einzelne geschaffene Werk für sich, sondern es ist die gesamte im jeweiligen Veranlagungszeitraum ausgeübte Tätigkeit zu würdigen (BFH-Urteil V 96/59 S vom 11. Juli 1960, a. a. O.). Für den Veranlagungszeitraum 1960 kann der Steuerpflichtige schon deswegen für die Übersetzungstätigkeit die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 und 4 EStG nicht erhalten, weil in den Katalog der freien Berufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1960 die Tätigkeit der Übersetzer und Dolmetscher mit aufgenommen worden ist und nach ständiger Rechtsprechung des BFH Einkünfte nicht als Nebeneinkünfte im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG anerkannt werden können, die ein Steuerpflichtiger bei der Ausübung eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt (vgl. BFH-Urteile VI 29/59 S vom 24. April 1959, BFH 68, 504, BStBl III 1959, 193; IV R 196/67 vom 22. Februar 1968, BFH 91, 530, BStBl II 1968, 406; IV R 1/68 vom 13. November 1969, BFH 97, 306, BStBl II 1970, 117).

Auch die Sprechertätigkeit des Steuerpflichtigen ist weder für sich allein, noch im Zusammenhang mit der Übersetzungstätigkeit als künstlerische Tätigkeit anzusehen. Sie ist nicht mit der praktischen Berufstätigkeit eines freien Berufsschauspielers zu vergleichen, die der erkennende Senat in seinem Urteil IV 162/60 U vom 6. Oktober 1960 (BFH 72, 4, BStBl III 1961, 2) als in der Regel künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG bezeichnet hat. Sie entspricht vielmehr der eines Rundfunksprechers, der lediglich Nachrichten, Börsenzettel, Wetterberichte und dergleichen liest und Programme ansagt (vgl. BFH-Urteil V 52/61 U vom 24. Oktober 1963, a. a. O.) und der ebenfalls keine eigenschöpferische Gestaltungsmöglichkeit hat. Dem steht nicht entgegen, daß der BFH im genannten Urteil eine künstlerische Tätigkeit bei größeren Sprechrollen, z. B. in einem Hörspiel anerkennt. Der im Hinblick auf die Würdigung als künstlerische Tätigkeit wesentliche Unterschied zwischen der Tätigkeit als Rundfunksprecher der genannten Art bzw. der Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Filmsprecher und der Tätigkeit als Funk- oder Bühnenschauspieler bzw. der Interpretation von Musikstücken durch ausübende Musiker besteht darin, daß Schauspieler und Hörspielsprecher sich mit der darzustellenden Person in der Regel identifizieren und sie je nach ihrer Veranlagung im Rahmen der Regieanweisung eigenschöpferisch nacherleben. Das gleiche gilt von Musikinterpreten, die das aufzuführende Werk geistig und seelisch verarbeitet haben müssen, um es ihrem eigenen Stil entsprechend (eigenschöpferisch) darstellen zu können.

Die Synchronisationstätigkeit kann, soweit sie die Übertragung des Textbuchs in die englische Sprache betrifft, auch nicht als schriftstellerische Tätigkeit angesehen werden. Auch bei der schriftstellerischen Tätigkeitmuß es sich um den Ausdruck eigener Gedanken handeln, die sich freilich auch auf rein tatsächliche Vorgänge beziehen können (BFH-Entscheidung IV 278/56 U vom 14. Mai 1958, BFH 67, 115, BStBl III 1958, 316). Dem Steuerpflichtigen ist es jedoch nicht möglich, eigene Gedanken bei der Übertragung des Textbuchs in die englische Sprache zum Ausdruck zu bringen und freie Nachschöpfungen der Filmtexte in englischer Sprache vorzunehmen, weil er den Aussagewert und die Formgebung des Films in keiner Weise ändern darf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69552

BStBl II 1971, 703

BFHE 1971, 509

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