Leitsatz (amtlich)

Für einen aufzustockenden landwirtschaftlichen Kleinbetrieb ist nicht unabdingbare Voraussetzung, daß neben dem Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen auch das Eigentum an einer Hofstelle mit Wohnhaus, landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden und an landwirtschaftlichem Inventar besteht. Ein landwirtschaftlicher Kleinbetrieb kann auch dann vorliegen, wenn der hinzuerwerbende Eigentümer der Grundstücke nicht zugleich Eigentümer der Hofstelle ist, ihm aber deren dauernde Nutzung dinglich gesichert ist.

 

Normenkette

Bayerisches EuAGrEStG Art. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Erwerb eines Grundstücks auf Grund des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerfreiheit für die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die Landwirtschaft und für die Aufstockung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe (EuAGrEStG) vom 10. Februar 1958 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1958 S. 22 - BayGVBl 1958, 22 -) von der Besteuerung auszunehmen ist.

Der Kläger hat gemeinsam mit seiner Ehefrau ein landwirtschaftliches Anwesen in Größe von 5,09 Ar als Miteigentümer zur unabgeteilten Hälfte erworben. Vor diesem Erwerb bewirtschafteten die Eheleute von dem Nachbarsanwesen aus mehrere ihnen gehörige landwirtschaftlich genutzte Parzellen in Größe von 7,82 ha. Miteigentümer zu 1/3 an dem Nachbarsanwesen war der Sohn der Eheleute. Der Kläger und seine Ehefrau waren berechtigt, das Anwesen mitzubewohnen und mitzubenutzen.

Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Grunderwerbsteuerbefreiung, der sich darauf stützte, daß der Erwerb des Anwesens der Aufstockung eines vorhanden gewesenen landwirtschaftlichen Kleinbetriebes gedient habe, abgelehnt, nachdem die zuständige Regierung mitgeteilt hatte, daß der Erwerb nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung im Sinne von Art. 1 Nr. 2 EuAGrEStG erfülle, weil der Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs nicht Eigentümer einer landwirtschaftlichen Hofstelle gewesen sei.

Der Beklagte zog den Kläger zur Grunderwerbsteuer einschließlich Zuschlag heran. Einspruch und Klage blieben unter Hinweis auf das Urteil des BFH II 176/62 U vom 26. Juni 1963 (BFH 77, 243, BStBl III 1963, 407) erfolglos. Nach Ansicht des FG genügt für die Anwendung des Art. 1 Nr. 2 EuAGrEStG ein bloßes Nutzungsrecht an einer Hofstelle nicht. Der Erwerber müsse vielmehr einen landwirtschaftlichen Kleinbetrieb oder wenigstens den Grundstock eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes zu Eigentum besjtzen, wozu Hofstelle mit Wohn- und Wirtschaftsteil sowie zugehörigem Inventar gehöre.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ließ das FG die Revision unter Hinweis auf das Urteil des BFH II 22/63 U vom 26. Juni 1963 (BFH 77, 245, BStBl III 1963, 408) zu.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Nach Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 EuAGrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks zur Aufstockung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe steuerfrei bis zu einer Größe, die dem Inhaber und seiner Familie eine auskömmliche Existenz sichert. Die Steuerbefreiung bezweckt, landwirtschaftliche Kleinbetriebe existenzsicherer zu gestalten oder in ihrem Bestand zu festigen.

Die Steuerbefreiung setzt voraus, daß das Grundstück zu einem bereits bestehenden ladwirtschaftlichen Kleinbetrieb hinzuerworben wird. Der Begriff des landwirtschaftlichen Kleinbetriebs ist im EuAGrEStG selbst nicht bestimmt. Die Begründung zum Regierungsentwurf (Verhandlungen des Bayerischen Landtages, III. Wahlperiode 1954/58, Beilagen Bd. IV 1957, Beilage 2194 S. 3 rechte Spalte zu Art. 1 Nr. 2) ist davon ausgegangen, daß Eigentum an der Hofstelle vorhanden sein muß. Dort ist ausgeführt, daß "ein solcher Betrieb neben der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen auch das Eigentum an einem Wohnhaus, an landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden und an landwirtschaftlichem Inventar" erfordere. Im Wortlaut des Gesetzes kommt zum Ausdruck (Art. 1 Nr. 2 Abs. 1), daß ein aufzustockender landwirtschaftlicher Kleinbetrieb gegeben sein muß. Ein solcher Betrieb kann aber nur dann druch den Zuerwerb "aufgestockt" werden, wenn schon zuvor ein Grundstücksbestand dem Erwerber zu Eigentum gehörte (Urteil II 22/63 U vom 26. Juni 1963, a. a. O.). Diese Entscheidung, die einen Fall zum Niedersächsischen Gesetz über Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 (Niedersächsisches GVBl 1959, 57, BStBl II 1959, 50) betraf, stellt in diesem Zusammenhang klar, daß es ohne Bedeutung ist, ob das Schwergewicht der Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes zur Zeit des Erwerbsvorganges auf eigenem Land oder auf Pachtland beruht. Das Eigentum an einer Hofstelle ist zwar regelmäßig, aber nicht unbedineingt erforderlich. Es genügt, wenn für den jeweiligen Inhaber des landwirtschaftlichen Kleinbetriebes die dauernde Nutzung einer Hofstelle oder die Mitbenutzung im erforderlichen Ausmaß gesichert ist. Dem Urteil II 176/62 U vom 26. Juni 1963 (a. a. O.) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen, weil es sich lediglich mit der Frage befaßt, ob die Steuerbefreiung bei der erst zukünftigen Bildung eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes zur Anwendung kommen kann.

Für einen landwirtschaftlichen Kleinbetrieb muß es genügen, wenn den Grundstücken, die dessen Eigentümer bisher schon besaß, eine Grunddienstbarkeit an der Hofstelle des Inhalts zugeschrieben ist, daß diesem die Betriebsräume dauernd zur Bewirtschaftung zur Verfügung stehen. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist gerade das Letztgenannte nicht auszuschließen; denn das FG hat festgestellt, daß dem Kläger an dem Nachbargrundstück ein Wohn- und Mitbenutzungsrecht zustehe. Ob darüber hinaus anderer Fälle dauernd gesicherter Nutzungsrechte zu begünstigen sind, ist hier nicht zu entscheiden, da insoweit keine tatsächlichen Feststellungen vorhanden sind.

Die Vorentscheidung enthält keine Feststellungen darüber, welcher Art und welchen Umfangs das Wohn- und Nutzungsrecht des Klägers und seiner Ehefrau war. Die Vorentscheidung war aus diesem Grunde aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69417

BStBl II 1971, 342

BFHE 1971, 434

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