Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewertung des Betriebsvermögens dürfen am Bewertungsstichtage als Schuldenposten nicht abgesetzt werden:

Die Kosten für den jährlichen Buchführungsabschluß des vorangegangenen Geschäftsjahres, die jeweils erst nach dem Stichtag entstehen,

Gewährleistungs- oder Garantieverpflichtungen, die am Stichtage noch nicht geltend gemacht wurden, und mit deren Geltendmachung für den Einzelfall damals auch nicht ernstlich gerechnet werden mußte.

 

Normenkette

BewG §§ 6, 62, 103, 63, 106, 66, 109

 

Tatbestand

Für den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1957 begehrte die Bfin. den Abzug von 5.000 DM für voraussichtliche Abschlußkosten der Buchhaltung und von 46.000 DM voraussichtliche Gewährleistungsaufwendungen.

Das Finanzamt lehnte im Einheitsbewertungs- Vermögensteuerbescheid 1957 die begehrten Rückstellungen ab: Es handle sich bei den Abschlußkosten um aufschiebend bedingte Lasten. Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverpflichtungen seien nicht zu berücksichtigen, solange keine Schäden geltend gemacht worden seien, für die der Pflichtige aufkommen müsse (Hinweis auf Abschn. 45 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR - 1953).

Die Bfin. machte demgegenüber geltend: Die Aufwendungen für die Abschlußarbeiten belasteten unabhängig von dem Zeitpunkt der Vornahme den Abschnitt, für den sie vorgenommen würden. Sie sei nach Handelsrecht zur ordnungsmäßigen Buchführung verpflichtet und habe in den ersten drei Monaten des folgenden Geschäftsjahres die Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung für das verflossene Geschäftsjahr aufzustellen.

Die Gewährleistungsverpflichtungen stellten eine wirtschaftliche Last dar. Ein Abzug sei trotz der aufschiebenden Bedingtheit der einzelnen Verpflichtungen entsprechend dem Grundsatz der großen Zahl bei Pensionsverpflichtungen und beim Wechselobligo zuzulassen. Nach den Lieferungsbedingungen hafte sie für unentgeltliche Ausbesserung oder Neulieferung innerhalb sechs Monate bei fehlerhafter Bauart oder mangelhafter Ausführung. Tatsächlich könne sie sich jedoch nicht auf die Sechs-Monats-Frist beschränken. In der Handels- und Ertragsteuerbilanz auf den 30. September 1956 seien als passivierte Last 46.000 DM Gewährleistungsverpflichtungen angesetzt und auch anerkannt worden.

Die Gewährleistungsunkosten für die vor dem 1. Oktober 1956 gelieferten Maschinen hat die Bfin. mit rd. 46.700 DM berechnet. Die Kosten ergeben sich nach den von der Bfin. durchgeführten Berechnungen aus Material und Materialgemeinkosten, Lohn und Lohngemeinkosten sowie etwaigen Sonderkosten der Herstellung.

Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus:

Für die Vornahme der Abschlußarbeiten habe am Feststellungszeitpunkt eine Verbindlichkeit noch nicht bestanden.

Die Aufwendungen für die Garantieverpflichtung seien betragsmäßig mit summarischen Zuschlägen zu den Material- und Lohnkosten willkürlich berechnet bzw. geschätzt worden. Die Garantieverpflichtungen seien regelmäßig im Preise berücksichtigt und stellten einen Teil der laufenden Unkosten des Jahres, in dem sie entständen, dar. Am Bewertungsstichtage habe keine Verpflichtung bestanden. Die Rückstellung könne nicht entsprechend den Grundsätzen über die bewertungsrechtliche Berücksichtigung von Pensionsanwartschaften oder von Wechselverpflichtungen nach dem Gesetz der großen Zahl zugebilligt werden. Die Geltendmachung von Garantieverpflichtungen sei stets außergewöhnlich. Voraussehbare besonders große oder außergewöhnliche Garantieverpflichtungen ständen hier unstreitig nicht zur Erörterung.

Mit der Rb. wird unter Aufrechterhaltung der bisherigen Anträge unrichtige Rechtsanwendung gerügt:

Die Aufwendungen für die Buchführungsabschlußarbeiten belasteten unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vornahme den Abschnitt, für den sie vorgenommen würden. Die für die Aufstellung der Jahresbilanz entstehenden Aufwendungen seien eine Last, die mit Ablauf des Bilanzstichtages entstehe und infolgedessen am Bewertungsstichtage vorhanden sei. Ein Käufer des Unternehmens würde die Abschlußkosten in Abzug bringen. Die Verpflichtung, den Jahresabschluß mit entsprechendem Aufwand durchzuführen, sei weder aufschiebend bedingt noch von einem zukünftigen Ereignis abhängig, sondern entstehe zwangsläufig mit dem Ablauf des Geschäftsjahres.

