Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebs?

 

Leitsatz (NV)

Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStAgrG Nds war auch dann anwendbar, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Aufstockungserwerbs noch nicht bürgerlich-rechtlich Eigentümer der land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücksflächen war, er aber durch notariell beurkundeten Übergabevertrag unter Auflassungserklärung die erforderlichen landwirtschaftlichen Grundstücke erworben und dabei eine unmittelbar zum bürgerlich-rechtlichen Eigentum führende und diesem nahekommende Stellung erhalten hatte.

 

Normenkette

GrEstAgrG Nds § 1 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Landwirt, kaufte am 8. August 1979 zwei in Niedersachsen liegende Grundstücke (insgesamt 67 500 qm) für . . . DM und beantragte für den Erwerbsvorgang Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des damals geltenden Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 - GrEStAgrG - (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - S. 57, BStBl II S. 50) mit der Begründung, der Erwerb der Grundstücke diene der Aufstockung seines landwirtschaftlichen Kleinbetriebs.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift nicht für gegeben und setzte durch Bescheid vom 3. April 1981 die Grunderwerbsteuer auf . . . DM fest, den Einspruch wies er zurück.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Steuerbescheid sei rechtmäßig. Der Grundstückserwerb vom 8. August 1979 sei nicht grunderwerbsteuerfrei, weil der Kläger seinerzeit nicht Inhaber eines aufstockungsfähigen Kleinbetriebs gewesen sei. Zu dieser Beurteilung ist das FG aufgrund folgenden Sachverhalts gelangt:

Der Kläger war früher Eigentümer mehrerer in Niedersachsen liegender Grundstücke gewesen (insgesamt 1 276 663 qm), die einen Hof im Sinne der Höfeordnung (HöfeO) gebildet hatten. Die meisten dieser Grundstücke (1 271 495 qm) hatte er am 6. September 1978 für . . . DM an eine Aktiengesellschaft (AG) verkauft. Behalten hatte er u.a. ein 4 705 qm großes Grundstück, das er zu bebauen beabsichtigte, ferner Miteigentumsanteile an Grundstücken, sonstige Grundstücksrechte und grundstücksgleiche Rechte. Das mitverkaufte Wohnhaus durfte er noch bis 31. Dezember 1980 bewohnen. Am 1. September 1978, also fünf Tage vor dem Verkauf der Grundstücke an die AG, hatte er ein 368 471 qm großes, land- und forstwirtschaftlich genutztes Grundstück gekauft. Als dessen Eigentümer war er - nach der Feststellung des FG - ,,erst im Jahre 1980" im Grundbuch eingetragen worden.

Aus alldem hat das FG gefolgert, der Kläger sei im maßgebenden Zeitpunkt weder Eigentümer noch dinglich Nutzungsberechtigter einer Hofstelle gewesen: Das auf dem zurückbehaltenen Grundstück (4 705 qm) errichtete Wohngebäude sei erst im Dezember 1979 bezugsfertig geworden; das Betriebsgebäude mit dem Inventar habe auf einem der an die AG verkauften Grundstücke gestanden und sei erst im Jahre 1980 vom Kläger auf dem zurückbehaltenen Grundstück aufgestellt worden. Zwar habe der Kläger gemäß dem Kaufvertrag mit der AG das verkaufte Wohngebäude und den Lagerschuppen noch bis zum 31. Dezember 1980 nutzen dürfen und habe infolgedessen die Möglichkeit gehabt, für eine gewisse Übergangszeit den neu erworbenen Grundbesitz zu bewirtschaften. Aber dies könne nicht gleichgestellt werden einem dinglich gesicherten Nutzungsrecht an einer Hofstelle. Denn sein Nutzungsrecht habe sich auf eine verkaufte Hofstelle bezogen, die folglich nicht als betrieblicher Mittelpunkt eines neuen aufstockungsfähigen Betriebs des Klägers angesehen werden könne.

