Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der besonderen Wertfortschreibung zum 1. April 1949 gemäß Art. IV § 3 des Ersten Gesetzes über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 (GVBl 1951 S. 26).

 

Normenkette

I. VermBestG Art. IV § 3

 

Tatbestand

Am 30. Dezember 1952 haben die Beschwerdeführer (Bf.) einen Antrag auf Wertfortschreibung für das Grundstück gestellt. Von diesem Grundstück, das in seinem jetzigen Bestande ein Areal von 197,19 ar Landfläche und 184,68 ar Wasserfläche umfaßt, sind 9,43 ar bebaut. Im Hinblick auf den Villencharakter des eigentlichen Wohngebäudes, das früher ausschließlich den Wohnbedürfnissen des verstorbenen Eigentümers und seiner Familie gedient hatte, war das Grundstück bis zum 1. Januar 1949 als Einfamilienhaus und zwar mit dem Mindestwert bewertet worden. Der wegen einer Bestandsveränderung zuletzt auf den 1. Januar 1943 festgestellte Einheitswert betrug 209 200 RM, wovon 3 000 RM auf die Wasserfläche, 12 000 RM auf die mit 6 RM pro qm bewertete Zufahrt und rund 194 200 RM auf die sonstige, mit 11 RM pro qm bewertete Landfläche entfielen.

Da im Jahre 1945 der größte und wertvollste Teil des Grundstücks einschlie\'e1lichh des eigentlichen Wohngebäudes von der Besatzungsmacht beschlagnahmt worden war und da das Grundstück auch nach der Freigabe nicht mehr allein den Wohnzwecken des früheren Eigentümers diente, sondern zum größten Teil im Wege der Vermietung an dem Eigentümer fremde Personen genutzt wurde, führte das Finanzamt zum 1. Januar 1949 eine Artfortschreibung des Grundstücks als Mietwohngrundstück durch, ohne daß damit die Höhe des Einheitswerts selbst irgendwelche Änderungen erfahren hätte.

Die Bf. begehren über die Artfortschreibung hinaus auch eine Wertfortschreibung des Grundstücks zum 1. April 1949, wobei sie zur Begründung ihres Antrags vorbringen, daß infolge der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse der Wert des Grundstücks von 11 RM/DM pro qm auf 4 DM pro qm gesunken sei.

Der Antrag auf Wertfortschreibung wurde vom Finanzamt abgelehnt, weil nach Art. IV § 2 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1951 S. 26 ff.) auch bei der Fortschreibung von Einheitswerten des Grundvermögens die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen seien und weil deshalb der bisher zum Ansatz gelangte Bodenwert von 11 RM/DM für den qm bis zur nächsten Hauptfeststellung bestehen bleiben müsse.

Mit im wesentlichen gleichlautender Begründung wies das Finanzamt auch den Einspruch zurück, in dem die Bf. geltend gemacht hatten, daß nicht allein das streitige Grundstück aus einem Einfamilienhaus in ein Mietwohngrundstück umgewandelt worden sei, sondern daß darüber hinaus die fragliche Wohngegend in ihrer Gesamtheitden Charakter eines Villenviertels begüterter Westberliner Bürger verloren habe. Der bei dem seiner-, zeitigen Charakter dieser Wohngegend gerechtfertigte qm-Preis von 11 RM/DM sei deshalb, wie die Bf. weiterhin ausführten, ganz erheblich gesunken.

In dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht wies das Landesfinanzamt u. a. darauf hin, daß dem zum 1. April 1949 gestellten Fortschreibungsantrag der Bf. schon deshalb nicht entsprochen werden könne, weil nach Art. IV § 3 des Ersten Vermögensbesteuerungsgesetzes nur "besondere" Fortschreibungen unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig seien. Da es an diesen Voraussetzungen fehle, komme eine Fortschreibung zum 1. April 1949 ohnehin nicht in Betracht. Trotz dieses Hinweises hielten die Bf. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Vorschriften der Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei den Lastenausgleichsabgaben (Bundessteuerblatt 1954 I S. 319 ff.) an ihrem ursprünglich gestellten Antrag fest, beantragten aber hilfsweise, sofern die Fortschreibung auf den 1. April 1949 doch nicht zulässig sein sollte, die Fortschreibung des Einheitswertes zum 1. Januar 1949.

