Leitsatz (amtlich)

Zu den beweglichen Wirtschaftsgütern im Sinne des § 19 BHG 1964 kann ein Kassenhäuschen gehören, das in einer Markthalle errichtet ist, um unmittelbar und ausschließlich dem Gewerbebetrieb eines Händlers zu dienen.

 

Normenkette

BHG 1964 § 19

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb im Jahre 1965 den Großhandel mit Obst und Gemüse. Sie errichtete in der Großmarkthalle ein gemauertes Kassenhäuschen und beantragte dafür im März 1966 eine Investitionszulage nach dem BHG. Nachdem das FA den Antrag abgelehnt hatte, erhob sie Klage mit folgender Begründung: Es handle sich bei dem Kassenhäuschen um ein aus Großblockmauersteinen in Verbindung mit vorgefertigten Betonteilen bestehendes, ohne Fundament auf den Hallenboden aufgestelltes Gebäude. Das Häuschen sei voll geschlossen und nach Bedarf klimatisiert, so daß darin Menschen sich aufhalten und arbeiten könnten. Es diene dazu, die Kassiererin vor Zugriffen in die Kasse zu schützen, dem Kunden die Einsichtnahme in Kassenvorfälle zu erschweren und Verhandlungen mit Kunden zu ermöglichen. Hieraus folge, daß es sich um eine investitionszulagefähige Betriebsvorrichtung handele, da sich die Beurteilung eines Bauwerks als Betriebsvorrichtung nach seiner Funktion und nicht nach seiner Ausführung richte. Darüber hinaus sei das Häuschen, wenngleich nur schwer beweglich, von einer "fiktiven Beweglichkeit i. S. der §§ 94 und 95 BGB". Im übrigen könne es vertragsgemäß vollständig entfernt werden, ohne daß der Hallenboden angegriffen werde. Im Mietvertrag sei die Entfernung für den Zeitpunkt des Ablaufes des Mietverhältnisses vereinbart worden.

Das FG wies die Klage ab und führte im wesentlichen aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 19 BHG vom 19. August 1964 (BGBl I, 674) sei, daß es sich um die Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen Wirtschaftsgutes handle. Das Kassenhäuschen sei jedoch kein bewegliches Wirtschaftsgut. Es sei ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden und gem. § 93, § 94 Abs. 1 BGB dessen wesentlicher Bestandteil geworden weil es bei seiner Loslösung vom Boden zerstört werden würde. Das Häuschen sei nicht gem. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB "nur zu einem vorübergehenden Zweck" errichtet worden. Nach Beendigung des Pachtvertrages werde die Klägerin kein Interesse an seiner "Entnahme" haben, weil es durch seine sich daraus ergebende Zerstörung für sie keinen Wert mehr hätte. Im Mietvertrag sei auch nicht bindend vereinbart worden, daß das Häuschen am Ende des Mietverhältnisses entfernt werden müsse. Die Klägerin habe das Häuschen auch nicht gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB in Ausübung eines dinglichen, sondern nur eines obligatorischen Rechtes mit dem Grundstück verbunden. § 95 Abs. 2 BGB sei nicht anwendbar, weil das Häuschen keine in ein Gebäude eingefügte Sache sei. Aus der Tatsache, daß es eine Betriebsvorrichtung im Sinne des § 50 BewG darstelle, könne sich keine andere, für die Klägerin günstigere Entscheidung ergeben.

Die Klägerin begründet ihre vom FG ausdrücklich zugelassene Revision im wesentlichen wie folgt: Das BHG sei im Rahmen des Steuerrechts auszulegen. Soweit § 19 BHG die Gewährung einer Investitionszulage für die Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes von dessen Beweglichkeit abhängig mache, sei bedeutsam, daß § 50 BewG für steuerlich dem Grundvermögen nicht zuzurechnende Grundstücksteile eine fiktive Beweglichkeit schaffe. Das gelte nicht nur für die Grundsteuer und für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital. Das FG hätte demnach prüfen müssen, ob das Häuschen als Betriebsgrundstück anzusehen und dem Grundvermögen zuzurechnen sei oder ob es sich um eine Betriebsvorrichtung handele und daher eine Zurechnung zum Betriebsvermögen in Betracht komme. Auf Grund der Funktion des Häuschens hätte das FG zu keinem anderen Ergebnis kommen können, als daß es sich um eine zum Betriebsvermögen gehörende Betriebsvorrichtung handele.

