Leitsatz (amtlich)

Zur Rechtsgültigkeit von Art. IV § 2 Abs. 2 des Ersten Gesetzes über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin bzw. von § 3a BewDV.

Die Bestimmungen des Fortschreibungsgesetzes sind auf Grundbesitz in Berlin (West) nicht anwendbar.

Erstes Gesetz über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 (VOBl 1951 S. 26) Art. IV § 2 Abs. 2; BewDV § 3a; Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 (WiGBl

 

Normenkette

FortschrG; BewDV § 3a

 

Tatbestand

Es handelt sich um die Fortschreibung des Einheitswerts für das im Miteigentum des Beschwerdeführers (BF.) und seines Bruders stehende Grundstück in B. auf den 1. Januar 1948. Der Einheitswert dieses gemischtgenutzten Grundstücks betrug am 1. Januar 1935 125.000 RM. Das Gebäude wurde durch Kriegseinwirkung zerstört. Das Finanzamt hat von Amts wegen auf den 1. Januar 1948 Fortschreibung vorgenommen. Hierbei wurde der Mindestwert mit 37.600 RM (942 qm zu je 40 RM) angesetzt. Im Einspruch wurde geltend gemacht, daß das Grundstück am Stichtag noch mit Trümmern bedeckt und unverkäuflich, also praktisch wertlos gewesen sei. Der Begriff "tatsächlicher Zustand" des Grundstücks in § 3a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) sei sehr weit auszulegen. Hierunter falle auch die besondere wirtschaftliche und politische Lage Berlins in der Nachkriegszeit. Eine andere Auslegung des § 3a a. a. O. führe zu unerträglichen Härten beim Lastenausgleich. Eventuell müsse überhaupt die Rechtsgültigkeit des § 3a a. a. O. bzw. der entsprechenden Vorschrift des Art. IV § 2 Abs. 2 des Ersten Gesetzes über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 I S. 29) verneint werden. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. In den Gründen des angefochtenen Urteils wird im wesentlichen folgendes ausgeführt. Art. IV § 2 Abs. 2 a. a. O. bzw. die entsprechende Vorschrift des § 3a BewDV sei rechtsverbindlich. Da der Bf. nicht bestreite, daß der Wertansatz von 40 RM je qm des Grund und Bodens den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 entspreche, müsse dieser Wert der Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1948 zugrunde gelegt werden. Nur änderungen im tatsächlichen Zustand des Grundstücks seien bei der Fortschreibung zu berücksichtigen. Dazu gehörten aber nicht außerhalb des Grundstücks liegende und möglicherweise dessen Verkehrswert beeinflussende Umstände, wie die besonderen Verhältnisse Berlins nach Kriegsausgang. Die Trümmerbelastung könne erst bei der besonderen Wertfortschreibung auf den 1. April 1949 gemäß Art. IV § 3 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 berücksichtigt werden. Das Gesetz betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) vom 10. März 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - S. 25, Steuer- und Zollblatt 1949 S. 109) sei in Berlin (West) nicht anwendbar. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liege nicht vor, da die angewandten Bewertungsvorschriften in gleicher Weise bei allen Steuerpflichtigen in Berlin (West) zugrunde gelegt worden seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde. An der bisher vertretenen Rechtsauffassung ist festgehalten. Der Bf. betont, daß die Anordnung des § 3a BewDV bzw. die entsprechende Bestimmung des Art. IV § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 beim Lastenausgleich zu erheblichen Ungleichmäßigkeiten führe, was schon die verschiedene Behandlung der Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik und in Berlin (West) zeige. Selbst in Berlin (West) sei in der Zeit von 1935 bis 1948 eine unterschiedliche Entwicklung der Grundstückswerte in den einzelnen Stadtbezirken zu verzeichnen. Die sich aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Härten habe der Gesetzgeber auch selbst erkannt und ihnen - allerdings unzulänglich - durch Art. IV § 3 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 sowie durch die Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei den Lastenausgleichsabgaben (9. Abgaben DV-LA) vom 28. Juni 1954 (Bundesgesetzblatt 1954 I S. 158, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 I S. 319) abzuhelfen versucht.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Rechtsgültigkeit des Art. IV § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950, der dem § 3a BewDV entspricht, kann nicht deshalb verneint werden, weil sich möglicherweise auf dem Gebiet des Lastenausgleichs bei Anwendung der bezeichneten Vorschrift Härten ergeben. Der Berliner Gesetzgeber hat jedenfalls durch Erlaß der Bestimmungen im Art. IV § 3 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 Vorsorge für Beseitigung von Unbilligkeiten getragen. Dem gleichen Zweck diente die 9. Abgaben DV-LA. Auch mit der vom Bf. geltend gemachten Ungleichmäßigkeit bei Durchführung der Veranlagung der Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) kann Art. IV § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 bzw. die entsprechende Bestimmung des § 3a BewDV nicht beseitigt werden. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu ist beizustimmen. Der Umstand, daß die Regelung der Vermögensbesteuerung in Berlin in den Jahren von 1949 bis 1952 abweichend von den Verhältnissen in der Bundesrepublik verlaufen ist, rechtfertigt nicht den vom Bf. gegen den Gesetzgeber erhobenen Vorwurf der Willkür. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 317/54 U vom 6. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 370) wird Bezug genommen.

