Tarifvertraglichen Zuschüsse einer Rundfunkanstalt

Tarifvertragliche Zuschüsse einer Rundfunkanstalt an eine selbständige Journalistin anlässlich ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft sind nicht gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei. Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG verletzt insoweit nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.

Hintergrund: Analoge Anwendung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG

Nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind insbesondere das Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG steuerfrei. Gilt dies auch aufgrund analoger Anwendung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG für eine tarifvertragliche Zahlung, die im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisses zufließt?

Sachverhalt: Tätigkeit als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin mit Einkünften nach § 18 EStG

Die Klägerin ist Journalistin und bei den Rundfunkanstalten E und X beschäftigt. Aus ihren beruflichen Tätigkeiten erzielte sie 2014 zum einen geringfügige, nach Steuerklasse VI lohnversteuerte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In überwiegendem Umfang erzielte die Klägerin zum anderen als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin der E und der X Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG.

Aufgrund ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihrer zweiten Tochter im März 2014 erhielt die Klägerin im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeiten von den beiden Rundfunkanstalten im Jahr 2014 Beträge von 10.159 EUR (E) und 5.704 EUR (X) gutgeschrieben. Grundlage der Zahlungen waren für E und X geltende Tarifverträge, die im Fall des Nachweises einer Schwangerschaft jeweils Ansprüche auf Zuschusszahlungen für die Dauer von sechs Wochen vor der Geburt und acht (bei Frühgeburten oder Mehrlingsgeburten zwölf) Wochen nach der Geburt vorsahen.

In der Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin ihren Gewinn aus selbständiger Tätigkeit ohne die tarifvertraglichen Zuschüsse von insgesamt 15.863 EUR. Sie wies diese stattdessen in der Anlage N als steuerfreie Lohnersatzleistungen aus. Eine Lohnsteuerbescheinigung mit einem Eintrag in der betreffenden Zeile 15 legte sie nicht vor.

Finanzamt erfasste die tarifvertraglichen Zuschüsse als steuerpflichtige Einnahmen aus selbständiger Arbeit

Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 8.7.2016 und ebenso in dem zusammen mit der Einspruchsentscheidung bekanntgegebenen Änderungsbescheid vom 8.05.2018 erfasste das Finanzamt die Zuschüsse von 15.863 EUR als steuerpflichtige Einnahmen aus selbständiger Arbeit.

Abweisung der Klage als unbegründet

Die hiergegen gerichtete Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen.

Vorbringen im Revisionsverfahren

Im Revisionsverfahren bringt die Klägerin vor, die tariflichen Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld seien schon nicht steuerbar oder nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG nicht steuerpflichtig. Die Entgeltersatzleistungen für Schwangere und Mütter seien keine freiberuflichen Honorare und deshalb nicht als Einkünfte nach § 18 EStG zu qualifizieren. Jedenfalls sei eine analoge Anwendung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG geboten, wenn die Zuschüsse an das MuSchG angelehnt und kollektivvertraglich geregelt seien. Es sei die verfassungsrechtlich einzig vertretbare Auslegung, dass Steuervergünstigungen zur sozialen Absicherung von Müttern bzw. Schwangeren für alle Frauen gelten sollten.

Entscheidung: BFH weist die Revision als unbegründet zurück

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen, u.a. mit folgenden Hinweisen:

  • Die auf tarifvertraglicher Grundlage von den Auftraggebern E und X an die Klägerin bezahlten schwangerschafts- bzw. mutterschaftsbedingten Zuschüsse sind steuerbare Einnahmen der Klägerin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Journalistin (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
  • Der Umstand, dass mit den Zuschusszahlungen keine von der Klägerin erbrachten journalistischen Leistungen vergütet wurden, steht dem Vorliegen steuerbarer Einnahmen i.S. des § 18 EStG nicht entgegen.
  • Denn nur aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeiten für die beiden Rundfunkanstalten fanden der E-Tarifvertrag und der X-Tarifvertrag auf die Klägerin Anwendung. Die Veranlassung der Zuschusszahlungen durch ihre selbständigen journalistischen Tätigkeiten als freie Mitarbeiterin der Rundfunkanstalten (d.h. nicht durch eine abhängige Beschäftigung bei diesen) ist gegeben, sodass der erforderliche Bezug zu dem freiberuflichen Betrieb der Klägerin (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) vorliegt.
  • Die freiberuflichen Betriebseinnahmen in Höhe von 15.863 EUR sind steuerpflichtig. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind nicht erfüllt.
  • Bei den von der Klägerin vereinnahmten tarifvertraglichen Leistungen handelt es sich nicht um "Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG". Rechtsgrundlage des Mutterschaftsgeldes war 2014 § 13 MuschG a.F. Um Mutterschaftsgeld in diesem Sinne geht es bei den Zahlungen von E und X an nicht.
  • Die Auftraggeber E und X haben an die Klägerin auch keinen "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG" i.S. des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG gezahlt. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld war 2014 in § 14 MuSchG a.F. geregelt.
  • Die Zuschüsse in Höhe von 10.159 EUR (E) und 5.704 EUR (X) wurden nicht auf der Grundlage des MuSchG an die Klägerin als Arbeitnehmerin der jeweiligen Rundfunkanstalt und auch nicht nach anderen in § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ausdrücklich genannten Vorschriften gewährt, sondern nach den für freie Mitarbeiterinnen geltenden Tarifverträgen der E und der X.
  • Tarifvertragliche, dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG nachgebildete Zuschusszahlungen sind nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerbefreit. § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ist auf tarifvertragliche Zuschüsse auch nicht analog anwendbar.
  • Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG keine Steuerbefreiung für Zuschüsse an freie Mitarbeiterinnen auf tarifvertraglicher Grundlage vorsieht, die Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld (§ 14 MuSchG a.F., § 20 MuSchG n.F.) nachgebildet sind.  Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit durfte der Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Steuerbefreiung für Leistungen während der Mutterschutzfristen zwischen Einkünfte gemäß § 18 EStG erzielenden selbständigen Frauen und Einkünfte gemäß § 19 EStG erzielenden nichtselbständigen Frauen differenzieren. 

BFH Urteil vom 28.09.2022 - VIII R 39/19 (veröffentlicht am 19.01.2023)

Alle am 19.01.2023 veröffentlichten BFH-Entscheidungen

Schlagworte zum Thema:  Zuschuss, Steuerfreiheit