Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für Einkünfte aus einer hauptberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG kann die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG nicht gewährt werden; an dem Urteil IV 193/50 U vom 6. April 1951 (BStBl 1951 III S. 106, Slg. Bd. 55 S. 274) wird nicht mehr festgehalten.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 5, 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beschwerdeführer (Bf.) die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 in Anspruch nehmen kann.

Der Bf. ist Diplomingenieur. Aus seiner früheren Tätigkeit als angestellter Oberingenieur hatte er im Jahre 1954 Ruhegehaltsbezüge in Höhe von 7.392 DM. Seit seiner Pensionierung befaßt er sich mit der Rationalisierung von Industriebetrieben. Im Auftrage einzelner Firmen fertigt er Berichte, in denen er Vorschläge für Betriebsumstellungen und Verbesserungen des Produktionsablaufes macht. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrugen im Jahre 1954 5.446 DM. Daneben hatte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 805 DM und sonstige Einkünfte von 1.480 DM.

Der Bf. beantragte, ihm für seine Einkünfte aus der gutachtlichen Tätigkeit die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG zu gewähren, da es sich um Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit gehandelt habe. Finanzamt und Steuerausschuß lehnten die Anwendung der bezeichneten Vorschrift ab; es liege keine Nebentätigkeit vor, da der Bf. als Pensionär nicht mehr hauptberuflich tätig sei. Das Finanzgericht ging davon aus, daß es für die Frage der Nebeneinkünfte nicht auf das Verhältnis zu einer Haupttätigkeit, sondern auf das Verhältnis zu den Haupteinkünften ankomme. Der Begriff der Nebeneinkünfte erfordere auch nicht, daß es sich nur um eine geringfügige Tätigkeit handle. Die Steuervergünstigung könne auch, wie der Bundesfinanzhof im Urteil IV 193/50 U vom 6. April 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 106, Slg. Bd. 55 S. 274) ausgesprochen habe, in Anspruch genommen werden, wenn die begünstigte Tätigkeit eine Haupttätigkeit sei. Die vom Bf. ausgeübte Tätigkeit sei eine wissenschaftliche. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 73/52 U vom 30. April 1952 (BStBl 1952 III S. 165, Slg. Bd. 56 S. 425) sei wissenschaftliche Tätigkeit nicht nur die reine Wissenschaft, sondern jede Tätigkeit, durch die eine Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, auf Grund wissenschaftlicher Kenntnisse oder Erkenntnisse gelöst werde. Der Bf. habe eine abgeschlossene Hochschulausbildung und damit die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Arbeit. Daß er daneben von den erworbenen Erfahrungen und Kenntnissen auf technischem und betriebswissenschaftlichem Gebiet Gebrauch mache, nehme seiner Tätigkeit nicht den Charakter der Wissenschaftlichkeit. Eine solche Tätigkeit könne auch wie bei einem Arzt, Patentanwalt oder Wirtschaftsprüfer in einer berufsmäßigen Wirksamkeit bestehen, die die Anwendung der Wissenschaft auf konkrete Verhältnisse zum Gegenstand habe. Obwohl insoweit die geforderten Voraussetzungen einer begünstigten Nebentätigkeit gegeben seien, müsse dem Bf. die begehrte Steuervergünstigung versagt werden, weil die übrigen Einkünfte des Bf., zu denen auch die Nebeneinkünfte gehörten mit 7.731 DM die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Betrage von 7.392 DM überstiegen hätten.

In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. geltend, die Entscheidung des Finanzgerichts beruhe auf der Zusammenveranlagung mit den Einkünften seiner Ehefrau gemäß § 26 EStG 1953. In den übrigen Einkünften seien Einkünfte aus Vermietung in Höhe von 805 DM enthalten, die zur Hälfte Einkünfte seiner Ehefrau seien. Bei einer getrennten Veranlagung würden seine übrigen Einkünfte um 402 DM zu kürzen sein und nur noch 7.329 DM betragen. Die übrigen Einkünfte überstiegen damit nicht die Einkünfte aus der nichtselbständigen Berufstätigkeit. Damit seien alle Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Steuervergünstigung gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist im Streitpunkt nicht begründet.