Die Rückstellung für Garantieverpflichtungen nach Material- und Lohnkosten mit Zuschlägen für Gemeinkosten und Verwaltungskosten sei nach eigenen Erfahrungen sorgfältig geschätzt. Bei Zweifeln hätte das Finanzgericht einen Sachverständigen anhören müssen. Garantieverpflichtungen seien in der Maschinenindustrie üblich. Die Entgelte für möglicherweise eintretende Garantieverpflichtungen seien in die Preise der gelieferten Maschinen einkalkuliert worden, dadurch in das Vermögen der Bfin. eingegangen und belasteten das Betriebsvermögen mit den späteren Garantieaufwendungen. Nach dem Bewertungsstichtage erfolge der buchmäßige Ausgleich durch Auflösung von Rückstellungen. Wechselobligo, Pensionszusagen und Garantieverpflichtungen stellten gleichermaßen wirtschaftliche Lasten dar.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Für die Abzugsfähigkeit von Betriebsschulden zur Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes sind die §§ 62, 63 BewG, für den Gesamtwert des gewerblichen Betriebes § 66 BewG maßgebend.

Die begehrte Berücksichtigung der Kosten für die jährlichen Buchführungsabschlußarbeiten als Schuldposten ist mangels bestehender Verbindlichkeit am Stichtage nicht möglich. Damals lag lediglich die Verpflichtung zur Durchführung der Abschlußarbeiten vor. Sie bildete als solche keine abzugsfähige Verbindlichkeit. Am Stichtage waren die Arbeiten nicht abgeschlossen und konnten es naturgemäß auch gar nicht sein. Es bestanden somit keine Aufwendungen und Zahlungsverpflichtungen für einen durchgeführten Jahresabschluß. Da der Beginn des Abschlusses ebenfalls erst nach dem Stichtage liegt, kommt auch keine zu bewertende Verbindlichkeit aus schwebenden Geschäften in Frage. Es ist nicht behauptet worden, daß hier die entsprechenden Arbeiten bereits vor dem Ende des Geschäftsjahres vorgenommen worden seien. Die später bei Durchführung des Auftrages entstehenden Aufwendungen sind laufende Betriebsunkosten. Es handelt sich um kein Problem des § 6 oder des § 12 BewG, ebensowenig wie etwa Löhne der Arbeitnehmer des Betriebes, die für spätere Arbeitsleistungen im nächsten Jahr zu zahlen sind, unter dem Gesichtspunkt der Bedingung oder des Teilwerts zu beurteilen sind. Die Verpflichtung zum Tätigwerden im nachfolgenden Jahre kann bewertungsrechtlich nach dem statischen Prinzip keine Berücksichtigung finden. Es war am Bewertungsstichtage (§ 63 BewG) kein Gläubiger vorhanden. Eine etwaige andere dynamisch dem Steuerpflichtigen entgegenkommende Betrachtung bei Ertragsteuern kann hier keinesfalls Anwendung finden.