Aber selbst wenn man annähme, er habe im maßgebenden Zeitraum über die erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude verfügt, sei die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStAgrG nicht anwendbar, weil der Kläger nicht - wie es die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung fordere - ,,Eigentümer von für die Annahme eines Kleinbetriebs ausreichender landwirtschaftlicher Flächen" gewesen sei. Die grundbuchliche Umschreibung des mit Vertrag vom 1. September 1978 erworbenen Grundbesitzes von 368 471 qm sei - nach der unwidersprochen gebliebenen Feststellung des FA in der Einspruchsentscheidung - erst im Jahre 1980 vollzogen worden. Die vorausgegangene Auflassung reiche für den Erwerb des bürgerlich-rechtlichen Eigentums nicht aus. Das einzige im Zeitpunkt des streitigen Erwerbs im Eigentum des Klägers stehende Grundstück sei somit die vom Verkauf an die AG ausgenommene Teilfläche seiner früheren Hofstelle gewesen, die jedoch schon allein wegen ihres Verwendungszwecks als Baufläche für die neue Hofstelle des Klägers nicht als aufstockungsfähige landwirtschaftliche Grünfläche angesehen werden könne.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStAgrG, Verletzung des rechtlichen Gehörs und unrichtige Tatsachenfeststellung. Er sei nicht erst 1980, sondern bereits am 8. Januar 1979 als Eigentümer des am 1. September 1978 gekauften Grundstücks im Grundbuch eingetragen worden. Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und dem FG aufzugeben, die für die Erteilung der Zweckdienlichkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GrEStAgrG erforderliche Bescheinigung anzufordern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit es anderweitig verhandle und entscheide (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Aufzuheben ist das FG-Urteil, weil es auf einer Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStAgrG beruht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift war von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) auf Antrag ausgenommen ,,der Erwerb eines Grundstücks, wenn es der Aufstockung eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes bis zur Größe eines Familienbetriebes dient". Verletzt hat das FG diese Vorschrift insofern, als es unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 26. Juni 1963 II 22/63 U, BFHE 77, 245, BStBl III 1963, 408, und vom 24. November 1970 II R 27/69, BFHE 101, 434, BStBl II 1971, 342) davon ausgegangen ist, der Begriff des landwirtschaftlichen Kleinbetriebes im Sinne der Befreiungsvorschrift setze voraus, daß der Kläger bürgerlich-rechtlich Eigentümer der für den landwirtschaftlichen Kleinbetrieb erforderlichen Grundstücksflächen sei. Nach der späteren Rechtsprechung des BFH ist die Befreiungsvorschrift jedoch auch dann anwendbar, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Aufstockungserwerbs noch nicht bürgerlich-rechtlich Eigentümer der land- und forstwirtschaftlich genutzen Grundstücksflächen war, er aber durch notariell beurkundeten Übergabevertrag unter Auflassungserklärung die erforderlichen landwirtschaftlichen Grundstücke erworben und dabei eine unmittelbar zum bürgerlich-rechtlichen Eigentum führende und diesem nahekommende Stellung erhalten hat (BFH-Urteile vom 23. Mai 1973 II R 14/72, BFHE 110, 62, BStBl II 1973, 763, und vom 20. November 1975 II R 50/70, BFHE 117, 406, 407, BStBl II 1976, 169).

Die Entscheidung des FG beruht auf dieser Rechtsverletzung, denn es sei nicht auszuschließen, daß es ohne sie anders entschieden hätte.

Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die Tatsachenfeststellungen hierfür nicht ausreichen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG Gelegenheit haben, auf die Einwendungen des Klägers gegen den bisher vom FG zugrunde gelegten Sachverhalt einzugehen und auch zu prüfen, ob etwa zwischen dem Grundstücksverkauf an die AG vom 6. September 1978 und den Grundstückskäufen vom 1. September 1978 und vom 8. August 1979 ein unlösbarer Zusammenhang im Sinne des erwähnten BFH-Urteils vom 20. November 1975 II R 50/70 (BFHE 117, 406, 407) bestanden hat, der die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStAgrG ausschlösse.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 186

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