Die Berufung blieb dennoch erfolglos. Das Verwaltungsgericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, daß schon die Antragsfrist für eine besondere Wertfortschreibung zum 1. April 1949 im Streitfalle nicht gewahrt sei. Im übrigen folgte es den Darlegungen des Landesfinanzamts, indem es das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen für die besondere Wertfortschreibung zum 1. April 1949 verneinte. Die Anwendung der Vorschriften der Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei den Lastenausgleichsabgaben lehnte das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ab, weil sie nur die Feststellung eines Sonderwertes für die Zwecke des Lastenausgleichs zum Gegenstand hätten, im übrigen aber auf das allgemeine Bewertungsverfahren nicht anzuwenden seien. Auch den hilfsweise gestellten Antrag auf Fortschreibung zum 1. Januar 1949 wies das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurück, daß die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung der nach Ansicht des Verwaltungsgerichts rechtskräftigen Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1949 nicht vorlägen, die im übrigen einen tatsächlichen oder rechtlichen Irrtum nicht erkennen lasse.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Vorinstanzen haben zwar mit Recht die von den Bf. beantragte, besondere Wertfortschreibung zum 1. April 1949 verweigert. Denn schon die für den Antrag auf besondere Wertfortschreibung zum 1. April 1949 vorgeschriebene Frist ist im Streitfalle nicht eingehalten worden. Das Erste Gesetz über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 hatte im Art. IV § 3 Abs. 7 bestimmt, daß ein solcher Antrag spätestens drei Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu stellen sei. Diese gesetzliche Frist, die entsprechend dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Vorschriften in Berlin (13. Januar 1950) bereits am 13. April 1950 beendet gewesen wäre ist allerdings nach Ziff. 15 der Rundverfügung Nr. 328/1951 des Landesfinanzamts Berlin vom 23. Juli 1951 (Steuerund Zollblatt Berlin 1951 S. 111 ff.) bis zum 30. September 1951 erstreckt worden. Selbst diese verlängerte Frist haben die Bf. indessen um mehr als ein Jahr überschritten, so daß auch Nachsicht, sofern sie bei Versäumung von Antragsfristen der vorliegenden Art überhaupt gewährt werden kann, gemäß § 87 Abs. 5 der Reichsabgabenordnung im Streitfalle nicht mehr in Betracht kommt.

Im übrigen sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine besondere Fortschreibung zum 1. April 1949 ohnehin nicht erfüllt. Diese besondere Wertfortschreibung zum 1. April 1949 ist nur für Berlin und ausschließlich nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. IV § 3 des Ersten Gesetzes zur Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 vorgesehen. Während allgemein die durch Kriegsschäden verursachten Wertminderungen Berliner Grundstücke nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften im Wege normaler Fortschreibung auf den Beginn der dem Kriegsende folgenden Jahre berücksichtigt werden können, ermöglichte das Berliner Gesetz vom 29. Dezember 1950 eine besondere Fortschreibung zum 1. April 1949, die mit der dabei vorgesehenen Gewährung von Bodenwert- und Trümmerabschlägen bei kriegsbeschädigtem oder kriegszerstörtem Grundbesitz eine Annäherung des Rechtszustandes in Berlin an die durch das Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 in der Bundesrepublik geschaffene Rechtslage bezweckte. Die Gewährung von Bodenwertabschlägen ist aber nach Art. IV § 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 in Verbindung mit Ziff. 21 der vorerwähnten Rundverfügung Nr. 328/1951 vom 23. Juli 1951 nur unter der Voraussetzung zulässig, daß der bisher festgestellte Bodenwert mindestens 20 DM für den qm beträgt. Die Gewährung von Trümmerabschlägen hat ihrerseits gemäß Art. IV § 3 Abs. 4 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 die totale Zerstörung der auf dem fraglichen Grundstück befindlichen Gebäude zur Voraussetzung. Wie das Verwaltungsgericht mit Recht festgestellt hat, ist bei dem Streitgrundstück weder die eine noch die andere Voraussetzung erfüllt. Von derartigen, nur bei kriegsbeschädigtem Grundbesitz vorgesehenen Wertabschlägen abgesehen, kann eine Fortschreibung zum 1. April 1949 nur im Falle von Änderungen in der Flächengröße durchgeführt werden (vgl. Art. IV § 3 Abs. 5 des Ersten Gesetzes zur Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin). Daß nach dem 1. Januar 1943 eine derartige Änderung in der Flächengröße des Streitgrundstücks eingetreten wäre, ist weder aus den Akten noch aus dem Vortrag der Beteiligten ersichtlich. Die Wertfortschreibung zum 1. April 1949 ist daher im Hinblick auf die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Neuordnung der Vermögensbesteuerung von Berlin mit Recht abgelehnt worden.

Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend die Vorschriften der Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei den Lastenausgleichsabgaben vom 28. Juli 1954 außer Betracht gelassen. Denn diese Vorschriften beziehen sich nur auf die Feststellung eines Sonderwertes für die Zwecke des Lastenausgleichs, haben aber mit der gesetzlich vorgesehenen Fortschreibung der bestehenden Einheitswerte nichts zu tun.

Zu Unrecht hat jedoch die Vorinstanz die zum 1. Januar 1949 beantragte Fortschreibung des Einheitswertes aus dem Grunde abgelehnt, weil zum 1. Januar 1949 bereits eine rechtskräftige Art- und Wertfortschreibung durchgeführt worden sei. Dies trifft in Wirklichkeit nicht zu. Die Bewertungsakten des Finanzamts lassen im Gegenteil deutlich erkennen, daß zum 1. Januar 1949 nur eine Artfortschreibung durchgeführt wurde; denn in der Veranlagungsverfügung ist das Wort "Wertfortschreibung" klar erkennbar gestrichen worden. Im übrigen befindet sich bei den Akten ein Vermerk folgenden Wortlauts:

"Antrag auf Fortschreibung soll demnächst eingehen. Gegen eine Artfortschreibung als Mietwohngrundstück bestehen keine Bedenken. Der Mindestwert von . . . . . DM muß jedoch bestehen bleiben. Steuermeßzahl 10 v. T."

Dem Vermerk entsprechend ist der bisherige Einheitswert der Höhe nach unverändert in den Artfortschreibungsbescheid übernommen worden. Das Finanzamt sah zu einer Wertfortschreibung von Amts wegen keine Veranlassung, weil der nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete errechnete Wert des Mietwohngrundstücks den bisher festgesetzten Mindestwert bei weitem nicht erreichte. Andererseits hat aber, wie sich aus dem oben mitgeteilten Vermerk ergibt, das Finanzamt auch über einen Antrag auf Wertfortschreibung noch nicht entschieden, sondern einem solchen Antrag offenbar noch entgegengesehen. Von einer rechtskräftigen Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1949 kann demnach nicht die Rede sein. Die rechtskräftig durchgeführte Artfortschreibung würde aber eine solche Wertfortschreibung zum gleichen Zeitpunkt nicht hindern.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat und dem Antrag auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1949 zu Unrecht die Rechtskraft einer auf diesen Zeitpunkt bereits durchgeführten Fortschreibung entgegengestellt hat, war sie aufzuheben.

Die Sache geht an das Finanzamt zurück zur Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung zum 1. Januar 1949 erfüllt sind. Dazu ist in formeller Hinsicht zu bemerken, daß, obwohl die Antragsfrist für einen Fortschreibungsantrag zum 1. Januar 1949 in dem Zeitpunkt bereits verstrichen war, in dem die Bf. ihren Hilfsantrag gestellt haben, ihr Antrag doch nicht von vornherein als unzulässig zu betrachten ist, weil der Antrag auch als eine Anregung zur Fortschreibung von Amts wegen angesehen werden kann. Für die Frage, ob einer solchen Anregung zu entsprechen wäre, würde es insbesondere darauf ankommen, festzustellen, ob das behauptete Absinken des Grundstückswertes tatsächlich auf eine Änderung in den Wohnverhältnissen der dortigen Wohngegend zurückzuführen ist. Sollte dies, obwohl es nicht sehr wahrscheinlich ist, zutreffen, so wird sich das Finanzamt darüber schlüssig werden müssen, ob die Umstände, die die Wertänderung im Streitfalle veranlaßt haben, als besondere gegenüber der allgemeinen Veränderung der wirtschaftlichen, politischen und Verkehrsverhältnisse Berlins in der Nachkriegszeit zu gelten haben. Eine Herabsetzung des Einheitswerts würde jedoch selbst bei Bejahung besonderer Umstände entfallen, wenn auch schon 1935 für den Grund und Boden von Mietwohngrundstücken in dortiger Gegend etwa 11 RM je qm gezahlt worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408331

BStBl III 1956, 122

BFHE 1956, 326

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