Leitsatz (amtlich)

Übernimmt eine GmbH beim Erwerb eines Teilbetriebs gegen Gewährung von Geschäftsanteilen an den Veräußerer Pensionsverpflichtungen, so sind die später aufgrund dieser Verpflichtungen gezahlten Pensionsanteile, soweit sie den Gewinn aus Gewerbebetrieb gemindert haben, gemäß § 8 Nr. 2 GewStG und die diesen Zahlungen entsprechenden Verpflichtungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags hinzuzurechnen.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eine GmbH, ist Tochtergesellschaft einer anderen GmbH, die bis zum 13. März 1957 in Form einer AG betrieben wurde. Mit Wirkung vom 1. Januar 1957 wurde der gesamte Fertigungsbetrieb der AG ausgegliedert und auf die Klägerin, die bis dahin Vertriebs-GmbH war, übertragen. Dies führte bei der Klägerin zu einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlage. Dabei erwarb die AG 65 v. H. der Geschäftsanteile der Klägerin. Diese pachtete zugleich von der AG die Produktions-, Lager- und Verwaltungsgebäude. Im Zusammenhang mit der Übertragung des Fertigungsbetriebs sind auch die Pensionsverpflichtungen, die die AG eingegangen hatte, auf die Klägerin übergegangen. Die Höhe der von der Klägerin übernommenen Pensionsanwartschaften im Übernahmezeitpunkt wurde auf Grund versicherungsmathematischer Berechnungen festgestellt. Entsprechende Rückstellungen wurden in die Bilanz der Klägerin eingestellt und mit Eintritt des Versorgungsfalles in den Streitjahren 1962, 1964 bis 1966 nach der versicherungsmathematischen Methode aufgelöst. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin wurden die Pensionsverpflichtungen abgezogen.

Im Anschluß an eine im Jahr 1968 bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung für die Jahre 1962 bis 1966 gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zu der Ansicht, nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG seien neben den am 1. Januar 1957 bereits laufenden Pensionsverpflichtungen auch diejenigen anteilig hinzuzurechnen, die im Zeitpunkt der übernahme des Fertigungsbetriebs am 1. Januar 1957 noch Pensionsanwartschaften waren, auf Grund deren aber zur Zeit der Betriebsprüfung schon Pensionen gezahlt würden. Unter Verwendung eines versicherungsmathematischen Gutachtens hat das FA bei der Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitais entsprechende Hinzurechnungen vorgenommen. Es ersetzte die vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1962, 1964 und 1965 durch endgültige Bescheide und führte für das Jahr 1966 eine erstmalige Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrags durch.

Mit ihrer unmittelbar zum FG erhobenen Klage vertrat die Klägerin die Ansicht, die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG seien nur insoweit gegeben, als im Umwandlungszeitpunkt bereits laufende Rentenverpflichtungen vorgelegen hätten. Pensionsanwartschaften dagegen seien keine dauernden Lasten und naturgemäß auch keine Renten.