Die Klägerin hat beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und ihr eine Investitionszulage von 741 DM zu gewähren. Das FA hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA macht geltend: Der im § 19 BHG verwendete Begriff "bewegliche Wirtschaftsgüter" sei wie im Einkommensteuerrecht auszulegen, das mangels eigener Vorschriften auf das BewG zurückgreife. Dieses beurteile ein Bauwerk dann als Gebäude und damit als unbewegliches Wirtschaftsgut, wenn es die in dem Ländererlaß vom 28. März 1960 (BStBl II 1960, 93 ff.) erwähnten Voraussetzungen erfülle. Dabei sei es unerheblich, ob das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens sei. Das entspreche auch der Auffassung des BFH, der in seinem Urteil VI 55/65 vom 29. Juli 1966 (BFH 87, 313) auf § 7 Abs. 1 und 2 EStG verweise, wo ebenfalls nur zwischen beweglichen Sachen und "Gebäuden" schlechthin unterschieden werde. Der BFH folge dieser Unterscheidung auch in bezug auf die Investitionszulage, indem er die Verbindung beweglicher Wirtschaftsgüter mit Gebäuden für schädlich halte, mit anderen beweglichen Sachen dagegen nicht. Das hier zu beurteilende Kassenhäuschen sei entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin keine Betriebsvorrichtung, sondern ein Gebäude im Sinne des erwähnten Ländererlasses und damit auch im Sinne des BewG wie auch des EStG. Es könne sich also hier nur um eine Betriebseinrichtung handeln, die als Gebäude ein unbewegliches Wirtschaftsgut sei.

Beide Verfahrensbeteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Nach § 19 BHG 1964 wird die Investitionszulage gewährt für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Die Frage, was ein bewegliches Wirtschaftsgut im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts (BFH-Urteile I 261/64 vom 23. August 1966, BFH 87, 201, BStBl III 1967, 67; VI 55/65, a. a. O.; VI R 59/67 vom 17. Mai 1968, BFH 92, 257, BStBl II 1968, 565; VI R 209/67 vom 17. Mai 1968, BFH 92, 383, BStBl II 1968, 581). Die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG machen zwischen dem Grund und Boden einerseits und Gebäuden andererseits einen Unterschied und behandeln Gebäude ohne Rücksicht darauf, ob sie wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens sind, nach einheitlichen Grundsätzen, und zwar nicht als bewegliche Sachen. Auch im § 6b Abs. 1 Nr. 2 und 4 EStG werden Grund und Boden den Gebäuden gleichgestellt. Außer den erwähnten Vorschriften unterscheidet insbesondere noch der § 7 EStG zwischen Gebäuden und beweglichen Wirtschaftsgütern. Während § 7 Abs. 1 EStG alle abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens umfaßt, gilt § 7 Abs. 2 EStG nur für bewegliche Wirtschaftsgüter, zu denen, wie sich aus § 7 Abs. 4 und 5 EStG ergibt, Gebäude nicht gerechnet werden. Das EStG rechnet also Gebäude, gleichgültig ob sie auf eigenem oder auf fremdem Grund und Boden errichtet worden sind oder ob sie nach einer bestimmten Zeit wieder entfernt werden sollen, zu den Wirtschaftsgütern des unbeweglichen Vermögens (vgl. BFH-Urteil VI R 170/69 vom 1. Dezember 1970, BFH 100, 566, BStBl II 1971, 159).

Als Gebäude ist nach der Rechtsprechung ein Bauwerk anzusehen, das Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Witterungseinflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden ist und eine ausreichende Standfestigkeit hat (BFH-Urteile III 140/60 U vom 24. Mai 1963, BFH 77, 156, BStBl III 1963, 376; III 17/65 vom 13. Juni 1969, BFH 96, 57, BStBl II 1969, 517 in Verbindung mit Abschn. B Nr. 2 des Ländererlasses vom 28. März 1960, BStBl II 1960, 93). Das FG hat bisher nicht festgestellt, ob diese Voraussetzungen bei dem Kassenhäuschen erfüllt sind. Dem Senat erscheint es besonders zweifelhaft, ob das Häuschen den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet. Er hält deshalb gerade in dieser Hinsicht die allein dem FG zustehende Nachholung der tatsächlichen Feststellungen für erforderlich. Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß das Häuschen zwar fest mit dem Grund und Boden verbunden ist, jedoch einen dauernden Aufenthalt von Menschen nicht gestattet, so wird das Häuschen gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 BewG als Betriebsanlage der Klägerin anzusehen sein. Es dient nämlich unmittelbar und ausschließlich dem Gewerbebetrieb der Klägerin und steht in besonderer Beziehung zu dessen Ausübung in der Markthalle (vgl. BFH-Urteil III 382/57 U vom 14. August 1958, BFH 67, 325, BStBl III 1958, 400). Unter diesen Voraussetzungen kann das Kassenhäuschen zu den beweglichen Wirtschaftsgütern im Sinne des § 19 BHG 1964 gehören.

Der Senat mußte somit das FG-Urteil aufheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69450

BStBl II 1971, 451

BFHE 1971, 184

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