Auch der vom Bf. gewünschten weiten Auslegung des Art. IV § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 29. Dezember 1950 bzw. des § 3a BewDV kann nicht gefolgt werden. Sie verstößt gegen den Wortlaut und den Sinn der Vorschrift. Hierzu würden auch die vom Bf. angeführten Gründe aus der Anwendung des Gesetzes über den Lastenausgleich nicht ausreichen. Der Senat hält an seinem Urteil III 150/52 S vom 9. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 130, BStBl 1953 III S. 341) fest, wonach die durch den Kriegsausgang eingetretenen allgemeinen änderungen der politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse Berlins unter den Begriff der Wertverhältnisse im Sinne des Art. IV § 2 Abs. 2 a. a. O. bzw. des § 3a BewDV fallen. Eine auf besonderen Umständen beruhende änderung der wesentlichen Verkehrslage des hier in Betracht kommenden Wohngrundstücks ist nicht erkennbar. Ebensowenig gerechtfertigt ist das Verlangen des Bf., daß die Fortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks unter Berücksichtigung des Gesetzes vom 10. März 1949 betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 erfolgen solle. Die Vorinstanz hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz auf Berlin (West) nicht anwendbar ist. Fraglich kann lediglich sein, ob die angefochtene Entscheidung alle am Fortschreibungszeitpunkt vorhandenen tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks beachtet hat. Das Verwaltungsgericht führt aus, daß nach Auskunft des Vermessungsamts keine Einschränkung in der baulichen Ausnutzung des Grundstücks eingetreten sei. Diese Feststellung findet im Akteninhalt keine ausreichende Grundlage. Nach Auskunft des Amts für Stadtplanung vom 13. August 1954 kann nur die Genehmigung für eine Randbebauung des Grundstücks in Aussicht gestellt werden, und nach Mitteilung des Amts für Vermessung, Preisstelle für Grundstücke, vom 26. März 1955 ist Randbebauung mit einem der Bauklasse V a entsprechenden Wohngebäude zulässig, wobei jedoch Hinterwohngebäude gemäß der Bauordnung nicht mehr errichtet werden dürfen. Der Bf. hat hierzu in seinem Schriftsatz vom 15. Juni 1955 und in der Rechtsbeschwerde ausgeführt, daß die beiden Hinterflügel des früheren Gebäudes nicht wieder aufgebaut werden dürften, und daß das Grundstück in Zukunft höchstens im halben bisherigen Umfang bebaut werden könne. Hierin liegt zugleich ein Abrücken von der früher vom Bf. abgegebenen Erklärung, daß der Preis für den Quadratmeter des Grund und Bodens am 1. Januar 1935 mit 40 RM zutreffe. Vielmehr muß als Ansicht des Bf. nach seinen letzten Erklärungen angenommen werden, daß der qm-Preis für den Grund und Boden am 1. Januar 1935 unter Berücksichtigung der am Fortschreibungszeitpunkt geltenden Bebauungsbeschränkungen niedriger zu bemessen sei. Dieser evtl. erhebliche Umstand ist vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden. Das angefochtene Urteil war daher nebst der Einspruchsentscheidungen aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Es ist zu prüfen, welchen Wert der Grund und Boden unter Berücksichtigung der am 1. Januar 1948 bestehenden Bebauungsmöglichkeiten am 1. Januar 1935 gehabt hatte. Hierbei wird auch an der Tatsache der Trümmerbelastung am 1. Januar 1948 nicht ohne weiteres vorübergegangen werden können, es sei denn, daß am Stichtag mit der baldigen Beseitigung der Trümmer durch die öffentliche Hand zu rechnen war. Sollte der bisher zugrunde gelegte qm-Preis von 40 RM am 1. Januar 1935 den Wert des Grundstücks in seiner Beschaffenheit am 1. Januar 1948 entsprechen, so muß es bei diesem Wert bleiben. Zu einer Aussetzung der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zwecks Herbeiführung einer Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen darüber, wie die vom Bf. geltend gemachten Verstöße den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung bei der Vermögensabgabe vermieden werden sollen, besteht keine Veranlassung.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 37

BFHE 1956, 94

BFHE 62, 94

StRK, EinhWFortschrG:1 v. 10. 3. 49 R 7

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