Das FG bejahte demgegenüber die Voraussetzungen sowohl des § 8 Nr. 2 wie die des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG. (Wird im einzelnen ausgeführt.) Der in der AG von den Arbeitnehmern erdiente und mit dem Erwerb des Fertigungsbetriebs zusammenhängende Teil der Renten dürfe zwar gem. § 8 Nr. 2 GewStG dem Gewerbeertrag nur hinzugerechnet werden, soweit er bei der Ermittlung des Gewinns gem. § 7 GewStG abgesetzt worden sei. Dies treffe aber auf die vom FA hinzugerechneten Beträge zu, denn die Auflösung der Rückstellungen wirke sich nur nach Maßgabe des § 6 a Abs. 2 Satz 1 EStG gewinneutral aus, bei der Klägerin sei aber dieser Auflösungsbetrag niedriger gewesen als der Betrag der gezahlten Renten.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, den Gewerbeertrag und das Gewerbekapital der Streitjahre - unter Erweiterung ihres Antrags vor dem FG - um die g e s a m t e n Beträge zu kürzen, die das FA auf Grund der Betriebsprüfung hinzugerechnet hatte. Zur Begründung führt die Klägerin aus: Weder die übernommenen Pensionsverpflichtungen noch die auf Grund dieser Verpflichtungen von ihr gezahlten, von den Arbeitnehmern im Betrieb der AG erdienten Renten dürften bei der Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags erfaßt werden. Durch § 8 Nr. 2 GewStG solle sichergestellt werden, "daß für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogene Gewinn maßgebend ist, sondern der Ertrag, den der vom jeweiligen Rechtsträger losgelöste Gewerbebetrieb an sich abwirft" (Urteil des BFH vom 18. Juli 1973 I R 250/70, BFHE 110, 53, BStBl II 1973, 787; Beschluß des BVerfG vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 [9], BStBl II 1969, 424). Eine Hinzurechnung von im laufenden Betrieb begründeten Pensionsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern könne danach nicht in Betracht kommen. Beim bisherigen Rechtsträger seien die Pensionsverpflichtungen nicht hinzuzurechnen gewesen; das der Gewerbesteuer unterliegende Objekt Gewerbebetrieb habe sich durch den Eigentumswechsel im Falle des Kaufs oder einer Einbringung eines Betriebs im ganzen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ebensowenig geändert wie im Falle des Erbgangs (BFH-Urteil I R 250/70). Eine Hinzurechnungspflicht zur Gewerbeertragsteuer nach § 8 Nr. 2 GewStG könne sich nur dann ergeben, wenn im Zusammenhang mit dem Erwerb des Betriebs Rentenverpflichtungen eingegangen und übernommen würden und dadurch der Erwerb finanziert werde. In der Mitübernahme von Verbindlichkeiten eines Betriebs liege jedoch kein Finanzierungsvorgang. Der Betrieb sei vielmehr als eine Einheit anzusehen, die sich aus Aktiven und Passiven zusammensetze und die nicht in ihre einzelnen Wirtschaftsgüter zerlegt werden dürfe. Im Streitfall liege der Vorgang auf gesellschaftsrechtlicher Ebene und insofern gleiche er dem erbrechtlichen Erwerbsvorgang.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) werden u. a. bei der Ermittlung des Gewerbeertrags Renten - soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind - nach § 8 Nr. 2 GewStG wieder hinzugerechnet, wenn sie wirtschaftlich mit dem Erwerb eines Teilbetriebs zusammenhängen. Die Verbindlichkeiten, die diesen Renten entsprechen, werden bei der Errechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert hinzugerechnet, soweit sie bei dessen Feststellung abgezogen worden sind (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG).

2. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Anwendbarkeit der Hinzurechnungsvorschriften im Streitfall nicht schon an § 20 Abs. 4 und § 11 Abs. 4 UmwStG vom 14. August 1969 - BStBl I 1969, 498 - scheitert. Denn diese Vorschriften gelten nur für Umwandlungen, Verschmelzungen und Sacheinlagen, die nach dem 19. August 1969 vorgenommen worden sind. Das FG hat auch zutreffend die Voraussetzungen der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG im Streitfall bejaht.

a) Die Zahlungen an die Arbeitnehmer, die die Klägerin auf Grund der früheren Versorgungszusagen an die Arbeitnehmer leistete, waren Renten (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1974 I R 161/72, BFHE 112, 389, BStBl II 1974, 552). Gegen diese rechtliche Einordnung hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben. Gleichfalls zutreffend und von der Klägerin unwidersprochen hat das FG festgestellt, daß die Klägerin mit dem Fertigungsbetrieb einen Teilbetrieb im Sinne des § 8 Nr. 2 GewStG erworben hat.

b) Der Senat folgt dem FG auch darin, daß die Rentenzahlungen insoweit, als sie von den Arbeitnehmern im Betrieb der AG erdient wurden, mit dem Erwerb des Teilbetriebs der Klägerin wirtschaftlich zusammenhängen. Das gilt auch für Pensionsverbindlichkeiten, die diesen Zahlungen entsprechen.

Es trifft zu, daß Rückstellungen für Pensions- und Rentenanwartschaften, die im laufenden Geschäftsbetrieb begründet sind, bei der Ermittlung des Gewerbekapitals in der Regel nicht hinzugerechnet werden dürfen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1962 I 71/60 S, BFHE 76, 259, BStBl III 1963, 93). Dagegen hat der BFH den wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Gründung eines Betriebs bejaht, wenn bei einer Betriebsaufspaltung die neue Betriebs-GmbH von der Besitz-OHG die von dieser mit den Arbeitnehmern ihres Betriebs geschlossenen Arbeitsverträge und die damit verbundenen Pensionsverpflichtungen übernommen hat (BFH-Urteil vom 15. Juli 1964 I 170/60, HFR 1965, 64). Ähnliches gilt insoweit, als bei Eintritt eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen laufende Pensionszahlungen und Pensionsrückstellungen nach ihrem Bestand im Zeitpunkt des Eintritts des Gesellschafters anteilsmäßig auf diesen entfallen (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1966 IV 293/64, BFHE 87, 421, BStBl III 1967, 185). Leisten die Gesellschafter einer neu gegründeten AG ihre Einlagen durch Einbringung des Betriebsvermögens eines von ihnen bisher betriebenen Unternehmens, so unterliegen die von diesem Unternehmen begründeten Pensionsverpflichtungen bei Überleitung auf die AG den Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 2 und des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG (BFH-Urteil vom 16. Juni 1971 I R 48/70, BFHE 102, 394, BStBl II 1971, 718). Schließlich hat der erkennende Senat in seinem Urteil I R 161/72 entschieden, daß bei Einbringung eines bisher als KG betriebenen Unternehmens in eine GmbH die im laufenden Geschäftsbetrieb der KG entstandenen und von der GmbH übernommenen Pensionsverpflichtungen bei dieser nach § 8 Nr. 2 und nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG hinzuzurechnen sind.