Zur Frage, ob bei der Ermittlung des Betriebsvermögens eine Rückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen als Schuld abzuziehen ist, ist in dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 345/57 S vom 8. Januar 1960 (BStBl 1960 III S. 83, Slg. Bd. 70 S. 222) eingehend Stellung genommen worden. In dieser Entscheidung hält der Senat den Grundsatz der Einzelbewertung für die betrieblichen Schulden aufrecht und läßt Verbindlichkeiten aus Gewährleistung im Regelfall nur dann als abzugsfähige Schulden zu, wenn der Abnehmer seine Ansprüche bis zum Bewertungsstichtage geltend gemacht hat. Die Grundsatzentscheidung ist erst nach Ergehen des hier angefochtenen Urteils des Finanzgerichts und nach Einreichung der Rechtsbeschwerdebegründung im BStBl veröffentlicht worden und entscheidet die streitige Rechtsfrage zuungunsten der Bfin. Nach den dortigen Ausführungen erfordert der notwendige Grundsatz des Gleichgewichts zwischen den Aktiven und Passiven einer Vermögensaufstellung die Einzelbewertung auch für die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Schulden. In diesem Zusammenhang hat sich der Senat mit den Ausführungen von Gübbels, auf den sich die Bfin. zur Begründung ihrer Auffassung beruft, auseinandergesetzt und sie abgelehnt. Auch die späteren Ausführungen von Felix (s. Deutsches Steuerrecht 1963 S. 277), der sich Gübbels anschließt, bringen nichts Neues, zumal Felix selbst erklärt, "sowohl der Standpunkt der Rechtsprechung als auch die Thesen von Gübbels haben manches für sich". Soweit dort zur Stützung der vom Senat abweichenden Auffassung ein Vergleich mit der als zulässig unterstellten Rückstellung für die Körperschaftsteuer, "deren Höhe wegen des gespaltenen Tarifs auch von einer Bedingung (Gewinnverteilungsbeschluß) abhängt", gezogen wird, wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 340/61 U vom 17. April 1964 (BStBl 1964 III S. 380) verwiesen. Dort ist entgegen der vorausgesetzten Unterstellung dahin entschieden, daß § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KStG keine Bedingungen enthält, sondern daß es sich um eine einheitliche Tarifvorschrift handelt. Das neu angeführte Argument schlägt also ebenfalls nicht durch. Der Senat verbleibt bei seiner bisherigen Auffassung über die Einzelbewertung der Schulden unter Ablehnung einer wirtschaftlichen Gesamtlast. Soweit sich die Bfin. zur Begründung einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Last aus der Vielzahl ihrer Garantieverpflichtungen in entsprechender Betrachtung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über die bewertungsrechtliche Rückstellung für Wechselobligo als Delkredereposten (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs III 132/56 S vom 23. November 1956, BStBl 1957 III S. 14, Slg. Bd. 64 S. 34, und III 106/57 U vom 5. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 297, Slg. Bd. 65 S. 165) sowie auf die Rechtsprechung über die Bildung einer Rückstellung für Pensionsanwartschaften gemäß dem Gesetz der großen Zahl (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 314, Slg. Bd. 65 S. 206, und III 255/56 S vom 24. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 146, Slg. Bd. 66 S. 376) beruft, entfällt diese Beweisführung auf entsprechende Anwendung schon deshalb, weil der Senat diese Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Delkrederepostens für Wechselobligo als auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Begründung der gesonderten gegenwärtigen Versorgungslast unter Anwendung des sog. Gesetzes der großen Zahl ausdrücklich aufgegeben hat (s. Entscheidungen III 345/57 S vom 8. Januar 1960, a. a. O., und III 125/61 S vom 8. September 1961, BStBl 1962 III S. 19, Slg. Bd. 74 S. 42). Die neue Begründung für den bewertungsrechtlichen Abzug von Pensionszusagen läßt sich nicht entsprechend für den Abzug noch nicht geltend gemachter Garantieverpflichtungen anwenden.

Soweit in etwa gleichzeitiger oder auch späterer Rechtsprechung des Bundesfinanzhof Rückstellungen für Garantieverpflichtungen zugelassen sind (Entscheidungen I 198/60 U vom 18. Oktober 1960, BStBl 1960 III S. 495, Slg. Bd. 71 S. 659, und I 242/61 U vom 20. November 1962, BStBl 1963 III S. 113, Slg. Bd. 76 S. 307), handelt es sich um Rückstellungen in den Bilanzen, die auf dem dynamischen Prinzip beruhen (für Ertragsteuern). Es verbleibt also im vorliegenden Falle bei den Grundsätzen des oben genannten Urteils III 345/57 S vom 8. Januar 1960. Die Bfin. hat in der Rechtsbeschwerdebegründung ausdrücklich erklärt, es handle sich nicht um schon geltend gemachte Garantieverpflichtungen, sondern um eine Rückstellung für eine "sich erfahrungsgemäß ergebende Belastung". Auch würden nicht "voraussehbare, besonders große oder außergewöhnliche Aufwendungen aus außergewöhnlich weitgehenden Garantieverpflichtungen" beansprucht, sondern nur die normale Last, die das am Bewertungsstichtage vorhandene Betriebsvermögen aus den vor dem Bewertungsstichtage eingegangenen Garantieverpflichtungen trägt. Es sind also am Stichtage weder Garantieverpflichtungen geltend gemacht noch handelt es sich auch nur um ein ernstliches "Rechnen-Müssen" (was Friedländer, Steuer und Wirtschaft 1963 Sp. 339 ff. einbeziehen möchte) im Einzelfalle. Denn etwas anderes als Bezugnahme auf Einzelfälle kommt nach der Rechtsprechung des Senats überhaupt nicht in Frage.

Da somit dem Grunde nach keine Rückstellungen für Gewährleistungsverpflichtungen zugelassen sind, ist für die Ausführungen über deren Höhe nebst dem Antrage der Bfin. auf Anhören eines Sachverständigen kein Raum.

 

Fundstellen

BStBl III 1964, 402

BFHE 1964, 463

BFHE 79, 463

StRK, BewG:6 R 24

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