Zutreffend ist das Finanzgericht bei der Frage der Abgrenzung der zu begünstigenden Nebeneinkünfte davon ausgegangen, daß auch die Einkünfte des Bf. aus seiner früheren Tätigkeit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören, so daß bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen § 34 Abs. 5 EStG 1953 angewendet werden kann. Die Tatsache, daß der Bf. Pensionär ist, ändert den Charakter der Einkünfte als solcher aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG nicht.

Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß es sich bei der vom Bf. ausgeübten gutachtlichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Betriebsrationalisierung um eine wissenschaftliche im Sinne der §§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 und 34 Abs. 5 EStG 1953 handelt.

Als Nebeneinkünfte, die nach § 34 Abs. 5 EStG begünstigt werden können, kommen jedoch nur Einkünfte aus einer Nebentätigkeit in Betracht. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Die Tätigkeit des Bf. hat einen derartigen Umfang, daß sie nicht mehr als eine Nebentätigkeit angesehen werden kann. Der Bf. hat die Bruttoeinnahmen aus dieser Tätigkeit für das Streitjahr mit 9.600 DM angegeben, denen fast 50 v. H. an Betriebsausgaben gegenüberstanden. Der Umfang der Tätigkeit folgt auch daraus, daß allein 120 Reisetage benötigt worden sind. Eine derart umfassende Tätigkeit muß als eine Haupttätigkeit angesehen werden. Der Senat hat allerdings in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil IV 193/50 U vom 6. April 1951 ausgesprochen, daß zu den steuerbegünstigten Einkünften im Sinne des § 34 Abs. 5 EStG auch Einkünfte aus einer Haupttätigkeit gehören, die neben der nichtselbständigen Arbeit oder einer Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ausgeübt wird. An dieser Auffassung wird nicht mehr festgehalten. Wenn in dem Urteil IV 104/52 U vom 13. November 1952 (BStBl 1953 III S. 33, Slg. Bd. 57 S. 83) die gutachtliche Tätigkeit eines angestellten Arztes, die als solche eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG darstellte, gemäß § 34 Abs. 5 EStG steuerlich begünstigt worden ist, so handelte es sich hier um eine freiberufliche Tätigkeit, die in ihrem Umfange nicht den Charakter einer hauptberuflichen Tätigkeit hatte. Dem Urteil des Senats IV 171/55 U vom 6. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 129, Slg. Bd. 64 S. 338) lag ein besonders gearteter Sachverhalt zugrunde. Aber bereits diese Entscheidung läßt erkennen, daß es für die Frage, ob Nebeneinkünfte im Sinne des § 34 Abs. 5 EStG 1953 vorliegen, die nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift steuerbegünstigt werden sollen, nicht allein auf ihre Höhe im Verhältnis zu anderen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder einer abgrenzbaren freiberuflichen Tätigkeit ankommen kann. Wollte man den Charakter der freiberuflichen wissenschaftlichen Tätigkeit unberücksichtigt lassen und die Frage der Steuervergünstigung ausschließlich von dem zahlenmäßigen Größenverhältnis abhängig machen, so könnte letztlich die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG Platz greifen, wenn ein Berufsträger seinen Beruf teils im Angestelltenverhältnis, teils freiberuflich ausübt. Da insbesondere bei der Mehrzahl der akademischen Berufe nicht bestritten werden kann, daß die ausgeübte Berufstätigkeit eine wissenschaftliche Tätigkeit ist, würde dies zu einer ungerechtfertigten Ausweitung der Vorschrift des § 34 Abs. 5 EStG führen. Sinn und Zweck der Steuervergünstigung ist es, den Berufsträgern in selbständiger und nichtselbständiger Arbeit einen Anreiz zu wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Nebentätigkeit zu bieten. Das kann aber nicht bedeuten, daß zum Beispiel ein angestellter Arzt, der daneben eine freie Praxis ausübt, mit den Einkünften aus dieser ärztlichen Praxis solange steuerlich begünstigt ist, als diese die Einkünfte aus seinem Anstellungsverhältnis nicht übersteigen. ähnliches würde für einen Syndikus gelten, der gleichzeitig die Praxis eines Rechtsanwalts ausübt.

Unter diesen Umständen kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob die Einkünfte aus der freiberuflichen wissenschaftlichen Tätigkeit des Bf. seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dann nicht mehr übersteigen, wenn die Hälfte der Mieteinkünfte bei getrennter Veranlagung seiner Ehefrau zugerechnet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409145

BStBl III 1958, 389

BFHE 1959, 297

BFHE 67, 297

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