Gerade die Erwägungen im BFH-Urteil I R 161/72 zeigen, daß es - im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin - nicht in allen Fällen darauf ankommen kann, ob die Pensionsverpflichtungen im laufenden Geschäftsbetrieb entstanden sind. Die Rechtslage ändert sich entscheidend, wenn zwischen Entstehung und voller Erfüllung der Pensionsverpflichtungen ein entgeltlicher Erwerbsvorgang liegt. Im Streitfall trifft dies zu. Hier handelt es sich um eine Sacheinlage gegen Gewährung von Geschäftsanteilen. Der Wert der Geschäftsanteile ist - ebenso wie im Fall I R 161/72 - um die Summe der übernommenen Verbindlichkeiten gemindert. Die Klägerin hat mit der Übernahme der Verbindlichkeiten ein zusätzliches, über die Gewährung von Geschäftsanteilen hinausgehendes Entgelt erbracht; denn sie hat den Gesellschafter, der den Fertigungsbetrieb eingebracht hat, von Verbindlichkeiten befreit. Darin liegt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Teilbetriebs und der Übernahme der Pensionsverbindlichkeiten. Der Klägerin kann bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht darin gefolgt werden, daß die Gegenleistung der Klägerin allein in der Hingabe der Geschäftsanteile bestanden habe, die Übernahme der Pensionsverpflichtungen aber außer Betracht bleiben müsse. Es kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Unterschied machen, ob der Erwerber eines Teilbetriebs vom Veräußerer Schulden übernimmt oder ob er zur Finanzierung des Kaufs Mittel auf dem Kapitalmarkt aufnimmt.

c) Allerdings hat der erkennende Senat die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dann verneint, wenn der Betrieb, der die Pensionsverpflichtungen begründet hat, im Erbwege auf einen anderen übergeht (BFH-Urteil I R 250/70). Letztlich entscheidend für diese Beurteilung war, daß es an der Entgeltlichkeit des Erwerbsvorgangs fehlte. Dem Erben steht kein Veräußerer gegenüber, dem er einen Kaufpreis für den Erwerb entrichtet. Im Urteil I R 250/70 hat der erkennende Senat die Übernahme von Rentenverpflichtungen gegenüber Dritten unter Anrechnung auf den Kaufpreis als Fall der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 GewStG ausdrücklich betont. Die Klägerin irrt, wenn sie aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer folgert, daß zwischen der Übernahme eines Betriebs im Erbwege und dem entgeltlichen Erwerb eines Teilbetriebs für die Frage der Hinzurechnung der Pensionsverpflichtungen kein wesentlicher Unterschied bestehe. Gerade dann. wenn der Ertrag erfaßt werden soll, den der Gewerbebetrieb - losgelöst vom jeweiligen Rechtsträger - abwirft, dürfen Aufwendungen, die dem hinter dem Gewerbebetrieb stehenden Erwerber im Zusammenhang mit dem Erwerb entstehen, den Gewerbeertrag nicht mindern. Der Klägerin kann nach alledem auch nicht darin gefolgt werden, daß gesellschaftsrechtliche Erwerbsvorgänge solchen erbrechtlicher Art gleichzustellen seien. Das unterscheidende Merkmal ist - wirtschaftlich gesehen - das entgeltliche Geschäft einerseits und das unentgeltliche andererseits.

3. Da die Klägerin gegen die Berechnung der nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zu erfassenden Beträge keine Einwendungen erhoben hat und Rechtsfehler des FG auch insoweit nicht erkennbar sind. ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 860

BFHE 1976, 514

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